Studie: Autohersteller vernachlässigen Zwangsarbeit

Autohafen
Die Hersteller erklärten, auf ihre Tochterfirmen in China und deren Lieferketten kaum Einfluss zu haben.(Quelle: IMAGO / Hans Blossey)

Eine neue Studie kommt zu dem Schluss, dass internationale Autohersteller zu wenig gegen Zwangsarbeit unternehmen. “Automobilfirmen wissen einfach nicht um das Ausmaß ihrer Verbindungen zu Zwangsarbeit in Xinjiang in ihren Aluminium-Lieferketten”, sagte Jim Wormington, Mitarbeiter bei Human Rights Watch (HRW) anlässlich der Veröffentlichung des Berichts “Asleep at the Wheel: Car Companies’ Complicity in Forced Labor in China” Anfang Februar.

HRW berichtet, glaubwürdige Beweise gefunden zu haben, dass sich Aluminiumhersteller in der chinesischen Region Xinjiang an staatlich unterstützten Arbeitstransferprogrammen beteiligen. In diesen würden Uiguren und Angehörige anderer muslimischer Gemeinschaften dazu gezwungen, in Xinjiang und anderen Regionen zu arbeiten. Auf diesem Weg gelangen mit Zwangsarbeit hergestellte Materialien in die Lieferketten der Autokonzerne.

Auch Brennstofflieferanten für die Aluminiumproduzenten sollen dem Bericht zufolge Arbeiterinnen und Arbeiter aus den prekären Arbeitstransferprogrammen einsetzen. HRW hat für die Recherche Staatsmedien, Unternehmensberichte und Regierungserklärungen analysiert.

Rückgrat der Automobilindustrie

In den Autofabriken in China werden so viele Wagen hergestellt wie nirgends sonst auf der Welt. Hersteller wie Volkswagen, BYD, General Motors, Tesla und Toyota produzieren dort oder beziehen Teile und Rohstoffe aus dem Land – und speziell aus der Region Xinjiang. Dort werden mehr als 9 Prozent des weltweiten Aluminiums produziert – eines der wichtigsten Materialien für die Autoherstellung.

Die Region ist international bekannt geworden, weil dort Untersuchungen zufolge Uiguren und andere muslimische Minderheiten zu Zwangsarbeit genötigt werden. Auch gibt es Belege für sogenannte Umerziehungslager für diese Volksgruppen sowie willkürliche Inhaftierungen, Folter und weitere Menschenrechtsverletzungen.

Verantwortung der Hersteller

Die Autohersteller haben es laut Bericht versäumt, das Risiko uigurischer Zwangsarbeit in ihren Lieferketten zu minimieren. Die Hersteller wendeten in ihren Joint Ventures in China nicht konsequent dieselben Anforderungen an Menschenrechte an wie in anderen Ländern. Stattdessen gäben sie dem Druck der chinesischen Regierung nach und erfassten beispielsweise ihre Aluminiumlieferketten nur lückenhaft.

Konfrontiert mit den Vorwürfen wies Volkswagen gegenüber HRW darauf hin, dass der Konzern – wie andere Hersteller auch – seine chinesischen Joint Ventures teils nicht selbst kontrolliert. Im Fall von Volkswagen handelt es sich beispielsweise um SAIC-Volkswagen, von dem der Konzern 50 Prozent ohne Kontrollbeteiligung hält. Nach dem deutschem Lieferkettengesetz seien die deutschen Unternehmen nicht für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich, wenn sie keinen “entscheidenden Einfluss” auf die Lieferkette hätten, verteidigte sich Volkswagen gegenüber HRW. Man habe “keinerlei Einblick in die Zulieferbeziehungen der SAIC-Volkswagen”.

Volkswagen beteuerte auch “seinen Einfluss auf seine chinesischen Joint Ventures zu nutzen, um das Risiko von Menschenrechtsverletzungen zu bekämpfen.”

HRW hält in dem Bericht dagegen und weist darauf hin, dass – im Fall von SAIC-Volkswagen – die Tochtergesellschaft die gleichen Produkte herstellt und verwertet wie die Muttergesellschaft Volkswagen. Demnach sei die Firma nach deutschem Gesetz doch für die Einhaltung der Menschenrechte in der Lieferkette verantwortlich, erklärte HRW.

Die Hersteller General Motors, Toyota und BYD haben nicht auf die Anfragen von HRW bezüglich chinesischer Joint Ventures, Lieferkettenerfassung und der Herkunft ihres Aluminiums geantwortet.

Tesla gab gegenüber HRW an, “in mehreren Fällen” seine Lieferkette für Aluminium lückenlos überprüft zu haben, ohne Hinweise auf Zwangsarbeit gefunden zu haben. Wie viel der Lieferkette aber unbekannt blieb, habe der Hersteller nicht erklärt.

Schwierigkeiten bei der Herkunftsbestimmung

Festzustellen, woher das in der Automobilproduktion verwendete Aluminium jeweils stammt, ist nicht einfach, so HRW. Denn das reine Aluminium aus Xinjiang werde in andere Teile des Landes verschifft und zu Legierungen verarbeitet. Sobald die ursprünglichen Barren eingeschmolzen wurden, ließe sich nicht mehr nachvollziehen, woher das Metall stammt. Deswegen gelange das unter prekären Umständen hergestellte Metall unbemerkt in die internationalen (Automobil-)Lieferketten.

Auch mache es die Situation in Xinjiang für Unternehmen unmöglich, Hinweise auf Zwangsarbeit zu untersuchen und Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Dafür sei das Ausmaß an Unterdrückung und Überwachung in der Region zu groß. Arbeiterinnen und Arbeiter sowie Prüfer würden bedroht und mit Sanktionen belegt, sodass sie keine zuverlässige Auskunft geben könnten.

Stattdessen schlägt HRW den involvierten Automobilkonzernen vor, ihre Lieferketten lückenlos zu erfassen und die Zusammenarbeit mit Zulieferern einzustellen, die Teile in Xinjiang produzieren (lassen) oder Materialien von dort beziehen.

EU-Lieferkettengesetz wackelt

Angesichts der Versäumnisse der Hersteller hält die Organisation zudem Lieferkettengesetze für notwendig. Zwar hatte sich die Europäische Union bereits im Dezember 2023 auf einen Gesetzesvorschlag geeinigt der Unternehmen dazu verpflichtet, gegen Menschenrechtsverletzungen in ihren Wertschöpfungsketten vorzugehen. Doch sprach sich die FDP Ende Januar in letzter Minute gegen das Gesetz aus und behauptete, es würde Unternehmen unverhältnismäßig belasten.

SPD und Grüne unterstützen das Gesetz weiterhin. Eine Abstimmung der europäischen Staats- und Regierungschefs, die eigentlich für den 9. Februar angesetzt war, wurde kurzfristig vertagt.

Durch das EU-Lieferkettengesetz sollen große Unternehmen zur Rechenschaft gezogen werden, wenn sie etwa von Kinder- oder Zwangsarbeit außerhalb der EU profitieren. Größere Unternehmen müssen zudem einen Plan erstellen, der sicherstellt, dass ihr Geschäftsmodell und ihre Strategie mit der Einhaltung der Pariser Klimaziele zur Begrenzung der Erderwärmung vereinbar sind.

In Deutschland gibt es bereits ein Lieferkettengesetz; die aktuelle EU-Variante geht aber über die Vorgaben des deutschen Gesetzes hinaus. (hcz)