Sri Lanka sperrt soziale Netzwerke

Demonstranten am vergangenen Donnerstag in Colombo
Am Samstag hat Präsident Rajapaksa wegen der Demonstrationen den Notstand ausgerufen.(Quelle: IMAGO / Pacific Press Agency)

Die Regierung in Sri Lanka hat am Sonntag landesweit den Zugriff auf soziale Medien zeitweise blockieren lassen. Nach etwa 16 Stunden wurde die Sperre wieder aufgehoben. Seit Ende vergangener Woche kommt es in dem Land zu Protesten.

Wie die Organisation NetBlocks berichtet, war die Sperre am Sonntag kurz nach Mitternacht (Ortszeit) in Kraft getreten. Alle großen Netzbetreiber des Landes seien betroffen gewesen. In der Folge waren soziale Netzwerke wie Facebook, Twitter, Instagram, TikTok, Snapchat und auch die Video-Plattform YouTube in Sri Lanka gar nicht mehr oder nur teilweise erreichbar.

Auch Messengerdienste wie WhatsApp, Telegram und Facebook Messenger seien blockiert worden. NetBlocks berichtet, über VPN-Verbindungen sei der Zugriff auf die Plattformen weiter möglich gewesen.

Die Regulierungskommission für Telekommunikation hatte mitgeteilt, die Maßnahme sei auf Anweisung des Verteidigungsministeriums umgesetzt worden. Sie habe zum Ziel gehabt, “die Ruhe zu gewährleisten”. Am Sonntagnachmittag teilte die Kommission gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters mit, die Einschränkungen seien wieder aufgehoben worden. NetBlocks bestätigte dies.

“Angriff auf die Grundrechte”

NetBlocks kritisiert, Netzsperren hätten unverhältnismäßige Auswirkungen auf das Recht auf freie Meinungsäußerung und die Versammlungsfreiheit. Die Bürgerrechtsorganisation Access Now kritisiert außerdem, der Zugang zu Informationen würde erschwert. Internetsperren seien ein “Angriff auf die Grundrechte”.

Der Inselstaat Sri Lanka befindet sich in einer schweren Wirtschaftskrise. Medienberichten zufolge leidet das Land unter Engpässen bei lebenswichtigen Gütern, drastischen Preiserhöhungen und regelmäßigen Stromausfällen.

Proteste in Colombo

In den vergangenen Wochen hatte es landesweit bereits kleine Demonstrationen gegeben. Am Donnerstag hatten dann Hunderte Demonstranten versucht, die Privatresidenz des Präsidenten zu stürmen und Sicherheitskräfte angegriffen. Sie geben dem Präsidenten und der Regierung des Landes die Schuld an der wirtschaftlichen Lage. Sicherheitskräfte gingen gegen die Demonstranten vor; 54 Menschen wurden verhaftet, es gab Dutzende Verletzte. Auch in anderen Städten des Landes kam es zu Protesten. NetBlocks hatte bereits am Donnerstag erste Probleme bei Internetverbindungen beobachtet und diese mit einer staatlich verordneten Stromabschaltung erklärt.

Infolge der Ausschreitungen wurde am Freitag eine bis Montag geltende Ausgangssperre für die Hauptstadt Colombo verhängt. Am Samstag hatte Präsident Gotabaya Rajapaksa den Notstand ausgerufen. Dies ermöglicht ihm, Verhaftungen und Durchsuchungen anzuordnen sowie Gesetze zu ändern oder auszusetzen.

Am Wochenende kam es Medienberichten zufolge landesweit zu weiteren Protesten. Nach Angaben der Nachrichtenagentur AP setzte die Polizei in der Nähe der Stadt Kandy Tränengas und Wasserwerfer ein, als Studenten versuchten, Absperrungen zu durchbrechen. Die Demonstrierenden forderten den Rücktritt des Präsidenten und seiner Regierung sowie Neuwahlen. Polizeiangaben zufolge wurden am Wochenende über 600 Menschen in der Westprovinz, in der auch die Hauptstadt Colombo liegt, verhaftet.

In der Nacht zu Montag ist das Kabinett von Ministerpräsident Mahinda Rajapaksa geschlossen zurückgetreten. Der Ministerpräsident sowie sein Bruder, Präsident Gotabaya Rajapaksa, bleiben jedoch im Amt. Zwei weitere Brüder des Präsidenten waren ebenfalls Minister. Die Demonstrierenden werfen der Familie Korruption vor.

Berichte über Festnahmen

Die EU forderte die sri-lankischen Behörden auf, die demokratischen Rechte der Bürgerinnen und Bürger zu schützen, darunter das Recht auf Versammlungsfreiheit. Deutschlands Botschafter in Sri Lanka, Holger Seubert, erklärte: “Menschen, die für ihre Rechte demonstrieren, sind kein Notfall. Es ist der Notfall, der sie auf die Straße bringt.”

Yamini Mishra, bei Amnesty International für Südasien zuständig, kritisierte: “Berichten zufolge wurden [am Donnerstag] 54 Personen festgenommen. Darunter auch Journalisten, die über die Proteste berichteten. Dutzende Menschen wurden verletzt. Viele von ihnen wurden angegriffen und in Polizeigewahrsam gefoltert oder anderweitig misshandelt. Die Demonstranten beklagten sich auch darüber, dass die Polizei ihre Aussagen aufgenommen hat, ohne ihnen Zugang zu Anwälten zu gewähren.”

In ihrem in der vergangenen Woche veröffentlichten Jahresbericht kritisiert Amnesty, die Regierung Sri Lankas greife hart gegen Kritiker durch. Auch Michelle Bachelet, Hohe Kommissarin für Menschenrechte der Vereinten Nationen, hatte Ende Februar berichtet, Organisationen der Zivilgesellschaft, Menschenrechtler und Journalisten würden von den Sicherheitskräften schikaniert.

Nach Angaben von NetBlocks wurden soziale Netzwerke in Sri Lanka schon in der Vergangenheit landesweit gesperrt. So hatte es im Jahr 2019 eine Anschlagserie in Sri Lanka gegeben, bei der mindestens 359 Menschen getötet wurden. Die Regierung hatte daraufhin unter anderem Facebook, Instagram, YouTube, Snapchat und WhatsApp blockieren lassen. NetBlocks hatte damals gemahnt, dies wirke sich auf die Möglichkeit von Bürgerinnen und Bürgern aus, inmitten einer Krise zu kommunizieren und sich über den Verbleib ihrer Angehörigen zu informieren. (js)