Studie: Globale CO2-Emissionen weiter auf Rekordniveau
Die weltweiten Emissionen von Kohlenstoffdioxid (CO2) bleiben weiterhin auf Rekordniveau. Das geht aus dem neuen Forschungsbericht “Global Carbon Budget 2022” hervor. Es gebe “keine Anzeichen für einen Rückgang”, teilten die Verfasser, ein Zusammenschluss von mehr als 100 Forschenden verschiedener Universitäten, am Donnerstag mit. Die Gesamtemissionen aus Landnutzung und der Verbrennung fossiler Brennstoffe werden sich 2022 demnach voraussichtlich auf 40,6 Milliarden Tonnen CO2 belaufen. Damit liegen sie nur leicht unter den bislang höchsten Werten von 2019 (40,9 Milliarden Tonnen).
Den Bericht haben die Wissenschaftler im Fachjournal “Earth System Science Data” veröffentlicht.
Der von Menschen verursachte CO2-Ausstoß gilt als Hauptursache für die Klimaerwärmung. Die weiterhin hohen Emissionen stehen im Widerspruch zu dem Rückgang, der nötig wäre, um die Pariser Klimaziele zu erreichen. Um die globale Erwärmung mit einer 50-prozentigen Wahrscheinlichkeit auf 1,5 Grad Celsius gegenüber der vorindustriellen Zeit zu begrenzen, dürften insgesamt nur noch 380 Milliarden Tonnen CO2 emittiert werden. Ausgehend von den Emissionswerten des Jahres 2022 würde diese Menge bereits in neun Jahren erreicht.
Maßnahmen zur Begrenzung der Erderwärmung reichen nicht
Zwar zeigt der Bericht, dass sich das langfristige Wachstum der fossilen Emissionen abgeschwächt hat. So hätten 24 Länder mit wachsenden Volkswirtschaften ihre fossilen CO2-Emissionen sogar gesenkt. Doch das reiche nicht aus, um die Klimaziele des Pariser Abkommens zu erreichen, so die Forschenden.
Julia Pongratz von der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München, Mitautorin des Berichts, kommentierte: “Wir sehen einige positive Entwicklungen, aber bei Weitem nicht die tiefgreifenden Maßnahmen, die jetzt eingeleitet sein müssten, um die globale Erwärmung auf deutlich unter 2 Grad zu halten. Die fossilen Emissionen steigen, statt zu sinken. Die Landnutzungsemissionen liegen weiterhin hoch – im Widerspruch zu dem auf der letztjährigen Klimakonferenz gefassten Beschluss, bis 2030 die globale Entwaldung zu stoppen.”
Emissionen durch Flugverkehr gestiegen
Um bis zum Jahr 2050 null CO2-Emissionen zu erreichen, müssten die gesamten menschengemachten CO2-Emissionen um durchschnittlich 1,4 Milliarden Tonnen CO2 pro Jahr gesenkt werden.
Der weltweite CO2-Ausstoß durch die Nutzung von fossilen Brennstoffen liegt dem Bericht zufolge in diesem Jahr jedoch bei 36,6 Milliarden Tonnen. Das ist ein Prozent mehr als 2021 und etwas mehr als vor der Corona-Pandemie 2019. Die Erhöhung sei hauptsächlich auf den höheren Ölverbrauch durch den wieder gestiegenen Flugverkehr zurückzuführen.
Auch die Landnutzung durch den Menschen hat einen großen Einfluss auf die globale Kohlenstoffbilanz: In diesem Jahr werden die Emissionen aus Landnutzung bei geschätzten 3,9 Milliarden Tonnen CO2 liegen. Im Jahr 2019 lag der Wert bei 4,6 Milliarden Tonnen.
LMU-Mitarbeiter Clemens Schwingshackl, der ebenfalls am Bericht mitgearbeitet hat, sagte: “Den größten Anteil hat die Entwaldung mit Emissionen von etwa 6,7 Milliarden Tonnen CO2 pro Jahr im letzten Jahrzehnt – hier gibt es großes Potenzial für Emissionsreduktionen. Die Hälfte dieser Emissionen, 3,5 Milliarden Tonnen CO2, wird durch nachwachsende Wälder und Aufforstungen kompensiert. Diese Senken gilt es aufrechtzuerhalten und weiter auszubauen.”
Emissionen durch Landnutzung entstehen vor allem in tropischen Regionen: Den Forschenden zufolge waren Indonesien, Brasilien und die Demokratische Republik Kongo im vergangenen Jahrzehnt für zusammen 58 Prozent der weltweiten Landnutzungsemissionen verantwortlich.
Emissionen wieder auf Vor-Pandemie-Niveau
Nach dem Rückgang der globalen CO2-Emissionen auf 38,5 Milliarden Tonnen im ersten Pandemiejahr 2020 sind die Werte etwa wieder auf dem Niveau vor der Pandemie. Eine erhoffte “Green Recovery”, also eine Krisenbewältigung mit Hilfe eines nachhaltigeren Wirtschaftssystems, hat es offenbar nicht gegeben. “Es ist ganz klar, dass wir hier eine Chance verpasst haben”, sagte Judith Hauck vom Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven, Mitautorin des Berichts, bei einer Online-Pressekonferenz.
Regional zeigen sich bei den Emissionen unterschiedliche Entwicklungen: So werden die Emissionen im Jahr 2022 im Vergleich zum Vorjahr in den USA um 1,5 Prozent steigen, in Indien um 6 Prozent und in der übrigen Welt (ohne China und EU) um 1,7 Prozent.
Wegen der coronabedingten Lockdowns in China und einer Baukrise werden die Emissionen dort um etwa 0,9 Prozent sinken. Auch in der Europäischen Union sinken die Emissionen den Forschenden zufolge um 0,8 Prozent, vor allem wegen des geringeren Verbrauchs von Erdgas infolge der Energiekrise und des Kriegs gegen die Ukraine. Während in der EU die CO2-Emissionen aus Erdgas um zehn Prozent sanken, erhöhten sich die Emissionen aus Kohle um 6,7 Prozent und aus Öl um 0,9 Prozent.
Der Bericht zum “Global Carbon Budget” erfasst auch den Verbleib der menschengemachten CO2-Emissionen in den natürlichen Senken. Die Forschenden schätzen die CO2-Aufnahme der Ozeane im laufenden Jahr auf 10,5 Milliarden Tonnen, die auf dem Land auf 12,4 Milliarden Tonnen. Die verbleibende knappe Hälfte der Gesamtemissionen lässt die atmosphärische Kohlenstoff-Konzentration weiter steigen – auf 51 Prozent über ihrem vorindustriellen Niveau.
Die Emissionswerte für 2022 wurden aus Daten bis einschließlich Oktober auf das gesamte Jahr hochgerechnet. Der Bericht basiert auf Daten globaler Messnetzwerke, Satellitendaten, statistischen Erhebungen und Modellrechnungen. (dpa / js)