Malta: Täter zu 40 Jahren Haft wegen Mord an Journalistin verurteilt
Nach einem Schuldbekenntnis am ersten Prozesstag hat ein Gericht in Maltas Hauptstadt Valletta die Brüder Alfred und George Degiorgio am Freitag wegen Mordes zu 40 Jahren Haft verurteilt. Ihnen wird vorgeworfen, die Investigativjounalistin Daphne Caruana Galizia mithilfe einer Autobombe getötet zu haben.
Galizia starb am 16. Oktober 2017; ihr Auto explodierte, kurz nachdem sie zu Hause aufgebrochen war. Sie hatte eine Reihe von Korruptionsvorwürfen gegen prominente Persönlichkeiten erhoben – unter anderem Minister der damaligen Regierung.
Die Brüder Degiorgio waren bereits im Dezember 2017 als Verdächtige festgenommen worden. In dem Fall sollten eigentlich rund 100 Zeuginnen und Zeugen angehört werden und ein Geschworenenurteil gesprochen werden. Die Angeklagten handelten ihre jetzige Haftstrafe in einem Vergleich aus, wie Reporter ohne Grenzen (RSF) am Samstag mitteilte. Ohne diesen hätten ihnen lebenslange Haftstrafen gedroht.
Vor Ort hatten unter anderem die Journalistenorganisationen RSF, Committee to Protect Journalists (CPJ) und Article 19 den Prozess beobachtet. RSF bezeichnete den Prozessstart als “längst überfällige Entwicklung”, begrüßte aber die Verurteilung. Pavol Szalai, Leiter des EU- und Balkan-Referats von RSF sagte: “Fast fünf Jahre danach [dem Mord] ist es wichtiger denn je, sicherzustellen, dass alle an diesem abscheulichen Verbrechen Beteiligten zur Rechenschaft gezogen werden.”
Das European Center for Press and Media Freedom sieht in dem Prozess “eine historische Gelegenheit” für die maltesische Regierung, ihre Verpflichtungen wahrzunehmen, Journalisten gesetzlich besser zu schützen. “Der fehlende politische Wille, die erforderliche effektive und systemische Reform einzuleiten, lässt Zweifel aufkommen, ob Maltas politische Klasse Lehren aus der Ermordung von Caruana Galizia gezogen hat”, warnte die Organisation.
Die Beteiligten
Zum Prozessauftakt am Freitagmorgen hatten die Angeklagten noch alle sechs Anklagepunkte bestritten. Nach einer verlängerten Mittagspause sollten die Brüder ihre Plädoyers erneut vortragen, woraufhin sie unerwartet auf schuldig plädierten, berichtete The Guardian.
Neben der Haftstrafe wurden die Degiorgio-Brüder zur Zahlung von je 42.930 Euro an Gerichtskosten sowie jeweils 50.000 Euro verurteilt, die sie als Lohn für den Mord erhalten hatten. Zuvor hatten die Beschuldigten erfolglos versucht, eine Begnadigung auszuhandeln, wenn sie im Gegenzug weitere Mitverschwörer nennen würden. Dazu soll ein ehemaliger Minister zählen, dessen Identität aber nicht bekannt gegeben wurde.
Mit den Brüdern sind nun drei von insgesamt sieben Männern verurteilt, die beschuldigt werden, sich zu dem Mord verschworen zu haben:
Der Komplize Vincent Muscat hatte bereits im Februar 2021 sein Plädoyer auf schuldig geändert und war so dem Prozess entgangen. Er wurde zu 15 Jahren Haft und zur Zahlung von Gerichtskosten in Höhe von 42.000 Euro verurteilt, unter anderem weil er die Bombe unter dem Auto platziert hatte. Berichten zufolge wurde seine Strafe reduziert, nachdem er der Staatsanwaltschaft Informationen über andere Beteiligte in dem Fall geliefert hatte. In einem anderen Mordfall war Muscat bereits von Präsident George Vella begnadigt worden: Er hatte Informationen zu dem Mord an der Anwältin Carmel Chircop im Jahr 2015 geliefert.
Separat von den anderen Verfahren wird der einflussreiche maltesische Geschäftsmann Yorgen Fenech angeklagt. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, die Auftragsmörder bezahlt und zu ihrer Tat angestiftet zu haben. Er pflegt Verbindungen in Regierungskreise und bekennt sich bislang in allen Anklagepunkten nicht schuldig. Ein Termin für seinen Prozessbeginn steht noch nicht fest.
Auch der Prozess gegen die zwei mutmaßlich am Mord beteiligten Männer Jamie Vella und Robert Agius hat noch nicht begonnen. Sie sollen die eingesetzte Bombe geliefert haben.
Weitreichende Konsequenzen
In Zusammenhang mit dem Mord war im Jahr 2020 unter anderem Maltas damaliger Premierminister Joseph Muscat zurückgetreten. Zuvor waren wiederholt Menschen auf die Straßen gegangen, um gegen Muscat zu demonstrieren und seinen Rücktritt zu fordern. Ihm wurde Korruption in verschiedenen Fällen vorgeworfen. Zuvor waren bereits der Stabschef, der Wirtschafts- sowie der Tourismusminister des damaligen Kabinetts von ihren Ämtern zurückgetreten.
RSF kündigte an, weiter in dem Fall der ermordeten Journalistin auf Aufklärung zu pochen. Geschäftsführer Christian Mihr sagte: “Viel zu viele Fälle von Morden an Medienschaffenden bleiben straflos. Aber wenn Gerechtigkeit hergestellt wird, sendet dies ein klares Signal, dass solche abscheulichen Verbrechen nicht ohne Folgen bleiben. Wir werden auch die kommenden Gerichtsverfahren in diesem Fall genau verfolgen und uns für dringend notwendige Reformen für die Pressefreiheit einsetzen, damit so etwas nie wieder passiert – weder in Malta noch anderswo.”
Auf der Rangliste der Pressefreiheit von RSF steht Malta auf Platz 78 von 180 Staaten. Nach der Ermordung von Daphne Caruana Galizia im Jahr 2017 hatte die Organisation das Land um 31 Plätze heruntergestuft. (hcz)