Todesurteil im Iran wegen Demonstrationen verhängt
Ein iranisches Gericht hat im Zusammenhang mit den anhaltenden Protesten im Land ein Todesurteil verhängt. UN-Menschenrechtsexperten fordern, die Behörden sollten keine Anklagen gegen Teilnehmer friedlicher Demonstrationen erheben, die mit der Todesstrafe geahndet werden können. Menschenrechtlern zufolge droht aktuell mindestens 20 Demonstrierenden im Iran die Todesstrafe – und auch zwei Journalistinnen droht ein solches Urteil.
Medienberichten vom Sonntag zufolge wurde eine an den Protesten beteiligte Person von einem Gericht zum Tode verurteilt. Sie wurde unter anderem für schuldig befunden, die “nationale Sicherheit” bedroht zu haben.
Fünf weitere Personen wurden außerdem zu Haftstrafen zwischen fünf und zehn Jahren verurteilt, etwa wegen angeblicher Störung des öffentlichen Friedens. Gegen die Urteile könne noch Berufung eingelegt werden.
Erst am Freitag hatten 16 UN-Menschenrechtsexpertinnen und ‐experten – darunter der Sonderberichterstatter zur Menschenrechtslage im Iran Javaid Rehman – die iranischen Behörden aufgefordert, friedliche Demonstrierende nicht wegen Straftatbeständen anzuklagen, die mit der Todesstrafe geahndet werden können. Ende Oktober seien in der Provinz Teheran acht Personen wegen solcher Straftaten angeklagt worden.
Allein in der Provinz Teheran seien bis Ende Oktober insgesamt rund 1.000 Anklagen im Zusammenhang mit den Protesten erhoben worden. Medienberichten zufolge sind auch in anderen Teilen des Landes Hunderte Menschen wegen ihrer Beteiligung an den Protesten angeklagt. Laut der in Oslo ansässigen NGO Iran Human Rights droht im gesamten Land sogar mindestens 20 Demonstrierenden die Todesstrafe. Die NGO warnte, Todesurteile könnten schnell vollstreckt werden.
Menschenrechtler befürchten weitere Todesurteile
Anfang November hatten iranische Parlamentsabgeordnete die Justiz aufgefordert, gegen Personen vorzugehen, die während der Proteste verhaftet wurden und die Todesstrafe zu vollstrecken.
Laut der Menschenrechtsorganisation Amnesty International lässt der Iran “systematisch” Menschen exekutieren, die in unfairen Gerichtsverfahren verurteilt wurden. Routinemäßig würden durch Folter erzwungene Geständnisse als Beweismittel verwendet. Im Jahr 2021 hatte die Organisation 314 Exekutionen im Iran dokumentiert – die höchste im Iran registrierte Zahl seit 2017.
“Die aktuellen Repressionen gegen die Protestbewegung lassen befürchten, dass die iranische Führung zunehmend Oppositionelle hinrichten lassen wird”, schreibt Amnesty International anlässlich des morgigen Beginns des 8. Internationalen Kongresses zur Abschaffung der Todesstrafe in Berlin.
Auch die UN-Menschenrechtler mahnen, es könnten in nächster Zeit viele weitere Todesurteile verhängt werden. Sie befürchten, dass Frauen und Mädchen besonders ins Visier genommen werden könnten, weil diese die Abschaffung von systematisch diskriminierenden Gesetzen und Praktiken fordern. Die Experten teilten mit: “Wir fordern die iranischen Behörden nachdrücklich auf, die Todesstrafe nicht länger als Mittel zur Unterdrückung von Protesten einzusetzen.” Zudem müssten alle Demonstranten freigelassen werden, die willkürlich inhaftiert wurden, weil sie ihr Recht auf Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit wahrgenommen haben.
Mehr Journalistinnen inhaftiert als je zuvor
Nach Angaben von Reporter ohne Grenzen (RSF) droht bei einer Verurteilung auch zwei Journalistinnen die Todesstrafe. Die Journalistinnen Nilufar Hamedi und Elahe Mohammadi haben laut RSF als erste öffentlich auf den Tod von Mahsa Amini aufmerksam gemacht, der die Proteste im Land ausgelöst hatte. Seit mehr als einem Monat seien sie im Gefängnis. Beiden werden iranische Straftatbestände vorgeworfen, die mit dem Tode bestraft werden könnten.
Wie die Organisation am vergangenen Donnerstag mitteilte, wurden seit dem Beginn der landesweiten Proteste im Iran mindestens 43 Medienschaffende in allen Landesteilen verhaftet. 35 von ihnen seien weiterhin in Haft – davon 15 Frauen. Die Zahl der inhaftierten Journalistinnen sei nun höher als jemals zuvor.
RSF-Geschäftsführer Christian Mihr kommentierte: “Dass immer mehr Journalistinnen inhaftiert werden, zeigt das Vorhaben des iranischen Regimes: Es will die Stimmen von Frauen systematisch unterdrücken.”
Bereits vor den Protesten saßen im Iran laut RSF drei Journalistinnen im Gefängnis. Mit nun insgesamt 49 inhaftierten Journalistinnen und Journalisten stehe der Iran nach China und Myanmar auf Platz 3 der Länder mit den meisten inhaftierten Medienschaffenden.
Auf der Rangliste der Pressefreiheit von RSF steht das Land auf Rang 178 von 180 Staaten. Seit der Islamischen Revolution von 1979 zähle der Iran zu den repressivsten Ländern weltweit für Medienschaffende. Hunderte seien seitdem strafverfolgt, inhaftiert oder hingerichtet worden. Im Dezember 2020 wurde etwa der regierungkritische Journalist Ruhollah Zam erhängt.
Auslöser der aktuellen Protestwelle war der Tod der 22-jährigen Mahsa Amini. Sie war am 13. September bei einem Besuch in Teheran von der sogenannten Sittenpolizei verhaftet worden, weil sie angeblich gegen die Kleidervorschriften für Frauen in dem Land verstoßen hatte. Am 16. September starb sie in Polizeigewahrsam. Seitdem kommt es in zahlreichen Städten des Landes zu Protesten gegen das Regime.
Vielerorts gehen die Sicherheitskräfte mit Gewalt gegen die Demonstrierenden vor. Nach Angaben der UN-Menschenrechtler wurden bisher mindestens 304 Menschen getötet, davon mindestens 24 Frauen und 41 Kinder. Bei den Protesten seien Tausende Menschen verhaftet worden – darunter Frauen, Kinder und Jugendliche, Anwälte und Menschenrechtler. (js)