Gesetzentwurf: BND soll ausländische Internetanbieter hacken dürfen

Bundesnachrichtendienst in Berlin
Das Bundesverfassungsgericht hatte im Mai entschieden, dass sich der BND auch bei der Überwachung im Ausland an das Grundgesetz halten muss. (Quelle: BND)

Die Bundesregierung hat einen neuen Entwurf zur Änderung des BND-Gesetzes fertiggestellt. Mit der Gesetzesänderung sollen die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt werden, das Teile der Auslandsüberwachung durch den BND im Mai für verfassungswidrig erklärt hatte. Eine globale und pauschale Überwachung ist demnach auch für die Auslandsaufklärung nicht mit dem deutschen Grundgesetz vereinbar. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte hatte die Klage koordiniert. Sie bezeichnet den neuen Gesetzentwurf als Einladung, erneut Verfassungsbeschwerde einzulegen.

Derzeit darf der BND im Rahmen der strategischen Telekommunikationsüberwachung im Ausland prinzipiell jegliche Kommunikation von Bürgern anderer Länder überwachen. Daten greift der BND dafür unter anderem am Internet-Knoten “De-CIX” in Frankfurt am Main ab. Da der BND Anbieter im Ausland jedoch nicht zur Kooperation zwingen kann, soll der Nachrichtendienst künftig ausländische Provider hacken und Daten heimlich auslesen dürfen. Die Nachrichtenseite netzpolitik.org hat den neuen Gesetzentwurf veröffentlicht. Demnach soll sich der BND künftig “mit technischen Mitteln Zugang zu informationstechnischen Systemen eines ausländischen Telekommunikations- oder Telemediendienstanbieters im Ausland auch ohne dessen Wissen verschaffen” und Daten abgreifen dürfen. Andre Meister von netzpolitik.org schreibt dazu: “Als Edward Snowden nachwies, dass die Geheimdienste von USA und Großbritannien genau das tun, war das noch ein Skandal. Heute legalisiert die Bundesregierung so etwas einfach.”

Auch im Ausland darf nicht grenzenlos überwacht werden

Das Bundesverfassungsgericht hatte in seinem Urteil gefordert, das Volumen der vom BND im Ausland ausgelesenen Daten zu beschränken. Daraufhin hatte die Regierung in ihrem ersten Entwurf eine Obergrenze von “nicht mehr als fünfzig Prozent der bestehenden Telekommunikationsnetze” vorgesehen. Nach Kritik an dieser Datenmenge ist im neuen Entwurf nun eine Obergrenze von “nicht mehr als 30 Prozent der bestehenden Telekommunikationsnetze” festgelegt. Doch auch das sei keine wirksame Beschränkung, da es sich hierbei noch immer um unvorstellbare Datenmengen handelt, merkt netzpolitik.org an.

Schutz von Berufsgeheimnisträgern

Die Richter hatten im Mai zudem festgestellt, dass das derzeitige BND-Gesetz gegen die Pressefreiheit verstößt. Sie hatten bemängelt, dass es keine Schutzvorkehrungen für Berufsgeheimnisträger wie Journalisten gibt. In dem Gesetzentwurf ist zwar nun der Schutz von “Geistlichen, Verteidigern, Rechtsanwälten und Journalisten” vorgesehen. Allerdings sieht der Entwurf auch Ausnahmen vor: So soll die Überwachung etwa erlaubt sein, wenn diese “notwendig” ist, um die Gefahr für “Leib, Leben oder Freiheit einer Person” oder die Sicherheit des Bundes, eines Landes oder eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union abzuwehren. Die Entscheidung über eine solche Überwachungsmaßnahme soll der Präsident des BND treffen.

Die Regierung will dem BND außerdem erlauben, die im Rahmen der Ausland-Fernmeldeaufklärung gesammelten Daten an ausländische Behörden weiterzugeben. Im Entwurf ist nun festgelegt, dass Daten nicht übermittelt werden dürfen, wenn dadurch “erhebliche Menschenrechtsverletzungen oder die Verletzung von elementaren rechtsstaatlichen Grundsätzen” drohen. Mit diesem Zusatz wird versucht, die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts umzusetzen. Das hatte den Gesetzgeber dazu verpflichtet, die Wahrung der Menschenrechte vorzuschreiben.

