Niederlande: Webcam-Überwachung im Homeoffice unrechtmäßig
Ein Angestellter in den Niederlanden wurde von seinem Arbeitgeber angewiesen, seine Webcam während der gesamten Arbeitszeit eingeschaltet zu lassen. Weil er sich weigerte, wurde er entlassen. Doch ein niederländisches Gericht hat nun entschieden, die Anweisung sei ein Eingriff in seine Privatsphäre gewesen – das Unternehmen muss ihm Schadensersatz zahlen.
Der Mann hatte von zu Hause aus für die niederländische Niederlassung des US-amerikanischen IT-Unternehmens Chetu gearbeitet. Wie aus dem vergangene Woche veröffentlichten Urteil des Bezirksgericht Zeeland-West-Brabant hervorgeht, wurde dem Angestellten am 23. August mitgeteilt, er müsse ab sofort an einem sogenannten “Corrective Action Plan” teilnehmen. Dabei wurde ihm vorgegeben, während des ganzen Arbeitstages seinen Bildschirminhalt zu teilen und seine Kamera eingeschaltet zu lassen.
Der Angestellte habe sich aber geweigert, die Webcam einzuschalten. Nach wiederholter Aufforderung durch seinen Arbeitgeber hatte er per E-Mail erklärt: “Ich fühle mich nicht wohl dabei, 9 Stunden am Tag von einer Kamera überwacht zu werden. Das ist ein Eingriff in meine Privatsphäre und ich fühle mich dabei sehr unwohl.” Alle Aktivitäten auf seinem Computer könnten bereits überwacht werden und sein Bildschirm sei freigegeben.
Nach weiteren Aufforderungen, seine Kamera einzuschalten, habe er am 26. August seine fristlose Kündigung mit der Begründung “Arbeitsverweigerung” erhalten. Dagegen hatte der Mann geklagt.
Eingriff in das Recht auf Privatsphäre
Das Gericht gab dem Angestellten nun recht und erklärte die fristlose Kündigung für unwirksam, weil der Kündigungsgrund nicht hinreichend deutlich gemacht wurde. Darüber hinaus könne sich der Kläger auf den Schutz seiner Privatsphäre berufen.
Das Unternehmen hatte argumentiert, die Kameraüberwachung unterscheide sich nicht von der Präsenzarbeit im Büro, wo der Angestellte auch von anderen gesehen werden könne. Dem folgte das Gericht nicht: Zwar gehe es nicht davon aus, dass die Kameraaufnahmen gespeichert werden, doch die Videoüberwachung sei ein Eingriff in das Recht auf Privatsphäre, das in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankert ist. Es habe kein vertretbarer Grund für diesen Grundrechtseingriff vorgelegen.
Das Gericht berief sich dabei auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Dieser hatte im November 2017 festgestellt, dass eine Videoüberwachung am Arbeitsplatz – ob geheim oder nicht – als Eingriff in das Recht auf Privatsphäre anzusehen ist. Ein solcher Eingriff könne somit nur gerechtfertigt werden, wenn er mit dem Gesetz in Einklang steht und notwendig ist, um ein legitimes Ziel zu erreichen.
Entschädigung für den Gekündigten
Das Gericht hat dem Kläger nun eine Entschädigung von 50.000 Euro sowie ein Übergangsgeld von über 9000 Euro zugesprochen. Auch ausstehenden Lohn sowie verbleibende Urlaubstage muss Chetu dem Kläger auszahlen. Das Unternehmen kann in dem Fall allerdings noch in Berufung gehen.
Die US-amerikanische Bürgerrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation (EFF) hatte im Sommer 2020 kritisiert, während viele Menschen aufgrund der Corona-Pandemie von zu Hause aus arbeiten müssten, würden Firmen zunehmend digitale Überwachungstechnik einsetzen. Während der Betroffene im aktuellen Fall angewiesen wurde, seine Kamera einzuschalten, berichtete die EFF auch von spezieller Überwachungssoftware, die beispielsweise Tastatureingaben aufzeichnet oder regelmäßig Screenshots anfertigt.
Ähnliche Rechte wie nun dem niederländischen Arbeitnehmer hatte ein US-Gericht kürzlich auch Studierenden zugeschrieben: Dort entschied ein Gericht im August, dass die Privatsphäre eines Studenten verletzt wurde, weil dieser vor einer Online-Klausur sein Zimmer per Webcam inspizieren lassen musste. (js)