Polen: Gerichte sollen über Social-Media-Sperren entscheiden

Justizminister Zbigniew Ziobro
Justizminister Zbigniew Ziobro will per Gesetz verhindern, dass beispielsweise die Social-Media-Accounts von Rechtsextremen ohne gerichtliche Prüfung gesperrt werden. (Quelle: imago images / Eastnews)

Ein neues Gesetz soll sozialen Netzwerken wie Twitter und Facebook verbieten, Nutzerkonten zu sperren, wenn dort veröffentlichte Inhalte nicht gegen polnisches Recht verstoßen. Hierzu hat das Justizministerium nun einen Gesetzentwurf vorgelegt.

Nutzer sollen laut der Zeitung The Guardian künftig Beschwerde bei einem Gericht einreichen können, wenn soziale Netzwerke Inhalte entfernen. Das Gericht prüft dann innerhalb von sieben Tagen, ob die Inhalte gegen polnisches Recht verstoßen oder nicht. Sollte das nicht der Fall sein, muss das Unternehmen die Inhalte wieder freigeben. Der Beschwerdeprozess soll digital ablaufen.

Details zum Beschwerdeablauf oder zu möglichen Konsequenzen einer Weigerung der Unternehmen, Inhalte wieder freizugeben, sind noch nicht bekannt. Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki forderte aber die EU laut Guardian auf, ähnliche Gesetze auf den Weg zu bringen.

Facebook sperrte Hassbeiträge

In den vergangenen Jahren hatte Facebook mehrfach Inhalte rechtsextremer polnischer Organisationen und Politiker entfernt beispielsweise wegen diskriminierender Postings gegen die LGBT-Gemeinde oder Flüchtlinge. Im November wurde der Facebook-Account des rechtsradikalen Politikers Janusz Korwin-Mikke mit 780.000 Followern gesperrt. Der antidemokratisch, antisemitisch und frauenfeindlich geprägte Politiker behauptete daraufhin, Facebook werde von “Faschisten und Bolschewiken” betrieben.

Der endgültige Auslöser des aktuellen juristischen Regierungsvorstoßes scheint die Lahmlegung des Kontos von Donald Trump bei Twitter und Facebook zu sein – ideologisch gibt es Überschneidungen bei der in Polen regierenden Pis-Partei und Trump. Ohne direkten Bezug auf den aktuellen Gesetzentwurf zu nehmen, bezeichnete der Staatssekretär des Justizministeriums Sebastian Kaleta die Entscheidung, Trumps Facebook-Account zu sperren, als scheinheilig und politisch motiviert; die Maßnahme laufe auf Zensur hinaus.

Auch zahlreiche andere europäische Politiker sowie Bundeskanzlerin Angela Merkel hatten Twitter in der vergangenen Woche für das Sperren von Trumps Account kritisiert.

Polens freie Medien bedroht

Polens regierende PiS-Partei zeigt allerdings zunehmend selbst Ambitionen, die Meinungs- und Pressefreiheit im eigenen Land zu beschneiden. Im Ranking der Pressefreiheit fiel Polen innerhalb von fünf Jahren seit dem Regierungsantritt der PiS-Partei um zahlreiche Ränge zurück: von ehemals Platz 18 auf nun Platz 62 – von 180.

Gründe dafür sind unter anderem die Entlassungen zahlreicher regierungskritischer Journalisten und die zunehmende Gleichschaltung der Presse. Parallel liefen Verleumdungsklagen gegen Journalisten. Laut der Organisation Reporter ohne Grenzen gebe es trotz der Bedrohungen in Polen weiterhin eine vielfältige private Medienlandschaft, die in “voller Brandbreite funktioniert” und regierungskritische Informationen in ihrem Programm hat. (hcz)