Menschenrechte: Spionagesoftware-Hersteller NSO hat Versprechen nicht gehalten

Mit Pegasus lassen sich Smartphones überwachen
Im Dezember 2020 war bekannt geworden, dass staatliche Angreifer Angestellte des Senders Al Jazeera mit der NSO-Software Pegasus ausgespäht hatten. (Quelle: Unsplash)

Bürgerrechtsorganisationen werfen dem Spionagesoftware-Hersteller NSO Group vor, Menschenrechtsstandards trotz entsprechender Zusagen nicht einzuhalten. Das Unternehmen habe etwa versichert, die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte zu respektieren und umzusetzen – das sei aber nicht geschehen. Auch öffentliche Versprechen größerer Transparenz seien nicht eingehalten worden, zahlreiche Fragen und Bedenken der Zivilgesellschaft blieben unbeantwortet. Das schreiben neun NGOs in einem vergangene Woche veröffentlichten offenen Brief – darunter Access Now, Amnesty International und Human Rights Watch sowie Reporter ohne Grenzen (ROG). Die Software des Unternehmens steht seit Jahren im Zusammenhang mit Menschenrechtsverletzungen.

Die Organisationen beziehen sich auf öffentliche Äußerungen der israelischen NSO Group und ihres europäischen Investors Novalpina Capital sowie auf deren Korrespondenz mit verschiedenen zivilgesellschaftlichen Organisationen.

So hatte die NSO Group Ende Dezember in einem Brief an das Citizen Lab der Universität Toronto behauptet, seine “Verantwortung für die Achtung der Menschenrechte ernst” zu nehmen. Das Unternehmen setze sich “nachdrücklich” dafür ein, dass durch die angebotene Überwachungssoftware keine “negativen Auswirkungen auf die Menschenrechte” entstehen. Die Sicherheitsforscher des Citizen Lab hatten kurz zuvor aufgedeckt, dass mit der NSO-Software Pegasus die Mobiltelefone von 36 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Nachrichtensenders Al Jazeera ausspioniert wurden. Laut der Untersuchung hatten die Angreifer Verbindungen zu den Regierungen Saudi-Arabiens und der Vereinigten Arabischen Emirate.

NSO soll Belege liefern

Die neun Organisationen fordern NSO nun auf, “unabhängige, überprüfbare Belege” dafür zu liefern, dass Pegasus nicht zur Überwachung von Dissidenten, Journalisten und Menschenrechtsverteidigern eingesetzt wird. Außerdem soll das Unternehmen nachweisen, dass seine Software nicht in Verstöße gegen internationale Menschenrechtsstandards verwickelt ist.

NSO und Novalpina Capital hätten im März 2019 angekündigt, eine unabhängige Abschätzung menschenrechtlicher Folgen zu veröffentlichen. Dies sei bisher jedoch nicht geschehen. Auch ein versprochenes “robustes Transparenzprogramm” sei bisher nicht umgesetzt worden.

Das Unternehmen habe dem ehemaligen UN-Sonderberichterstatter für Meinungsfreiheit, David Kaye, erklärt, keine Verträge mit potenziellen Kunden zu schließen, wenn das Risiko für Menschenrechtsverletzungen “übermäßig hoch” (“unduly high”) sei. Dieser Ausdruck tauche in Menschenrechtsgesetzen jedoch nicht auf – und es sei zudem nicht bekannt, wie NSO ihn definiere. Unklar sei außerdem, ob NSO Verträge kündige, wenn ein Missbrauch der Software durch Kunden festgestellt wird.

Unternehmen muss Verantwortung übernehmen

“Die NSO Group muss ihre Menschenrechtsverpflichtungen einhalten. Vor allem darf sie autoritären Staaten nicht länger Mittel zur Bespitzelung von Journalistinnen und Journalisten zur Verfügung stellen”, forderte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. “Wenn das Unternehmen diesbezüglich öffentliche Verpflichtungen eingeht, darf es sich nicht um eine bloße PR-Aktion handeln. Die Zusagen müssen auch umgesetzt werden.”

Die Versprechen des Unternehmens, mehr soziale Verantwortung zu übernehmen, seien “reines Theater”, kritisierte Ron Deibert, Direktor des Citizen Lab. “Das Spektakel könnte eine halbwegs unterhaltsame Farce sein, wäre da nicht die sehr reale und grausame Art und Weise, in der ihre Spyware von den schlimmsten Autokraten der Welt missbraucht wird.” Die Ankündigungen des Unternehmens seien ein reines “Ablenkungsmanöver von der harten Realität”.

In den vergangenen Jahren machte die Software Pegasus immer wieder im Zusammenhang mit der Überwachung von Medienschaffenden Schlagzeilen: So war beispielsweise der marokkanische Aktivist und Journalist Omar Radi ein Jahr lang mit der Software ausspioniert worden. Amnesty International schreibt den Angriff der marokkanischen Regierung zu – seit Juli 2020 sitzt Radi im Gefängnis. Der saudi-arabische Journalist Jamal Khashoggi soll vor seiner Ermordung ebenfalls mit Pegasus ausspioniert worden sein. (js)