Reporter ohne Grenzen verleiht Press Freedom Awards
Die Organisation Reporter ohne Grenzen (RSF) hat am Donnerstag zum 29. Mal die Press Freedom Awards vergeben: Sie gehen an die chinesische Journalistin Zhang Zhan, die palästinensische Journalistin Majdoleen Hassona und die Recherchen zur Spionagesoftware Pegasus.
Der Preis in der Kategorie Mut ging an die chinesische Journalistin Zhang Zhan: Trotz Drohungen der Behörden hatte sie im Februar 2020 über die Frühphase der Covid-19-Pandemie in der Stadt Wuhan berichtet. Über soziale Medien hatte sie live die Verhältnisse auf den Straßen und in den Krankenhäusern der Stadt gezeigt – ebenso wie Schikanen, denen die Familien von Erkrankten ausgesetzt waren. RSF bezeichnet ihre Berichterstattung als eine der “wichtigsten unabhängigen Quellen zur Situation”.
Zhang Zhan wurde im Mai 2020 verhaftet und monatelang ohne Kontakt zur Außenwelt und ohne Angabe von Gründen festgehalten. Ende Dezember wurde sie dann zu vier Jahren Gefängnis verurteilt – weil sie angeblich “Streit angezettelt und Ärger provoziert” haben soll. Um gegen das Urteil zu protestieren, trat die Journalistin, die ursprünglich als Anwältin gearbeitet hatte, in den Hungerstreik. Daraufhin wurde sie fixiert und zwangsernährt. RSF berichtet, ihr Gesundheitszustand habe sich in den vergangenen Wochen stark verschlechtert – die Angehörigen fürchten um ihr Leben.
Organisationen fordern Freilassung
Erst Ende September hatten zahlreiche Organisationen, darunter RSF und Amnesty International, die sofortige Freilassung von Zhang Zhan gefordert. Auch die Bundesregierung setzt sich dafür ein.
Stellvertretend hielt die Aktivistin Jane Wang, die sich für die Freilassung von Zhang Zhan einsetzt, die Dankesrede. Sie sagte: “Zhang Zhan erinnert uns daran, wie die chinesischen Behörden die Medien kontrollieren, indem sie Informationen blockieren und Menschen verhaften.” Man wisse nicht, wie viele weitere Menschen in China noch verhaftet wurden, weil sie über Corona berichtet haben.
RSF-Generalsekretär Christophe Deloire kommentierte: “Zhang Zhan, die Gewinnerin in der Kategorie ‘Mut’, sitzt im Gefängnis und befindet sich in einem lebensbedrohlichen Zustand – und das nur, weil sie sich der Zensur widersetzt und die Welt darauf aufmerksam gemacht hat, was in China während der gerade beginnenden Pandemie geschah.”
Palästinensische Journalistin Majdoleen Hassona
Die palästinensische Journalistin Majdoleen Hassona wurde mit dem Preis für Unabhängigkeit ausgezeichnet. Sie arbeitet für den türkischen Fernsehsender TRT in Istanbul. Bevor sie in die Türkei gegangen war, hatten israelische und palästinensische Behörden sie wegen ihrer Veröffentlichungen bereits regelmäßig verfolgt und schikaniert. Sie hatte dort kritisch über die politische Lage berichtet.
Nachdem sie im August 2019 in ihr Heimatland zurückgekehrt war, wurde sie an einem israelischen Kontrollpunkt festgenommen. “Aus Sicherheitsgründen” wurde ihr die Ausreise verweigert. Seitdem befindet sich Majdoleen Hassona noch immer im Westjordanland und setzt ihre Arbeit dort fort. Als sie im Juni 2021 über regierungskritische Proteste nach dem Tod eines Aktivisten berichtet hatte, wurde sie nach Angaben von RSF von palästinensischen Sicherheitsbeamten geschlagen.
Überwachung aufgedeckt
Den Preis für Wirkung hat das “Pegasus Projekt” erhalten. Das Journalistenkonsortium hatte im Sommer enthüllt, wie weltweit Medienschaffende, Menschenrechtler und Oppositionelle mit der Spionagesoftware Pegasus des israelischen Herstellers NSO überwacht wurden. Fast 200 Journalistinnen und Journalisten standen auf einer Liste mit Telefonnummern, die offenbar von demokratischen und autokratischen Regierungen als potenzielle Ausspähziele ausgewählt wurden.
Die Recherche wurde von der Organisation Forbidden Stories koordiniert und erhielt technische Unterstützung von Amnesty International. Insgesamt waren mehr als 80 Journalistinnen und Journalisten von 17 Medien aus elf Ländern beteiligt. Darunter Die Zeit, die Süddeutsche Zeitung, der britische Guardian, die Washington Post und die israelische Tageszeitung Haaretz.
Das “Pegasus-Projekt” habe die Weltöffentlichkeit auf das Ausmaß an Überwachung aufmerksam gemacht, der Medienschaffende in vielen Ländern ausgesetzt sind, hieß es von Reporter ohne Grenzen. Die Enthüllungen hatten die Organisation außerdem veranlasst, in Paris gemeinsam mit zwei marokkanisch-französischen Journalisten Klage einzureichen. Die dortige Staatsanwaltschaft soll klären, wer für die gezielte Überwachung von Medienschaffenden verantwortlich ist. UN-Menschenrechtler, RSF und weitere Organisationen fordern außerdem ein weltweites Moratorium für den Verkauf und die Weitergabe von Überwachungstechnologien.
Preis wird seit 1992 verliehen
RSF-Generalsekretär Deloire fasste zusammen: “Das alles zeigt anschaulich, wie es heutzutage um den Journalismus auf der Welt steht. Die Preisträgerinnen und Preisträger verkörpern das Beste im Journalismus, aber zahlen einen hohen Preis dafür. Sie verdienen nicht nur unsere Bewunderung, sondern auch unsere volle Unterstützung.”
In diesem Jahr waren vier Journalistinnen, zwei Journalisten und sechs Medien- beziehungsweise Journalistenorganisationen aus insgesamt elf Ländern nominiert. Eine internationale Jury unter dem Vorsitz von RSF-Präsident Pierre Haski hatte über die Gewinnerinnen und Gewinner entschieden.
Die Press Freedom Awards wurden 1992 ins Leben gerufen. Nach Berlin im Jahr 2019 und Taipeh im Jahr 2020 wurde der Preis nun ohne begleitende Veranstaltung verliehen. Die Dankesreden können auf der englischsprachigen Internetseite von Reporter ohne Grenzen angesehen werden. (js)