Schweiz: Elektronische Wasserzähler sammeln zu viele Daten

Bundesgericht in Lausanne
Die Wasserzähler übertragen die Daten zwar verschlüsselt – ihre Funktionsweise steht laut Gericht aber dem Grundsatz der Datensparsamkeit entgegen. (Quelle: IMAGO / imagebroker)

Das höchste Schweizer Gericht hat ein Urteil zu elektronischen Wasserzählern gesprochen, die Daten über einen langen Zeitraum sammeln und diese regelmäßig per Funk versenden. In dem vergangene Woche veröffentlichten Urteil des Bundesgerichts stellten die Richter einen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Klägers fest. Grundsätzlich seien elektronische Wasserzähler aber geeignet, um den Verbrauch zu ermitteln.

Ein Anwohner der Gemeinde Auenstein hatte vor dem Bundesgericht geklagt, nachdem das Verwaltungsgericht Aargau seine Klage im vergangenen Jahr abgewiesen hatte. Die Gemeinde hatte im Oktober 2017 einen Funkwasserzähler im Haus des Klägers eingebaut. Bei der jährlichen Kontrolle können Gemeindemitarbeiter die erfassten Werte mit einem Gerät auslesen, ohne das Haus zu betreten – beispielsweise aus dem Auto heraus.

Das Bundesgericht stellte in seinem Urteil nun einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung fest. Denn das eingebaute Modell sammelt zu viele Daten: Das Gerät iPerl des Herstellers GWF speicherte für einen Zeitraum von 252 Tagen stündlich die Werte für den Alarmzustand, den aktuellen Zählerstand sowie den maximal und minimal gemessenen Durchfluss. Diese übertrug der Zähler alle 30 Sekunden verschlüsselt per Funk. Somit sei es möglich, zu jedem Zeitpunkt die Stundenwerte der letzten acht Monate zurückzuverfolgen, so das Gericht.

Dass die Gemeinde nur den aktuellen Verbrauch und nicht die stündlichen Werte auslesen wolle, “ändert daran nichts”. Es gebe keine gesetzliche Grundlage, um die Daten zu speichern und alle 30 Sekunden zu übermitteln. “Diese Datenbearbeitung erweist sich nicht als erforderlich und ist somit unverhältnismäßig”, heißt es in dem Urteil.

Gemeinde muss Grundsatz der Datensparsamkeit wahren

Der Kläger hatte argumentiert, mit den gesammelten Daten lasse sich ein Verbraucherprofil erstellen, auf das unter Umständen auch Dritte zugreifen könnten. Das Aargauer Verwaltungsgericht hatte dem in erster Instanz entgegengesetzt, dass die Daten gut geschützt und ein Zugriff von Unbefugten ausgeschlossen werden könne. Das Bundesgericht stellte dazu jedoch fest: “Die Datensicherheit allein vermag den Umstand, dass vorliegend mehr Personendaten bearbeitet werden als notwendig, nicht aufzuwiegen.” Der Grundsatz der Datenvermeidung und Datensparsamkeit bezwecke, dass nicht notwendige Daten auch nicht erhoben werden. “In diesem Sinne ist auch ihr Schutz besser gewährleistet: Nicht existente Daten können nicht missbraucht werden”, so das Bundesgericht.

Allerdings hat das Bundesgericht den Einsatz elektronischer Wasserzähler nicht generell untersagt: Das öffentliche Interesse an diesen Geräten bestehe in der höheren Effizienz bei der Ablesung auf Distanz. Das gelte jedoch nicht für die über 252 Tage erfassten Wassermengen.

Mit seinem Urteil hat das Bundesgericht das vorausgegangene Urteil des Verwaltungsgerichts aufgehoben. Der Gemeinderat Auenstein muss nun prüfen, wie sich die Datenerfassung reduzieren lässt.

Der Kläger hatte ursprünglich von der Gemeinde den Einbau eines alternativen Zählers gefordert und die Aargauer Datenschutzbeauftragte über den Fall informiert: Diese hatte im September 2018 in ihrem Untersuchungsbericht bestätigt, dass sich mit den gesammelten Informationen das Verbraucherverhalten nachvollziehen lässt – etwa wie oft geduscht wird oder zu welchen Zeiten kein Wasser verbraucht wird und die Bewohner wohl nicht zu Hause sind. Sie hatte empfohlen, bei bereits ohne Einwilligung zur Datenverarbeitung eingebauten Zählern das Funkmodul zu deaktivieren oder umzuprogrammieren. Die Wasserzähler sollten ausschließlich die zur Rechnungsstellung notwendigen Daten erfassen und diese nur ein- oder maximal zweimal jährlich auf Aufforderung eines Lesegeräts übermitteln.

Smart Meter zur Stromzählung

Auch in Deutschland setzen einige Wasserversorger bereits digitale Messgeräte ein. Der hessische Datenschutzbeauftragte Michael Ronellenfitsch hatte im März 2020 eine Erklärung zu Funkwasserzählern am Grundstücksabschluss abgegeben: Demnach handelt es sich bei den von Grundstücken “mit einer oder höchstens zwei Wohneinheiten” erfassten Werten um personenbezogene Daten. Bereits 2018 hatte der bayerische Datenschutzbeauftragte Thomas Petri gewarnt, dass jederzeit auslesbare Daten von digitalen Wasserzählern das Alltagsverhalten der Bewohner abbilden. Bayern hatte 2019 Regeln zum Einsatz elektronischer Wasserzähler eingeführt, die ein Widerspruchsrecht vorsehen.

Im Bereich Energie hingegen besteht eine Pflicht für digitale Zähler: Das Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende von 2016 sieht den flächendeckenden Einbau von digitalen Stromzählern bis zum Jahr 2032 vor. Ein gesetzlicher Zwang für sogenannte Smart Meter besteht für Haushalte mit einem Jahresstromverbrauch über 6000 Kilowattstunden. Seit 2020 werden diese stufenweise mit den Geräten ausgestattet. Sie übertragen die erfassten Werte an Stromversorger und Netzbetreiber – beispielsweise per Mobilfunk. Für Haushalte mit einem niedrigerem Stromverbrauch bleiben Smart Meter optional: Hier entscheidet der Messstellenbetreiber, ob er einen digitalen Stromzähler ohne Funkmodul oder einen Funkstromzähler einbaut. Über den geplanten Einbau müssen Kunden drei Monate vorab informiert und auf die Wechselmöglichkeit zu einem anderen Betreiber hingewiesen werden.

Der Verbraucherzentrale Bundesverband schreibt dazu: “Wie bei jedem Gerät, das Daten über Funk oder Kabel versendet, ist ein intelligentes Messsystem durch Personen und Unternehmen mit kriminellen Absichten grundsätzlich angreifbar. Aus den gespeicherten Messwerten könnten diese Erkenntnisse über Alltag und Gewohnheiten der Bewohner gewinnen.” Die Kommunikationsmodule müssen vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik zertifiziert werden. (js)