TikTok zwingt Nutzer vorerst nicht zu personalisierter Werbung

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Widerspruch gegen die Datenverarbeitung wäre weiterhin möglich gewesen – aber nur mit persönlichen Begründungen. (Quelle: IMAGO / imagebroker)

TikTok wird vorerst davon absehen, personalisierte Werbung für alle volljährigen Nutzerinnen und Nutzer verpflichtend zu machen. Die Betreiberfirma ByteDance wollte diese Maßnahme ursprünglich am heutigen Mittwoch mit einer Änderung der Datenschutzrichtlinie einführen.

Mehrere europäische Datenschutzbehörden hatten sich von den Plänen des Unternehmens empört gezeigt. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber hatte die Nutzer dazu aufgefordert, Beschwerde bei der zuständigen irischen Datenschutzbehörde einzulegen.

Wie die IT-Nachrichtenseite Techcrunch berichtet, hat die irische Datenschutzbehörde DPC in dem Fall nun interveniert und konnte nach eigener Aussage eine “Vereinbarung” mit dem Technikkonzern erarbeiten. “Nach der gestrigen Zusammenarbeit mit dem DPC hat TikTok nun zugestimmt, die Anwendung der Änderungen auszusetzen, damit das DPC seine Analyse durchführen kann”, erklärte ein DPC-Sprecher.

Auch ein Unternehmenssprecher von TikTok bestätigte die Pausierung der Pläne.

DSGVO verdreht

Bislang müssen die Nutzer der TikTok-App explizit zustimmen damit das Unternehmen ihre Daten verwenden darf und personalisierte Werbung angezeigt wird.

Die europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) schreibt grundsätzlich vor, Zustimmung beim Nutzer einzuholen, bevor dessen personenbezogene Daten verarbeitet werden dürfen – beispielsweise für personalisierte Werbung. TikTok meinte aber ein Schlupfloch gefunden zu haben und berief sich bei der geplanten Neuregelung auf Artikel 6, Abs. 1, Buchstabe f der DSGVO: Dort wird beschrieben, dass die Datenverarbeitung erlaubt ist “zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten”.

Die eigene Finanzierung durch Werbung sah TikTok bereits als “berechtigtes Interesse” an – und sich somit im Recht. Allerdings gilt diese Regelung nur, “sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen”.

Daher widersprechen Datenschützer wie der Landesdatenschutzbeauftragte für Baden-Württemberg solchen Rechtsauslegungen. So heißt es in einer FAQ zu Tracking der Behörde, dass im Fall von personalisierten Anzeigen die Interessen des Betroffenen überwiegen.

Zu den Tiktok-Plänen hatte ein Sprecher der niedersächsischen Landesdatenschutzbeauftragten Anfang Juli gegenüber heise online erklärt: “Nach Auffassung der deutschen Datenschutzaufsichtsbehörden kann das Ausspielen personalisierter Werbung nicht auf ein berechtigtes Interesse gestützt werden.” Die Datenerhebung sei nach Ansicht der Behörde weiter unzulässig, da Artikel 6, Absatz 1 der DSGVO in diesem Fall nicht greife.

Aufwendiger Weg zum Recht

Prinzipiell hätten die Nutzer auch nach dem 13. Juli personalisierter Werbung noch widersprechen können. Bei anderen Anbietern müssen die Nutzer dafür üblicherweise mit ein paar Klicks Haken setzen.

Doch TikTok plante, es unwilligen Nutzern auffällig schwer zu machen: Sie hätten gegen jede Art der Verarbeitung einzeln Widerspruch einlegen müssen und sollten dies auch noch jeweils schriftlich begründen. Persönliche Begründungen bei einer solchen Ablehnung wurden bislang bei keinem größeren Anbieter verlangt.

Weitere Firmen drücken sich

Wegen zu komplizierter oder nicht existenter Widerspruchsverfahren gegen die Datenverarbeitung mussten andere Internetkonzerne in der Vergangenheit hohe Strafen zahlen: Die französische Datenschutzbehörde beispielsweise sprach Ende 2020 hohe Millionen-Strafen gegen Amazon und Google aus. Die Unternehmen mussten damals 35 beziehungsweise 100 Millionen Euro zahlen. Auch Facebook sah sich mit solchen Vorwürfen konfrontiert.

Erst im April musste Google seinen inzwischen eingeführtenWiderspruchsmechanismus nachbessern, nachdem unter anderem die französische Datenschutzbehörde CNIL moniert hatte, dass es weiterhin deutlich weniger Aufwand bedurfte, der Datenverarbeitung zuzustimmen als sie abzulehnen. Mittlerweile ist es auch auf den deutschen Google-Seiten möglich, mit einem Klick der Datenverarbeitung zu widersprechen.

Daten zu Geld

Die Beweggründe von TikTok für die Reform sind recht eindeutig: Für personalisierte Werbeplätze lässt sich deutlich mehr Geld verlangen als für Werbung, die beispielsweise nur an die angezeigten Inhalte angepasst wird. Allerdings steht die Firma vor dem Problem, dass ein großer Teil der TikTok-Nutzer minderjährig ist – im Jahr 2021 knapp 29 Prozent. Die DSGVO schränkt aber die Verarbeitung persönlicher Daten von Kindern und Jugendlichen in Europa ein. So bleiben nur die Daten der Erwachsenen, um größere Umsätze zu generieren.

Vom Tisch zu sein scheinen die Änderungen bei TikTok aber nicht. Ein Unternehmenssprecher erklärte: “Wir sind der Meinung, dass personalisierte Werbung das beste In-App-Erlebnis für unsere Community bietet und uns mit den Praktiken der Branche in Einklang bringt.” Man wolle sich nun mit Interessengruppen abstimmen, um auf deren Bedenken einzugehen.

Die irische Datenschutzbehörde ist bereits in zwei weiteren Verfahren mit TikTok und dessen chinesischem Mutterkonzern ByteDance beschäftigt: Im ersten Fall geht es um die Weitergabe der Nutzerdaten nach China, im zweiten um die Verarbeitung der Daten von Minderjährigen. (hcz)