Türkei verbietet Werbung auf Twitter und Pinterest
Die Türkei hat Firmen verboten, Werbung auf Twitter zu schalten. Das betrifft auch Twitters Live-Video-App Periscope und den Anbieter Pinterest, wie aus einer am Dienstag im türkischen Amtsblatt veröffentlichten Entscheidung hervorgeht. Hintergrund ist ein im vergangenen Jahr verabschiedetes Gesetz zur stärkeren Regulierung sozialer Netzwerke, wonach Plattformen türkische Ansprechpartner im Inland benennen müssen. Twitter, Periscope und Pinterest seien dem bisher nicht nachgekommen.
Unternehmen in der Türkei dürfen nun keine neuen Werbeverträge mit den Anbietern abschließen und auch kein Geld an sie überweisen. Türkischen Firmen werde damit untersagt, auf den Plattformen zu werben, sagte der Internetexperte Yaman Akdeniz der Deutschen Presse-Agentur. Wenn Unternehmen dort dennoch Werbung platzieren, drohen ihnen selbst Strafen, berichtet die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu.
Das türkische Parlament hatte im Juli 2020 das neue “Gesetz gegen Internetverbrechen” verabschiedet. Es verpflichtet Social-Media-Anbieter mit täglich mehr als einer Million Nutzer in der Türkei dazu, eine Niederlassung in der Türkei mit einem türkischen Staatsbürger als Unternehmensvertreter zu eröffnen. Sie müssen etwa Löschanweisungen türkischer Behörden umsetzen.
Weil sie keinen Vertreter benannt hatten, hatte die Türkei im November bereits Strafen von umgerechnet jeweils etwa 1 Million Euro gegen Twitter und andere Anbieter verhängt. Im Dezember wurden diese auf umgerechnet etwa 3 Millionen Euro erhöht. Das nun verhängte Werbeverbot ist die dritte Stufe der vorgesehenen Sanktionen. Sollten die Betreiber weiterhin keinen türkischen Vertreter benennen, folgt eine Reduzierung der Bandbreite um 50 Prozent. Im letzten Schritt soll die die Verbindungsgeschwindigkeit um 90 Prozent reduziert werden, womit die Plattformen in der Türkei fast unnutzbar werden.
Der stellvertretende Verkehrs- und Infrastrukturminister Ömer Fatih Sayan schrieb auf Twitter, man hoffe, dass Pinterest und Twitter “umgehend” die erforderlichen Schritte unternehmen.
Facebook und YouTube benennen Vertreter
Die Türkei hatte zuvor auch Geldstrafen gegen Facebook, Instagram, YouTube und TikTok verhängt. YouTube hatte daraufhin im Dezember erklärt, eine Vertretung zu benennen. Am Montag kündigte auch Facebook diesen Schritt an. Dies ändere nichts an Facebooks weltweit gültigen Richtlinien, Regierungsanfragen zu prüfen – man werde den Vertreter wieder zurückziehen, sollte die Regierung Druck ausüben.
Milena Büyüm von der Menschenrechtsorganisation Amnesty International kritisierte YouTube und Facebook: Sie liefen Gefahr, “ein Instrument der staatlichen Zensur” zu werden. Sarah Clarke von der britischen Menschenrechtsorganisation Article 19 forderte Social-Media-Unternehmen dazu auf, nicht zur Online-Zensur in der Türkei beizutragen. Sie sollten Daten von Nutzerinnen und Nutzern nicht an türkische Behörden weitergeben und sie damit dem Risiko “willkürlicher Verhaftung und Verfolgung” aussetzen.
Laut dem Gesetz müssen Anbieter zudem innerhalb von 48 Stunden auf Löschanfragen reagieren oder bestimmte Inhalte ändern. Außerdem müssen sie Nutzerdaten in der Türkei speichern. Werden Inhalte nicht entfernt, sollen die Webseiten innerhalb von vier Stunden blockiert werden.
Zensur von Medien
Das Gesetz war bereits im Vorfeld kritisiert worden: Die Organisation Reporter ohne Grenzen hatte der Regierung vorgeworfen, die sozialen Medien kontrollieren zu wollen. Sie seien der einzige Ort, wo Journalistinnen und Journalisten noch vergleichsweise frei berichten könnten. Die Türkei wolle internationale Plattformen national kontrollieren, um gegen Regierungskritiker vorgehen zu können. Laut der Organisation wurde schon die 2007 in Kraft getretene Ursprungsversion des Gesetzes dazu genutzt, unabhängige Online-Medien zu zensieren.
Amnesty International hatte das Gesetz als “Angriff auf die Meinungsfreiheit” bezeichnet. Die Organisation Human Rights Watch hatte gewarnt, dass die Online-Zensur in der Türkei weiter zunehmen werde.
Türkische Medien stehen zum Großteil unter direkter oder indirekter Kontrolle der Regierung. Auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen belegt die Türkei Platz 154 von 180. Auch die Kontrolle über Inhalte im Internet wurde immer wieder verstärkt. Bis Januar 2020 war beispielsweise die Online-Enzyklopädie Wikipedia zwei Jahre lang gesperrt. Die Regierung geht wegen regierungskritischer Inhalte im Internet auch regelmäßig gegen Nutzerinnen und Nutzer vor und verhängt lange Gefängnisstrafen. (dpa / js)