Deutsche Staatsbürger darf der BND nicht überwachen. Doch auch hier sieht die Regierung Ausnahmen vor: Verkehrsdaten und Metadaten aus “Maschine-zu-Maschine-Kommunikation” soll der BND speichern dürfen. Solche Daten fallen etwa an, wenn ein Handy mit einem Mobilfunkmast kommuniziert. Die “zur Identifizierung [des Nutzers] geeigneten Daten” müssen dabei “unverzüglich unkenntlich” gemacht werden. Dafür soll der BND diese Daten als sogenannte Hashwerte speichern. Das Bundesverwaltungsgericht hatte schon 2017 entschieden, dass es keine Rechtsgrundlage für die Verarbeitung von Verkehrsdaten deutscher Staatsangehöriger durch den BND gibt. Anstatt die Praxis zu verbieten, werde mit dem Gesetz eine solche Grundlage geschaffen, kritisiert netzpolitik.org.

Kritik an Gesetzentwurf

Die Organisation Reporter ohne Grenzen (ROG) hatte zusammen mit mehreren ausländischen Journalistinnen und Journalisten Verfassungsbeschwerde gegen das BND-Gesetz eingelegt. Gegenüber dem ersten Gesetzentwurf gebe es nun einige Verbesserungen, doch man sehe den neuen Entwurf weiter kritisch. ROG-Geschäftsführer Christian Mihr sagte auf Anfrage von Posteo: “Unsere deutliche Kritik am ersten Referentenentwurf des Kanzleramtes wurde offenbar gehört, und dennoch verbleiben auch im aktuellen Gesetzentwurf erhebliche Lücken beim Schutz von Journalistinnen und Journalisten und ihren Quellen. Weite Ermessensspielräume abseits der Nachrichtendienstkontrolle, neu legitimierte Hacking-Befugnisse und die massenhafte Analyse von Verbindungsdaten schaffen zahlreiche Möglichkeiten, Medienschaffende und ihre Recherchen auszuforschen. Die Bundesregierung muss sich klarer zum Schutz der Pressefreiheit bekennen, wenn sie ihrem Auftrag, ein verfassungskonformes BND-Gesetz vorzulegen, gerecht werden will.”

Die Bürgerrechtsorganisation Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) sieht den Gesetzentwurf ebenfalls kritisch. “Dieser Gesetzentwurf ist eine Provokation für das höchste deutsche Gericht und zugleich eine Einladung an die GFF, wiederum Verfassungsbeschwerde zu erheben. Aus Sicht der Menschenrechte irritiert die fehlende Bereitschaft der Bundesregierung, wenigstens diejenigen Mindeststandards beim Schutz der Pressefreiheit und des Kommunikationsgeheimnisses einzuhalten, die das Bundesverfassungsgericht der Großen Koalition vor wenigen Monaten ins Stammbuch geschrieben hat”, sagte der GFF-Vorsitzende Ulf Buermeyer auf Anfrage.

Zuvor hatte es bereits deutliche Kritik an dem neu geplanten Kontrollrat für den BND gegeben. Das Bundesverfassungsgericht hatte in seinem Urteil im Mai auch die ungenügende Kontrolle des Geheimdienstes bemängelt. Der neue Kontrollrat soll aus sechs Juristen bestehen, die zu absoluter Verschwiegenheit verpflichtet sind. Eines der sechs Mitglieder soll dem Rat als Präsidentin oder Präsident vorstehen. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber hatte kritisiert, dass der Kontrollrat eine “faktische Nähe” zu Kanzleramt und BND habe. Kelber vertritt die Auffassung, dass seine Behörde den Geheimdienst am besten kontrollieren kann. Auch die GFF hält den vorgesehenen Kontrollrat für nicht ausreichend. “Nach wie vor versucht die Bundesregierung, entgegen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom Mai 2020, eine wirklich effektive und unabhängige Kontrolle des BND zu verhindern”, kritisierte der GFF-Vorsitzende Buermeyer.

Das Bundesverfassungsgericht hatte entschieden, dass die Bundesregierung das Gesetz bis spätestens zum 31. Dezember 2021 überarbeiten muss. Bis dahin bleibt das beanstandete Gesetz vorläufig weiter in Kraft. (js)