Reporter ohne Grenzen ehrt couragierte Journalistinnen

Sebastian Lai
Sebastian Lai (rechts) nahm den Preis für seinen inhaftierten Vater, Jimmy Lai, entgegen. (Screenshot: Posteo)

Die Organisation Reporter ohne Grenzen (ROG) hat am Dienstag die Press Freedom Awards in Taipeh vergeben. “Die diesjährigen Preisträger der RSF Press Freedom Awards sind ein Beispiel für das, was wir unter journalistischen Idealen verstehen: hohe Standards, Mut, Einfluss und Unabhängigkeit bei gleichzeitiger Achtung der journalistischen Ethik”, sagte Christophe Deloire, Generalsekretär von ROG.

Neben den Preisen in den Kategorien “Mut”, “Wirkung” und “Unabhängigkeit”, gab es in diesem Jahr auch einen Sonderpreis: Er ging an Jimmy Lai, Gründer der Hongkonger Zeitung Apple Daily. Diese sei eines der wenigen Medien, die noch Kritik an der chinesischen Regierung üben. Zudem habe die Zeitung ausführlich über die pro-demokratischen Proteste in Hongkong berichtet. Die Jury hatte sich entschieden, den Sonderpreis aufgrund der deutlichen Verschlechterung der Pressefreiheit in Hongkong zu vergeben. Jimmy Lai war in der vergangenen Woche erneut verhaftet worden. Daher nahm sein Sohn Sebastian Lai die Auszeichnung entgegen. Offiziell wirft die Regierung dem Verleger Betrug vor; schon im August musste er wegen angeblicher Verstöße gegen das Hongkonger Sicherheitsgesetz in Untersuchungshaft.

Der Preis für Mut ging an die russische Investigativreporterin Jelena Milaschina, die für die kremlkritische Zeitung Nowaja Gaseta arbeitet. Milaschina berichtet über Tschetschenien und wurde wiederholt Ziel tätlicher Angriffe. Sie erhielt Morddrohungen und wurde zensiert. Dennoch berichtet sie weiter über die autonome Republik Tschetschenien und ihren autoritären Präsidenten Ramsan Kadyrow.

Preis für afghanischen Radiosender

In der Kategorie Wirkung zeichnete Reporter ohne Grenzen den afghanischen Radiosender Merman aus. Er sendet in Kandahar mit dem Auftrag, die Situation von Frauen (“Merman” in Paschtu) zu verbessern. Derzeit arbeiten 15 Frauen für den Sender, der auch Journalistinnen ausbildet. Trotz Drohungen der Taliban, Warnungen der Sicherheitsbehörden und Angriffen auf die Journalistinnen, senden sie weiter.

Lina Attalah hat als Herausgeberin und Mitbegründerin der Online-Zeitung Mada Masr den Preis für Unabhängigkeit erhalten. Mada Masr ist eines der wenigen unabhängigen Medien in Ägypten – der Zugriff auf die Seite ist innerhalb des Landes seit drei Jahren gesperrt. Aufgrund ihrer Recherchen war Attalah Polizeirazzien und Verhören ausgesetzt. In ihrer Dankesrede sagte sie: “Unabhängiger Journalismus ist ein Menschenrecht.”

12 Nominierungen

Insgesamt waren zwölf Journalistinnen, Journalisten und Medien nominiert. Christophe Deloire sagte: “Mit den Preisen wollen wir aber nicht nur die Leistungen der Preisträgerinnen und Preisträger anerkennen. Wir wollen auch alle Nominierten und ihre Arbeit unterstützen und auf die Risiken aufmerksam machen, die sie häufig eingehen müssen, wenn sie die Öffentlichkeit informieren wollen.” Eine internationale Jury hatte über die Gewinnerinnen und Gewinner entschieden.

Nach London im Jahr 2018 und Berlin im Jahr 2019 wurden die Press Freedom Awards in diesem Jahr in der taiwanesischen Stadt Taipeh verliehen. “Taiwan hat bewiesen, dass man die Covid-19-Pandemie unter Kontrolle bringen kann, ohne die Grundfreiheiten zu opfern. Es ist daher der ideale Ort für die Verleihung der Press Freedom Awards”, hatte Cédric Alviani, Leiter des ROG-Ostasienbüros, anlässlich der Nominierungen zur Wahl des diesjährigen Ortes gesagt.

Die Dankesreden der Preisträger wurden als Videos eingespielt. Eine Aufzeichnung der Veranstaltung kann auf YouTube angesehen werden. (js)