Polen soll Spionagesoftware Pegasus gekauft haben

Donald Tusk
Der Oppositionspolitiker Donald Tusk sprach von einer “Krise der Demokratie”. (Quelle: IMAGO / ZUMA Wire)

Auch polnische Behörden sollen die umstrittene Spionagesoftware Pegasus eingesetzt haben. Der Präsident des Obersten Rechnungshofs, Marian Banaś, hat die Existenz einer Rechnung bestätigt, die den Kauf von Pegasus durch polnische Behörden belegen soll. Das berichtete die Nachrichtenseite Notes from Poland am Montag. Der regierungskritischen Zeitung Gazeta Wyborcza zufolge hatte die Zentrale Antikorruptionsbehörde die Spionagesoftware im Jahr 2017 erworben. Dafür sollen illegal Gelder verwendet worden sein, die eigentlich für die Unterstützung von Verbrechensopfern bestimmt waren.

Ende Dezember war bekannt geworden, dass drei polnische Oppositionelle mit dem Trojaner der israelischen Firma NSO ausspioniert worden waren. Die Opposition fordert nun eine Untersuchung der Fälle.

Nach Angaben von Notes from Poland hatte der Rechnungshof bereits im Jahr 2018 erklärt, dass die Gelder für den Kauf eines “Überwachungssystems” verwendet wurden. Dass es sich dabei um Pegasus gehandelt hatte, hat Banaś erst jetzt bestätigt. Derzeit entscheide seine Behörde über mögliche Ermittlungen.

Regierungspolitiker haben die Vorwürfe zurückgewiesen: Sie seien bereits vor vier Jahren vom Parlament untersucht worden. Doch Oppositionspolitiker argumentieren, der damalige Skandal weite sich durch die neuen Enthüllungen aus. Katarzyna Lubnauer, Vorsitzende der Oppositionspartei Nowoczesna, schrieb auf Twitter, damals habe die Regierungspartei PiS nicht gesagt, dass Pegasus genutzt würde, um “die Opposition zu überwachen” und “Wahlen zu gewinnen”.

Oppositionelle ausspioniert

Sicherheitsforscher des Citizen Labs an der Universität Toronto hatten Ende Dezember bestätigt, dass die Mobiltelefone von drei polnischen Oppositionellen mit Pegasus überwacht wurden. Die Spionagesoftware kann die vollständige Kontrolle über ein infiltriertes Gerät übernehmen und beispielsweise die Kamera und das Mikrofon unbemerkt einschalten.

Laut der Untersuchung des Citizen Labs wurde das Smartphone des Oppositionspolitikers Krzysztof Brejza im Wahljahr 2019 über 30-mal mit Pegasus infiltriert. Er hatte die Kampagne der Oppositionsallianz geleitet.

Wie die Nachrichtenagentur AP berichtet, hatte der regierungsfreundliche TV-Sender TVP Textnachrichten von Brezja verbreitet, die von seinem Telefon gestohlen und manipuliert worden waren. Sie sollten den Anschein erwecken, er verbreite hasserfüllte Anti-Regierungspropaganda. Gegenüber AP zweifelte Brejza nun an, dass die Wahl fair abgelaufen sei: Er habe keine Zweifel, dass auch interne Details zur Wahlkampfstrategie der Opposition abgegriffen wurden. “Diese Operation hat die Arbeit meiner Mitarbeiter zerstört und meine Kampagne destabilisiert, Ich weiß nicht, wie viele Stimmen sie von mir und der gesamten Koalition abgezogen hat”, sagte er AP.

Außerdem mache er sich Sorgen um Personen, die ihm in Korruptionsfällen Informationen zugespielt hatten. So hatte er etwa Zahlungen der polnischen Post an eine Firma aufgedeckt, die in Verbindung mit dem PiS-Vorsitzenden Jarosław Kaczyński steht.

Bereits wenige Tage zuvor, am 21. Dezember, hatten die Sicherheitsforscher des Citizen Labs nachgewiesen, dass der Rechtsanwalt Roman Giertych und die Staatsanwältin Ewa Wrzosek mit Pegasus ausgespäht wurden: Giertychs Smartphone wurde Ende 2019 mehrfach infiltriert. Er hatte unter anderem den früheren polnischen Ministerpräsidenten und heutigen Vorsitzenden der Partei Bürgerplattform, Donald Tusk, vertreten. Wrzosek soll im selben Jahr überwacht worden sein. Sie ist Mitbegründerin einer unabhängigen Vereinigung von Staatsanwälten, die von der PiS-Regierung angetriebene Veränderungen in der polnischen Justiz kritisiert.

Während das Citizen Lab nicht klären konnte, wer hinter den Angriffen steckt, verdächtigen die drei Opfer die amtierende polnische Regierung.

Untersuchung gefordert

Ministerpräsident Mateusz Morawiecki hatte die Vorwürfe zurückgewiesen. Donald Tusk hingegen sprach als Reaktion auf die Berichte von der “größten Krise der Demokratie” seit dem Ende des Kommunismus und forderte eine parlamentarische Untersuchung. Die Regierungspartei PiS will eine solche jedoch nicht einleiten, berichtete Bloomberg am Montag.

Die niederländische Europa-Abgeordnete Sophie in ’t Veld kritisierte Ende Dezember: “Der Einsatz von Spionageprogrammen durch EU-Regierungen gegen politische Gegner und Kritiker ist inakzeptabel.” Und weiter: “Solche Praktiken haben in der EU keinen Platz.”

Im Juli hatten die Organisationen Forbidden Stories und Amnesty International sowie mehrere internationale Medien aufgedeckt, wie weltweit Medienschaffende, Menschenrechtler und Oppositionelle mit der Spionagesoftware Pegasus überwacht wurden. Zu den weiteren potenziellen Ausspähzielen sollen Politiker wie der französische Präsident Emmanuel Macron und der Präsident des Europäischen Rates, Charles Michel, gehören.

Auch ungarische Journalisten wurden ausgespäht. Der Vorsitzende des Ausschusses für Verteidigung und Strafverfolgung, Lajos Kosa, hatte den Kauf der Spionagesoftware durch das ungarische Bundesinnenministerium im vergangenen November bestätigt.

Auch das deutsche Bundeskriminalamt nutzt Pegasus und Spanien soll ebenfalls zu den Kunden von NSO gehören.

Sanktionen gegen NSO

Nach den Enthüllungen hatten die USA im November Sanktionen gegen den Pegasus-Hersteller NSO verhängt. Außerdem hatte Apple Klage gegen das Unternehmen eingereicht.

Mehrere UN-Menschenrechtsexpertinnen und ‐experten sowie Organisationen wie Amnesty International und Reporter ohne Grenzen fordern ein sofortiges weltweites Moratorium für den Export, den Verkauf, die Weitergabe und den Einsatz von Überwachungstechnologie. (js)