Reporter ohne Grenzen zeichnet inhaftierte Medienschaffende aus

Die Gewinnerin und Gewinner der Auszeichnung
Die iranische Journalistin Narges Mohammadi und der marokkanische Medienschaffende Omar Radi (v.l.) sitzen aufgrund ihrer journalistischen Arbeit im Gefängnis. (Quelle: RSF)

Die Organisation Reporter ohne Grenzen (RSF) hat am Montag zum 30. Mal die Press Freedom Awards vergeben: Die Auszeichnung geht in diesem Jahr an inhaftierte Medienschaffende aus dem Iran und Marokko. Auch zwei Journalisten aus der Ukraine haben den Preis für ihre Arbeit erhalten.

In der Kategorie Mut wurde die iranische Journalistin Narges Mohammadi ausgezeichnet. In den vergangenen zwölf Jahren sei sie immer wieder festgenommen worden und habe einen Großteil dieser Zeit im Gefängnis verbracht. Dennoch habe sie ihren Einsatz für Pressefreiheit und Menschenrechte nie aufgegeben: Selbst im Gefängnis habe Narges Mohammadi weiter über die Lage von Gefangenen im Iran und insbesondere über weibliche Insassen informiert, so RSF. Auch gegen die Todesstrafe setzt sie sich ein.

Im Gefängnis habe sie weiter zu zivilem Widerstand aufgerufen und Artikel verfasst. Sie drehte sogar einen Dokumentarfilm und veröffentlichte ihr Buch “Weiße Folter”, das auf Interviews mit 16 Gefangenen basiert.

Am 16. November 2021 wurde Narges Mohammadi erneut verhaftet. Im Januar wurde sie zu weiteren acht Jahren Haft sowie 70 Peitschenhieben verurteilt und befindet sich im Iran weiterhin in Haft.

Sie ist mit dem Journalisten Tahi Rahmani verheiratet, das Paar hat zwei Kinder – die drei leben in Frankreich im Exil. Weil Narges Mohammadi seit 2011 nur wenige Monte auf freiem Fuß war, könne sie ihre Kinder nicht aufwachsen sehen. Obwohl sie Herzprobleme habe, sei sie im Gefängnis gefoltert worden.

Journalisten berichteten 20 Tage lang aus Mariupol

Den Preis in der Kategorie Wirkung hat RSF in diesem Jahr an die beiden ukrainischen Journalisten Mstyslav Chernov und Evgeniy Maloletka verliehen, die für die Nachrichtenagentur Associated Press arbeiten. Laut RSF waren sie die einzigen Medienschaffenden, die im März 2022 20 Tage lang die Auswirkungen der Kämpfe in der ukrainischen Stadt Mariupol für internationale Medien dokumentiert haben.

Ihr Foto einer beim Beschuss eines Krankenhauses verletzten, schwangeren Frau ging um die Welt. In Mariupol hätten die beiden Journalisten unter schwierigsten Bedingungen gearbeitet, weil die russische Armee wegen der potenziellen Auswirkungen ihrer Fotos nach ihnen gesucht habe.

Mit Pegasus ausspioniert

Der marokkanische Enthüllungsjournalist und Menschenrechtsaktivist Omar Radi erhielt den Preis in der Kategorie Unabhängigkeit. Er berichtet unter anderem über Korruption und wird deshalb seit mehr als zehn Jahren von der marokkanischen Justiz verfolgt.

Laut RSF haben die Behörden im Juni 2020 begonnen, wegen Spionageverdachts gegen ihn zu ermitteln. Kurz zuvor hatte Amnesty International aufgedeckt, dass er mit der Spähsoftware Pegasus überwacht wurde. Die Menschenrechtsorganisation macht marokkanische Behörden dafür verantwortlich.

Im Juli 2020 wurde Omar Radi dann verhaftet und ein Jahr später wegen vermeintlicher Vergewaltigung und Spionage zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt. Amnesty International zufolge war das Gerichtsverfahren gegen ihn durch “durch eklatante Verstöße gegen die Standards für faire Gerichtsverfahren gekennzeichnet”. Als die Behörden mit ihren Ermittlungen begonnen hatten, habe Radi zu unrechtmäßigen Enteignungen von Stammesland in Ouled Sbita recherchiert.

RSF wirft den Behörden vor, sie hätten den Journalisten schon mindestens drei Jahre vor dem Prozess im Visier gehabt.

Im April 2021 war Radi in den Hungerstreik getreten, um gegen seine Inhaftierung zu protestieren. Nach 21 Tagen musste er den Hungerstreik wegen einer chronischen Darmerkrankung abbrechen. Sein Gesundheitszustand ist seitdem sehr schlecht, so RSF.

Preis wird seit 1992 verliehen

RSF-Generalsekretär Christophe Deloire kommentierte: “Der Preis wird jedes Jahr an außergewöhnliche Menschen verliehen, die Journalismus betreiben, damit Demokratie und Menschenrechte existieren können; damit die Herausforderungen, vor denen die Menschheit steht, global und lokal angegangen werden können. Um, wie Albert Camus es vereinfacht ausgedrückt hat, zu verhindern, dass die Welt sich auflöst.”

Die Press Freedom Awards wurden 1992 ins Leben gerufen. In diesem Jahr wurden sie im Rahmen einer Zeremonie in Paris verliehen. Friedensnobelpreisträger Dimitri Muratow hatte die Veranstaltung eröffnet. Eine internationale Jury unter Vorsitz von RSF-Präsident Pierre Haski hatte über die Gewinnerinnen und Gewinner entschieden. Insgesamt waren fünf Journalistinnen, acht Journalisten und drei Medienunternehmen in den drei Kategorien nominiert.

Im vergangenen Jahr wurden die Preise ohne begleitende Veranstaltung an chinesische und palästinensische Medienschaffende sowie ein Rechercheprojekt vergeben. (js)