Saudi-Arabien: Weitere Frau wegen Twitter-Aktivität verurteilt

Twitter-Logo auf einem Smartphone (Symbolbild)
Tweets der verurteilten Frau sollen laut Gericht das “soziale Gefüge” des Landes und die öffentliche Ordnung bedroht haben. (Quelle: IMAGO / onw-images)

Ein saudisches Gericht hat Nura al-Kahtani in der vergangenen Woche zu 45 Jahren Gefängnis verurteilt. Das berichtet die Organisation Democracy for the Arab World Now (DAWN) unter Berufung auf Gerichtsdokumente. Demnach habe al-Kahtani angeblich das “soziale Gefüge (des Königreichs) mit Hilfe des Internets zerreißen” wollen und “die öffentliche Ordnung mit sozialen Medien verletzt”.

Nach Angaben von DAWN wurde sie verurteilt, weil sie ihre Meinung auf Twitter geteilt hatte. Das Urteil zeige, “wie sehr sich die saudischen Behörden ermutigt fühlen, selbst die leiseste Kritik ihrer Bürger zu bestrafen”, kritisierte Abdullah Alaoudh von DAWN. Gegenüber der BBC sagte er, in al-Kahtanis Gerichtsunterlagen stehe nichts über Gewalt oder kriminelle Aktivitäten.

Ansonsten sei bislang nur wenig über Nura al-Kahtani bekannt. DAWN kündigte jedoch an, den Fall weiter zu untersuchen.

Die Organisation wurde von dem saudischen Journalisten Jamal Khashoggi im Jahr 2018 gegründet – wenige Monate, bevor er im saudischen Generalkonsulat in Istanbul ermordet wurde. Die US-Geheimdienste sehen den Kronprinzen Mohammed bin Salman in direkter Verantwortung für den Mord.

34 Jahre Haft für saudische Frau

Das Urteil folgt auf einen ähnlichen Fall: Erst Anfang August war die 34-jährige Salma al-Schihab wegen ihrer Aktivitäten auf Twitter zu 34 Jahren Gefängnis verurteilt worden. Sie unterliegt zudem einem Reiseverbot von weiteren 34 Jahren. Al-Schihab war Frauenrechtsaktivistinnen auf Twitter gefolgt und hatte unter anderem die Forderung unterstützt, das System männlicher Vormundschaft von Frauen in Saudi-Arabien zu beenden. Die zweifache Mutter lebt eigentlich in Großbritannien. Im Januar 2021 wurde sie während eines Besuchs in Saudi-Arabien festgenommen.

Nach Angaben von Menschenrechtlern handelte es sich um die bis dahin härteste Strafe, die in Saudi-Arabien jemals gegen eine Aktivistin oder einen Aktivisten verhängt wurde. Das Urteil gegen al-Kahtani ist nun noch drastischer ausgefallen.

NGOs fordern Druck auf Saudi-Arabien

Am Montag hatten internationale Nichtregierungsorganisationen wie Amnesty International, Access Now, das Gulf Centre for Human Rights und PEN International, in einer Stellungnahme geschrieben, die Verurteilung von al-Schihab verdeutliche “eine alarmierende Verschlechterung der Menschenrechtslage” in Saudi-Arabien. Sie forderten die internationale Gemeinschaft auf, die saudischen Behörden zur Freilassung von al-Schihab zu drängen.

Auch alle anderen Personen, die wegen der Ausübung ihrer Rechte inhaftiert sind, müssten freigelassen werden. Noch immer würden in dem Land repressive Gesetze angewandt, um friedliche Meinungsäußerungen und Aktivismus zu kriminalisieren.

Sowohl Salma al-Schihab als auch Nura al-Kahtani wurden vom saudischen Sonderstrafgericht auf Grundlage des Gesetzes gegen Computerkriminalität und des Anti-Terrorgesetzes verurteilt. Human Rights Watch (HRW) kritisiert, das Anti-Terrorgesetz enthalte vage und zu weitreichende Definitionen von Terrorismus: Darunter falle etwa die “Störung der öffentlichen Ordnung”. Solche Vorwürfe würden von den dortigen Behörden genutzt, um Aktivisten und Dissidenten zu bestrafen. Laut DAWN enthält auch das Computerstrafrecht vage Formulierungen.

Amnesty International hatte im Jahr 2020 kritisiert, das Sonderstrafgericht werde eingesetzt, um abweichende Meinungen systematisch zu unterdrücken. Die von der Menschenrechtsorganisation damals untersuchten Verfahren seien “in hohem Maße unfair” gewesen. So hätte beispielsweise keiner der Angeklagten Zugang zu einem Anwalt gehabt. Auch im vergangenen Jahr habe das Gericht hohe Haftstrafen wegen Menschenrechtsarbeit und Meinungsäußerungen verhängt, so Amnesty.

Auch Human Rights Watch kritisiert, friedliche Dissidenten würden willkürlich verhaftet und verurteilt. Kritische Stimmen würden nahezu vollständig unterdrückt. Obwohl es bereits wichtige Reformen im Bereich der Frauenrechte gegeben habe, würden Frauen in vielen Bereichen weiterhin diskriminiert. (dpa / js)