Myanmar baut Kameraüberwachung in Städten aus

Überwachungskameras
Da die Vorgängerregierung bereits Systeme mit Gesichtserkennung installiert hatte, konnte die Militärjunta diese nach dem Putsch für eigene Zwecke nutzen. (Quelle: IMAGO / Shotshop)

Die Juntaregierung in Myanmar lässt zunehmend Kameraüberwachungssysteme mit Gesichtserkennung installieren, wie Reuters berichtet. Die nötigen Kameras und zugehörige Technik stammten von chinesischen Technikkonzernen.

Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch (HRW) kritisieren, die Überwachung könnte gegen Aktivisten und Widerstandsgruppen eingesetzt werden.

Der Reuters-Bericht stützt sich auf die Angaben von Personen, die an den Überwachungsprojekten beteiligt sind. Auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International bestätigte gegenüber Posteo, dass im Rahmen des Projekts “Smart Cities” solche Überwachungssysteme in Myanmars Städten aufgebaut werden. Ausschreibungen dafür seien im März 2022 eröffnet worden.

“Überwachungskameras stellen ein ernsthaftes Risiko für [Myanmars] Demokratieaktivisten dar, weil das Militär und die Polizei sie verwenden können, um ihre Bewegungen zu verfolgen, Verbindungen zwischen Aktivisten herauszufinden, sichere Häuser und andere Treffpunkte zu identifizieren und von Aktivisten benutzte Autos und Motorräder zu erkennen und abzufangen”, kommentierte der stellvertretende Asien-Direktor von HRW, Phil Robertson, gegenüber Reuters.

Zahlreiche Städte beteiligt

Reuters berichtet, die lokalen Behörden hätten seit dem Militärputsch im Februar 2021 neue Kameraüberwachungsprojekte in mindestens fünf Städten gestartet, unter anderem in Mawlamyine, der viertgrößten Stadt des Landes. Dort hätten die Behörden bereits kurz nach dem Putsch eine Ausschreibung für ein Kameraüberwachungssystem durchgeführt, mehr als 200 Kameras seien bereits installiert.

In der Stadt Myitkyina seien die Systeme erst in diesem Jahr aufgebaut worden. Myitkyina ist die Hauptstadt der Region Kachin, wo es regelmäßig zu ethnischen Unruhen und groß angelegten Militäroperationen kommt.

Eine der Quellen gab gegenüber Reuters an, die Junta plane Kameraüberwachungssysteme für Städte im gesamten Land.

Aufbau begann vor Putsch

Bereits die Vorgängerregierung unter Aung San Suu Kyi hatte Kamerasysteme zur Kriminalitätsbekämpfung installiert oder geplant. Amnesty erklärte gegenüber Posteo: “Bereits vor dem Militärputsch im Februar 2021 wurde damit begonnen, die Überwachungssysteme in Myanmar zu installieren, angefangen in [der Hauptstadt] Naypyidaw.” Auch die dortigen Kameras seien mit Gesichtserkennungssoftware ausgestattet.

Die Organisation bestätigte außerdem den Aufbau von Überwachungssystemen in den Städten Pyay, Dawei und Mawlamyaing.

HRW hatte von mindestens 335 Kameras in der zweitgrößten Stadt des Landes Mandalay berichtet, die die dortige Lokalregierung schon vor der Machtergreifung des Militärs aufbauen ließ. Seit dem Putsch hat nun die Militärjunta Zugriff darauf. HRW befürchtet, dass die Technik nun gegen Protestierende eingesetzt wird.

Lokale Firmen, chinesische Technik

Die Ausschreibungen für die Überwachungssysteme seien von lokalen Beschaffungsfirmen gewonnen worden, darunter Fisca Security & Communication und Naung Yoe Technologies. Den lokalen Quellen zufolge werden die Kameras, Software und weitere Ausrüstung von den chinesischen Konzernen Zhejiang Dahua, Huawei und Hikvision bezogen.

Ergänzt würde die chinesische Technik durch Gesichtserkennungssoftware von regionalen und lokalen Unternehmen – die chinesischen Lizenzen seien in einigen Fällen zu kostspielig.

Reuters bat sowohl die beteiligten Firmen als auch die Juntaregierung und zehn Kommunalverwaltungen um eine Stellungnahme. Hikvision gab an, keine Produkte direkt an Regierungsbehörden von Myanmar verkauft zu haben – auch keine Gesichtserkennungstechnologien. Von den restlichen kontaktierten Stellen sei keine Antwort erfolgt.

Hinrichtungen und Internetsperren

Erst in dieser Woche hatten asiatische und westliche Staaten die Militärjunta scharf kritisiert, weil nach über 30 Jahren wieder Todesurteile in Myanmar vollzogen wurden. Über die Tötungen von vier Dissidenten informierte die staatliche Zeitung Global New Light of Myanmar am Montag. Zu den hingerichteten Häftlingen zählten unter anderem der Demokratieverfechter Kyaw Min Yu und das ehemalige Regierungsmitglied Phyo Zeya Thaw.

Seit der Machtergreifung hat die von der Armee kontrollierte Juntaregierung außerdem immer wieder den Zugang zum Internet oder einzelnen Diensten wie soziale Netzwerken sperren oder einschränken lassen. Menschenrechtsorganisationen und Aktivisten sehen dadurch die Meinungsfreiheit unterdrückt.

Die Bürgerrechtsorganisation Access Now beispielsweise hatte im vergangenen Jahr davor gewarnt, dass Bürger wegen der gestörten Telekommunikationssysteme keinen Zugang mehr zu wichtigen Informationen hätten. Vermutet wird auch, dass die Militärjunta mithilfe der Sperren unter anderem Berichte über Menschenrechtsverletzungen verhindern will.

Kaum freie Presse

Generell steht die Pressefreiheit in Myanmar unter keinem guten Stern: Reporter ohne Grenzen (RSF) listet das Land auf der sogenannten Rangliste der Pressefreiheit auf Platz 176 von 180. Der Organisation zufolge wurde die Pressefreiheit nach dem Militärputsch “in wenigen Tagen um zehn Jahre zurückgeworfen”.

Doch bereits unter den Vorgängerregierungen hatten die freien Medien einen schweren Stand und konnten nur eingeschränkt berichten. Ursächlich ist laut RSF unter anderem ein Telekommunikationsgesetz von 2013, das Online-Diffamierungen unter Strafe stellt. Es werde dafür missbraucht, Pressevertreter mundtot zu machen. (hcz)