Polen: Journalist ohne Anhörung verurteilt
Der polnische Investigativjournalist Tomasz Piatek ist zu acht Monaten gemeinnütziger Arbeit verurteilt worden. Davon erfuhr er allerdings erst aus Berichten regierungsnaher Medien, berichtet die Organisation Reporter ohne Grenzen (RSF).
RSF-Geschäftsführer Christian Mihr konstatierte: “Tomasz Piatek ist ein herausragender Journalist, den Reporter ohne Grenzen nicht ohne Grund 2017 als Journalist des Jahres ausgezeichnet hat. Die gegen ihn laufenden Klagen sollen ihn mundtot machen.”
Reporter ohne Grenzen hatte Piatek im Jahr 2017 als “Journalist des Jahres” ausgezeichnet. Ein Jahr später erhielt der Journalist, der bereits mehrfach wegen seiner Recherchen verklagt wurde, auch den Leipziger Medienpreis.
Im Jahr 2019 hatte Piatek ein Sachbuch mit dem Titel “Morawiecki und seine Geheimnisse” veröffentlicht. Darin hatte er über Verbindungen des amtierenden Premierministers Mateusz Morawiecki zur russischen Geschäftswelt und zum russischen Geheimdienst berichtet.
Ein dem Premierminister nahestehender Milliardär hatte Piatek daraufhin wegen übler Nachrede verklagt. Wie RSF berichtet, wurde der Journalist nun zu insgesamt acht Monaten gemeinnütziger Arbeit verurteilt. Pro Monat muss er jeweils 20 Stunden ableisten.
Das Urteil sei Ende Oktober ergangen, ohne dass Piatek vor Gericht angehört wurde. Dieser habe erst nach Ablauf der Revisionsfrist durch Medienberichte davon erfahren.
RSF kritisiert Justizbehörden
Das Gericht sei nach dem polnischen Strafgesetzbuch verpflichtet, den Angeklagten in dem Fall anzuhören, so RSF. Piatek habe jedoch nie eine Vorladung an seine aktuelle Adresse erhalten. Die Justizbehörden hatten die Post an Piateks alte Adresse geschickt, an die auch die Anklageschrift ging. Dort war er auch noch offiziell gemeldet – er hatte dem Gericht also nicht seine neue Anschrift mitgeteilt.
RSF ist jedoch der Ansicht, Piatek habe sich nicht bewusst vor dem Prozess gedrückt. Vielmehr sei er davon ausgegangen, er könne über seine den Justizbehörden bekannten Anwälte erreicht werden. Auch über seinen Verleger wäre dies möglich gewesen.
Die Organisation kritisiert, der Grundsatz von Treu und Glauben sowie das Recht auf ein faires Verfahren hätten “ernsthaftere Versuche des Gerichts” erforderlich gemacht, Piatek ordnungsgemäß vorzuladen und ihm die Möglichkeit zu geben, sich zu den gegen ihn erhobenen strafrechtlichen Vorwürfen zu äußern. Die Vorladung hätte etwa erneut an seinen Verleger verschickt werden können. Solange ein Angeklagter sich nicht zu strafrechtlichen Vorwürfen äußern kann, müsse der Prozess verschoben werden. Die Organisation will Piatek nun in seinen Bemühungen um eine Revision des Urteils unterstützten.
Klagen wegen früheren Buches
Tomasz Piatek wurde bereits häufiger verklagt. Im Jahr 2017 hatte er in einer Kolumne für die Zeitung “Gazeta Wyborcza” sowie in seinem Buch “Macierewicz und seine Geheimnisse” Verbindungen des ehemaligen polnischen Verteidigungsministers Antoni Macierewicz zum Umfeld des russischen Präsidenten Wladimir Putin, zum russischen Geheimdienst und zu kriminellen Gruppen in Russland aufgedeckt.
Der Minister hatte daraufhin die Staatsanwaltschaft eingeschaltet, die den Fall ihrer Militärabteilung zugeordnet hatte – dem Journalisten drohten damit die Anklage vor einem Militärgericht und bei Verurteilung bis zu drei Jahre Haft. Vorgeworfen wurden ihm damals “Anwendung von Gewalt oder rechtswidriger Drohung, die ein Mitglied der Regierung in der Ausübung seines Amtes beeinträchtigt” und “Beleidigung eines Regierungsvertreters bei oder in Verbindung mit der Ausübung seines Amtes”. Das Verfahren wurde schließlich eingestellt.
Zusätzlich hatte Oberst Krzysztof Gaj, ein ehemaliger Berater des Ministerpräsidenten und ehemaliger Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums, wegen des Buches gegen den Journalisten geklagt. Im Juni 2022 wurde Piatek schließlich wegen Verleumdung zu einer Geldstrafe von 1000 Euro verurteilt. Zusätzlich wurde er dazu verpflichtet, eine Entschuldigung über die Medien zu verbreiten. Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung im Sommer berichtete, wurden der Prozess und die Urteilsbegründung auf Antrag des Klägers als geheim eingestuft.
Auf der Rangliste der Pressefreiheit der Organisation RSF rangiert Polen auf Platz 66 von 180 Staaten. Seit die rechts-konservative PiS-Partei Polen regiert, hat kein anderes Land in der EU so viele Plätze verloren wie Polen. Im Jahr 2015, vor dem Antritt der PiS-Regierung, belegte das Land noch Platz 18. (js)