Schufa wertet vorerst keine Kontoauszüge mehr aus

Schufa-Schriftzug
Die Schufa wollte mit “CheckNow” auch an Daten wie Gehalt, Vermögen und Unterhaltszahlungen. (Quelle: imago images / Joko)

Ein Angebot der Schufa, die Zahlungsfähigkeit von Verbrauchern künftig auch anhand von deren Kontoauszügen zu bewerten, sorgt für Ärger: Die Auskunftei hat in Zusammenarbeit mit dem Mobilfunkkonzern Telefónica / O2 getestet, ob Verbraucher bereit sind, die für die Bewertung relevanten Kontodaten für zwölf Monate bei der Schufa speichern zu lassen. “Dabei fließen aktuell noch keine Daten”, sagte Schufa-Vorstandsmitglied Ole Schröder am Freitag. Verbraucherschützer und Politiker kritisierten das Projekt, das der Konzern am Freitagabend für beendet erklärte.

“Die Ergebnisse dieses Tests haben unsere Erwartungen leider nicht erfüllt”, teilte Telefónica / O2 der Nachrichtenagentur dpa mit. "Daher hat Telefónica / O2 heute beschlossen, den Test zu beenden und das “CheckNow”-Verfahren der Schufa nicht mehr länger zu nutzen."

Bei dem Test konnten mögliche Neukunden, die aufgrund ihrer schlechten Bewertung normalerweise keinen Handyvertrag bekommen hätten, sich von der Schufa auf ihr Konto schauen lassen.

“Kontoschnüffelei”

An dem Pilotprojekt nahmen demnach etwa 100 Menschen freiwillig teil. Dazu mussten sie der Schufa ausdrücklich einen Auftrag erteilen. Der Konzern betonte: “Das Verfahren bietet die Schufa den Verbrauchern in komplett eigener datenschutzrechtlicher Verantwortung an.” Die genutzten Kontoinformationen seien nicht gespeichert worden.

Klaus Müller, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands, warf der Schufa “Kontoschnüffelei” vor. “Eine solch tiefe Datenauswertung der Kontobewegungen für Scoringzwecke erlaubt Rückschlüsse auf Persönlichkeit, wirtschaftlichen Status und selbst politische Orientierungen der Kunden und führt damit letztlich zum vollkommen durchleuchteten Verbraucher.” Man prüfe rechtliche Schritte für den Fall, dass die Auskunftei diese Pläne umsetzt.

Schufa-Vorstand Schröder betonte: “Sensible Daten wie beispielsweise die Bezahlung einer Arztrechnung werden automatisch herausgefiltert und dürfen nicht verarbeitet werden.” Die gespeicherten Kontodaten beschränken sich nach Auskunft des Unternehmens ausschließlich auf relevante Daten zur Bonitätsbewertung und Betrugsbekämpfung.

Die Kontoanalyse finde nur einmal bei der Schufa statt. Für Verbraucher, die keinen Auftrag zum Einblick ins Konto erteilten, bleibe es bei der klassischen Bonitätsprüfung, sagte Schröder. “Fällt die Bewertung nach den Kontodaten negativ aus, kann der Verbraucher seine Einwilligung widerrufen.” Es bleibe dann bei der klassischen Bonitätsprüfung.

Ziel ist der “Superscore”

Nach Recherchen der Süddeutschen Zeitung, NDR und WDR steht hinter “CheckNow” ein größerer Plan, als wenigen Verbrauchern mit schlechter Bonität eine Chance zu geben: Aus internen Dokumenten gehe hervor, dass die Schufa Einblick in Millionen Kontoauszüge erlangen möchte.

Eine interne Präsentation zählt 12 Kategorien und 65 Unterkategorien auf, die mithilfe der Kontoauszüge erfasst werden könnten. Darunter finden sich Informationen, die die Schufa bislang nicht erfassen kann: etwa Gehalt, Vermögen, Unterhaltszahlungen, Kosten für Strom, Gas und Versicherung oder Ausgaben für Sport und Wellness. Auch “Risikofaktoren” wie Zahlungen an Inkassounternehmen oder Glücksspieldienste könnten registriert werden.

Diese Pläne bestünden schon seit 2018 bei der Schufa. Denn seit Einführung der Zweiten EU-Zahlungsdiensterichtlinie (PSD2) ist es möglich, dass Drittanbieter wie Finanz-Start-ups Einblick auf Konten bekommen können. Voraussetzung ist, dass der Kunde dem zustimmt. Die Schufa hatte Ende Dezember 2018 den Münchner Kontoinformationsdienst Finapi GmbH gekauft, der eine Lizenz der Finanzaufsicht Bafin besitzt und auf Konten zugreifen darf.

Score bleibt undurchschaubar

Ein Sprecher des Bundesjustizministeriums sagte, dieses neue Geschäftsmodell werfe rechtliche Fragen auf. Daher werde sich das Ministerium, das davon erst jetzt erfahren habe, dies “genau anschauen”. Schließlich gehe es hier um “besonders sensible Daten”, und die Verbraucher müssten stets in der Lage sein zu verstehen, wofür sie jeweils ihre Einwilligung erteilen.

Die Grünen-Politiker Tabea Rößner und Konstantin von Notz kritisierten, die Schufa habe bereits heute Zugriff auf weitreichende Informationen über die Verbraucher, “die selbst nach wie vor nicht nachvollziehen können, wie und auf welche Weise diese Daten für den persönlichen Score gewichtet werden”.

Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Stephan Thomae sagte, es sei alarmierend, dass die Schufa Kontoauszüge der Verbraucher durchleuchten wolle. “Für niedrigere Preise und mehr Möglichkeiten im Rechtsverkehr sollen die Bürger mit ihren Daten bezahlen.” Wenn Bürger am Ende nur durch die Einwilligung in diese Datenverarbeitung durch die Schufa einen Handy- oder Mietvertrag abschließen könnten, hätten sie faktisch keine freie Wahl mehr.

Kritik an der Schufa und deren Vorgehensweisen wurde aber auch schon vor dem aktuellen Fall geübt: Verbraucherschutzverbände sehen es unter anderem als problematisch an, dass die Schufa nicht offenlegt, wie die Score-Werte zustande kommen. Betroffene stehen mit einem schlechten Score meist rat- und hilflos da und haben nur wenig Chancen, die eigene Negativ-Bewertung zu korrigieren. (dpa / hcz)