Abholzung im brasilianischen Amazonasgebiet sinkt leicht

Abholzung
Stirbt der Amazonas-Regenwald weiter, wird das globale Klimafolgen nach sich ziehen. (Quelle: IMAGO / ZUMA Wire)

Die Abholzung im brasilianischen Amazonasgebiet ist seit Mitte des vergangenen Jahres im Mittel zurückgegangen. Zwischen Anfang August 2021 und Ende Juli 2022 sei in der Region eine Fläche vom 11.568 Quadratkilometern abgeholzt worden, teilte das Nationale Institut für Weltraumforschung (INPE) am Mittwoch bei der Vorstellung seines Jahresberichts mit. Im Vergleichszeitraum ein Jahr zuvor waren es 13.038 Quadratkilometer gewesen. Somit ging die Abholzung um elf Prozent zurück.

Mit rund 27.700 Quadratkilometern abgeholzter Fläche hatte der Index 2004 seinen Höchststand erreicht. Danach sanken die Raten zunächst kontinuierlich, bis auf den Tiefststand von 4500 Quadratkilometern im Jahr 2012. 

Dann legte die Abholzung wieder zu – vor allem seit dem Amtsantritt des rechten Präsidenten Jair Bolsonaro Anfang 2019. Der Rechtsextreme wurde Ende Oktober abgewählt und wird zum Jahreswechsel aus dem Amt scheiden. “Bolsonaro hat das Land mit einer Abholzungsrate von 7500 Quadratkilometern im Amazonasgebiet übernommen und liefert es nun mit 11.500 Quadratkilometern ab”, kritisierte der Leiter der Klimabeobachtungsstelle, Marcio Astrini. 

Im Vergleich zu den vier Jahren vor ihm sei die Abholzungsrate während der Präsidentschaft von Bolsonaro um 59,5 Prozent gestiegen. Das sei der höchste prozentuale Anstieg in einer Präsidentenamtszeit seit Beginn der Satellitenmessungen im Jahr 1988, zeigt das INPE in dem Bericht auf.

Marcio Astrini, Exekutivsekretär des brasilianischen Klimaobservatoriums, weist darauf hin, dass es angesichts der Daten keinen Grund zur Entwarnung gibt: “Die jüngsten Zahlen zeigen, dass die Verwüstung immer noch außer Kontrolle ist. Jair Bolsonaro wird seinem Nachfolger ein verfluchtes Erbe der Entwaldung und eines ausgebrannten Amazonas hinterlassen.”

Neuer Präsident kündigt Kehrtwende an

Auch ein im Januar veröffentlichter Greenpeace-Bericht zog eine verheerende Bilanz von Bolsonaros Amtszeit. Die Umweltschutzorganisation konstatierte damals: “In nur drei Jahren hat seine Agenda zu einer dramatischen Verschlechterung der Natur, der Gemeinschaften und der biologischen Vielfalt geführt.”

Bolsonaro sah das Amazonasgebiet vor allem als ungenutztes wirtschaftliches Potenzial und wollte noch mehr Flächen für Landwirtschaft, Bergbau und Energiegewinnung erschließen.

Sein Nachfolger, Lula da Silva, kündigte auf der Klimakonferenz Mitte November in Ägypten hingegen an, den Kampf gegen den Klimawandel und den Schutz des Amazonasgebiets in seiner Regierungsarbeit in den Vordergrund zu stellen. Er wolle die Abholzung in allen brasilianischen Ökosystemen bekämpfen.

Entmachtete Umweltschützer

Die unter Bolsonaro geschwächten Umwelt- und Kontrollorgane will da Silva wieder aufbauen und Umweltverbrechen bestrafen. Der Schutz der Wälder solle mit der Entwicklung in Einklang gebracht werden. 

Der scheidende Präsident hatte den Umweltschutzbehörden gezielt Personal und Finanzierung entzogen: Die Finanzmittel der Umweltbehörden IBAMA und ICMBio wurden zwischen 2019 und 2020 um jeweils etwa 30 Prozent gekürzt. Das Umweltministerium hatte 2021 so wenig Geld zur Verfügung wie seit 2010 nicht mehr.

Laut Greenpeace wurde ein Großteil der Umweltvergehen in der Folge nicht mehr geahndet. Auch seien während Bolsonaros Amtszeit 1500 neue Pestizide zugelassen worden und Landkonflikte hätten um fast 40 Prozent zugenommen.

“Wenn Sie wollen, dass die Zahl der Waldzerstörung im Jahr 2023 zurückgeht, muss Lula vom ersten Tag seiner Regierung an null Toleranz gegenüber Umweltkriminalität zeigen”, mahnte Exekutivsekretär Astrini. “Und dazu gehört auch, diejenigen vor Gericht zu bringen, die die Umweltpolitik des Landes sabotiert haben, während sie die Regierung in den letzten vier Jahren besetzten.” Er warnte vor einer Reihe von Gesetzentwürfen, die der Kongress später in diesem Jahr verabschieden will und die auf eine Amnestie für Landraub und die Abschaffung von Umweltlizenzen abzielten.

Weltklima in Gefahr

Das brasilianische Amazonasgebiet ist ein wichtiger CO2-Speicher, erstreckt sich über neun brasilianische Bundesstaaten und entspricht flächenmäßig der Größe Westeuropas. Für die Stabilität des Weltklimas und die Artenvielfalt nimmt der Regenwald dort eine Schlüsselrolle ein.

Die Umweltorganisation WWF hatte erst Mitte November gewarnt, der Amazonas-Regenwald stehe “sehr kurz” vor Erreichen eines Kipppunktes durch die fortschreitende Entwaldung. Ohne sofortige Gegenmaßnahmen von Politik und Privatwirtschaft könne der Amazonas bereits innerhalb des nächsten Jahrzehnts seine Funktion als wichtiger globaler Klimaregulator verlieren.

Etwa 367 bis 733 Gigatonnen CO2 sind laut WWF im Amazonasgebiet gespeichert. Durch die fortschreitende Zerstörung wird immer mehr davon in die Atmosphäre abgegeben. Der Weltklimarat der Vereinten Nationen (IPCC) schätzt, dass die Welt nur noch 360 bis 510 Gigatonnen CO2 emittieren kann, um das Klimaziel einzuhalten. Der Verlust des Waldes könnte also das gesamte verbleibende Kohlenstoffbudget aufbrauchen.

Das Ziel des Pariser Klimaabkommens, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu beschränken, wäre dann außer Reichweite. (dpa / hcz)