Norwegen: Datenschützer untersagen Übermittlung von Einkaufsdaten

Supermarkt in Norwegen
Auch in Norwegen gilt die DSGVO. Das Land ist zwar kein Mitglied der Europäischen Union, gehört aber dem Europäischen Wirtschaftsraum an. (Quelle: IMAGO / Schöning)

Das norwegische Statistikamt SSB wollte Daten zu Supermarkteinkäufen der Bürgerinnen und Bürger sammeln. Das hat die Datenschutzbehörde nun unter Verweis auf die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) untersagt.

Die Statistikbehörde hatte im vergangenen Jahr mehrere große Einzelhändler dazu aufgefordert, täglich ihre Kassenbelege zu übermitteln. Auch der Zahlungsanbieter Nets sollte Daten zur Verfügung stellen. Medienberichten zufolge ist er für 80 Prozent aller Kartentransaktionen in Norwegen verantwortlich.

Mithilfe der gesammelten Daten wollte das Amt Statistiken über die Ernährungsentwicklung in Norwegen erstellen. Zunächst war eine zweijährige Testphase geplant.

Einzelpersonen und Unternehmen hatten daraufhin Beschwerde bei der norwegischen Datenschutzbehörde Datatilsynet eingereicht. Im Mai nun hat die Behörde dem Statistikamt untersagt, Daten über die Lebensmitteleinkäufe der Bevölkerung zu erheben, wie die Datenschützer mitteilten.

Fehlende Rechtsgrundlage

Nach Ansicht der Behörde hätte das Statistikamt durch die Datenübermittlung erfahren, welche Lebensmittel ein erheblicher Teil der Bevölkerung kauft. Laut der Entscheidung hätte die Behörde die Daten bei Kartenzahlungen außerdem nahezu in Echtzeit erhalten – inklusive Angaben zu Ort und Art der Einkäufe. Zudem hätten die Daten mit weiteren Faktoren wie Einkommen oder Bildungsstand verknüpft werden können. Das SSB hatte in der Vergangenheit erklärt, bei Kartenzahlungen lasse sich in 70 Prozent aller Fälle eine Verbindung zwischen der Transaktion und der Quittung herstellen.

Line Coll, Direktorin der Datatilsynet, erklärte: “Wir sind der Meinung, dass es keine ausreichende Rechtsgrundlage für eine solche invasive Verarbeitung personenbezogener Daten gibt.” Bürgerinnen und Bürger hätten auch keine Möglichkeit, der Datenverarbeitung zu widersprechen.

Wie die Nachrichtenseite E24 berichtet, prüft das Statistikamt nun die weitere Vorgehensweise. Eine Möglichkeit bestehe darin, gemeinsam mit der Datenschutzbehörde an einer alternativen Möglichkeit zur Datenerhebung zu arbeiten. Das Amt könnte aber auch Einspruch gegen die Entscheidung erheben.

Bereits im Herbst 2022 hatte die Datenschutzbehörde in einem Vorabentscheid die fehlende Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung bemängelt. Das Statistikamt hatte daraufhin die Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.

Einzelhändler hatten Bedenken geäußert

Als die Pläne des Statistikamts im vergangenen Jahr bekannt geworden waren, hatte es bereits breite Kritik gegeben. So hatte die Lebensmittelkette NorgesGruppen erklärt, es gehe um persönliche Daten der Kundinnen und Kunden – diese könne das Unternehmen nicht ohne Rücksprache mit der Datenschutzbehörde an das Statistikamt weiterleiten.

Auch der Genossenschaftsverbund Coop und der Zahlungsanbieter Nets hatten Bedenken geäußert.

Grunde Almeland von der liberalen Partei Venstre hatte gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk NRK erklärt, seine Partei stehe den Plänen “sehr skeptisch” gegenüber. Es handle sich um persönliche Informationen, die detaillierte Auskunft über die Ernährung, Finanzen und die Gesundheit von Personen geben könnten. So lasse sich aus den Daten beispielsweise ablesen, ob Menschen viel Alkohol konsumieren oder Schwangerschaftstests gekauft haben.

Die Datenschutzbehörde hatte zudem schon damals kritisiert, es seien alle Menschen in Norwegen betroffen, die mit Karte bezahlten – dies könne auch Minderjährige umfassen. Außerdem könne das SSB durch die Verknüpfung von Transaktionen mit einer Rechnung Einzelpersonen und Haushalte mit Daten aus dem nationalen Bevölkerungsregister verknüpfen.

Wie NRK im vergangenen Jahr berichtet hatte, wurde das Vorhaben des Statistikamtes bereits seit Jahren diskutiert: Demnach hatte die Behörde im Jahr 2012 insgesamt 3000 norwegische Haushalte aufgefordert, manuell Listen über ihre Einkäufe zu führen, um Statistiken zum Konsumverhalten erstellen zu können. Weil das zu fehleranfällig und zeitaufwändig gewesen sei, habe die Behörde im darauf folgenden Jahr mit Überlegungen begonnen, wie sich das Kaufverhalten der Bürgerinnen und Bürger automatisch erfassen lässt.

Mona Naomi Lintvedt von der Universität Oslo hatte gegenüber NRK kritisiert, es sei unverhältnismäßig, den Zahlungsverkehr der gesamten Bevölkerung zu erheben, nur damit keine Umfragebögen ausgefüllt werden müssen.

NRK hatte zudem berichtet, das Statistikamt wolle die Daten unbegrenzt speichern. Täglich gehe es um mehrere Millionen Kaufbelege. (js)