Mobilfunkanbieter geben weiterhin Kundendaten an Auskunfteien
Deutsche Mobilfunk-Provider geben die Vertragsdaten ihrer Kunden weiterhin an Auskunfteien weiter. Das haben Recherchen des NDR und der Süddeutschen Zeitung (SZ) ergeben. Die Anbieter widersetzen sich damit einem Beschluss der Datenschutzbeauftragten von Bund und Ländern aus dem vergangenen September.
Die Datenschutzkonferenz (DSK) – Deutschlands wichtigstes Datenschutzgremium – hatte damals festgestellt, dass die Praxis der Provider seit 2018 unzulässig ist. Schon zuvor mussten die Kundinnen und Kunden erst zustimmen, bevor ihre Daten an die Auskunfteien weitergegeben werden durften. Seit Inkrafttreten der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) im Mai 2018 sind die Ansprüche an diese Einwilligung allerdings gestiegen und die Vertragsklauseln hätten erneuert werden müssen.
Laut Recherchen haben die Anbieter die erweiterte Einwilligungen bis heute in den meisten Fällen nicht eingeholt – und dennoch leiten sie die Daten von Millionen Kunden weiter.
Es würden “große Datenmengen über übliche Alltagsvorgänge im Wirtschaftsleben erhoben und verarbeitet” werden, “ohne dass die betroffenen Personen hierzu Anlass gegeben haben”, befand die DSK in ihrem Beschluss vom September. Nach Angaben der NRW-Datenschutzaufsicht verzichten die Firmen auf die Erlaubnis der Kunden, “weil sie die hohen Anforderungen an die Einwilligung scheuten”.
Um welche Daten es geht
Bei den weitergeleiteten Informationen handelt es sich beispielsweise darum, wann welcher Vertrag mit welchem Provider abgeschlossen wurde sowie wann und wie oft ein Wechsel zu einem anderen Anbieter erfolgte. Für Unternehmen sind diese Daten von Interesse, um Kundenverhalten abschätzen zu können. Die Wirtschaftsauskunfteien sammeln die Verbraucherinformationen, um Bonitätsprüfungen vorzunehmen. Daten über geführte Telefonate und ähnliches sind nicht betroffen.
Bei der Weitergabe spielt es keine Rolle, ob Personen immer alle Rechnungen beglichen haben oder verschuldet sind. “Betroffen können damit alle deutschen Verbraucherinnen und Verbraucher sein, die in den vergangen vier Jahren einen Mobilfunkvertrag abgeschlossen haben”, schrieb die SZ. Verbraucherschützer fürchten, dass auch unverschuldeten Verbrauchern Nachteile entstehen, beispielsweise beim Abschluss neuer Verträge.
Klagen angekündigt
Die Unternehmen planen aktuell nicht, sich dem Beschluss der DSK zu beugen. Man teile die “Rechtsauffassung der Aufsichtsbehörden” nicht, so der Telekommunikations-Branchenverband VATM. Dass die Datenschützer den Interessen der Kunden Vorrang geben vor denen der Unternehmen, sehen sie als falsch an.
Klarheit werden nun Gerichte schaffen müssen. “Gegen die aus unserer Sicht viel zu weiten Datenweitergabeklauseln gehen wir bereits gerichtlich vor. Auch Teile unserer Verbandsfamilie bereiten derzeit ähnliche Unterlassungsverfahren vor”, erklärte Heiko Dünkel, Leiter des Teams Rechtsdurchsetzung beim Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV), gegenüber der SZ. Einzelne Verbraucherzentralen bereiten Unterlassungsverfahren gegen einzelne Anbieter vor.
Bundesdatenschutzbeauftragter Ulrich Kelber will zunächst den Dialog mit den Mobilfunkunternehmen suchen. Laut SZ sei der Beschluss der DSK aus seiner Sicht eindeutig und die Datenweitergabe an die Auskunfteien klar verboten.
Nach Angaben des VATM gegenüber der SZ prüfen die Mobilfunkunternehmen wiederum rechtliche Schritte gegen die Entscheidung der Datenschützer. Mitglieder des Verbandes sind unter anderem Telefónica (O2) und Vodafone. Die Deutsche Telekom, die dem VATM nicht angehört, erwäge hingegen keine Klage.
Berechtigtes Interesse und Barmherzigkeit
Die Firmen begründen ihr aktuelles Vorgehen mit “berechtigtem Interesse”, das in Artikel 6 der DSGVO verankert ist. Laut dem DSK-Beschluss ist dies dennoch unzulässig, solange keine Einwilligung der Kunden vorliegt. Diese dürfe auch nicht zur Bedingung des Vertragsabschlusses gemacht werden.
Ein Argument des Branchenverbandes “Die Wirtschaftsauskunfteien e. V.” war in einer gemeinsamen Stellungnahme zu lesen: Angeblich profitierten “finanzschwächere Menschen” von der Datenverarbeitung sowie Personen, für die “ansonsten keine oder nur sehr wenige bonitätsrelevante Daten” vorliegen. Der Vorstand des VZBV, Klaus Müller hält diese Argumentation aber nicht für schlüssig. Seiner Ansicht nach habe das Vorgehen nichts mit “Barmherzigkeit” zu tun. Die Verbraucherschützer sehen eher das Problem, dass Personen keine Verträge mehr bekommen könnten, weil sie beispielsweise regelmäßig den Anbieter wechseln, um Vorteile wie Rabatte mitzunehmen. (hcz)