Uganda: Polizei soll alle Fahrzeuge orten können
Die ugandische Polizei soll künftig den Standort aller Fahrzeuge im Land in Echtzeit verfolgen können. Dafür werden diese mit neuen Nummernschildern ausgestattet. Vorgeblich soll das der Sicherheit dienen. Doch die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) warnt, das Überwachungssystem untergrabe das Recht auf Privatsphäre und appelliert an die Regierung, es nicht einzusetzen.
Lokalen Medienberichten zufolge hat die Regierung das “Intelligent Transport Monitoring System” (ITMS) Anfang November offiziell vorgestellt. Voraussichtlich zum 1. Februar 2024 soll es demnach vollständig in Betrieb genommen werden. Ab diesem Termin müssen Fahrzeughalter in Uganda neue elektronische Nummernschilder verwenden. Wie HRW berichtet, sind diese mit einer SIM-Karte der staatlichen Telekommunikationsgesellschaft Uganda Telecommunications Corporation ausgestattet.
Dies ermögliche der Polizei, den Standort aller Fahrzeuge in Echtzeit zu verfolgen. Auch in ausländischen Fahrzeugen, die sich vorübergehend in Uganda befinden, müssen laut HRW Ortungsgeräte für die Zeit des Aufenthalts installiert werden.
Eine Sprecherin des ugandischen Verkehrsministeriums erklärte gegenüber HRW, mit ITMS würden außerdem Kennzeichenscanner und Gesichtserkennung eingeführt. Damit werde das bestehende Netz der polizeilichen Überwachungskameras erweitert. Weitere Details dazu nannte sie nicht.
Die Regierung begründet die Einführung des Überwachungssystems mit der nationalen Sicherheit.
Warnung vor Massenüberwachung
HRW kritisiert, das neue System zur Standortverfolgung von Fahrzeugen untergrabe das Recht auf Privatsphäre. Außerdem würden die Rechte auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit gefährdet.
Der Organisation zufolge gehen die Behörden im Land sowohl gegen Kritiker als auch gegen Medienschaffende vor. Laut Reporter ohne Grenzen ist die Pressefreiheit im Land stark eingeschränkt.
Oryem Nyeko von der Afrika-Abteilung bei HRW erklärte: “Ugandas neues Verkehrsüberwachungssystem läuft auf eine unkontrollierte Massenüberwachung aller Fahrzeuge zu jeder Zeit hinaus und untergräbt das Recht auf Privatsphäre von Millionen von Ugandern.” Er forderte, die Regierung solle die Rechte der Bürgerinnen und Bürger schützen, “anstatt sie zu missachten”.
Laut HRW hat die ugandische Regierung ihre Überwachungsmaßnahmen seit dem Jahr 2018 schrittweise ausgebaut. Damals hatte der zunehmend autokratisch regierende Präsident Yoweri Museveni einen “Neun-Punkte-Sicherheitsplan” als Reaktion auf eine Reihe von Morden an hochrangigen Politikern und Regierungsbeamten vorgestellt. Teil dieses Plans waren bereits elektronische Nummernschilder, damit die Polizei die Halter von an Tatorten gesehenen Fahrzeugen ausfindig machen könne.
Oryem Nyeko, HRW
Im darauffolgenden Jahr habe die Regierung Kameras im Wert von über 120 Millionen US-Dollar von der umstrittenen chinesischen Firma Huawei gekauft, um öffentliche Plätze zu überwachen.
Vertrag mit russischem Unternehmen
Im Juli 2021 hat die ugandische Regierung dann einen Zehnjahresvertrag mit dem russischen Unternehmen Joint Stock Company Global Security geschlossen, um das Verkehrsüberwachungssystem aufzubauen. Schon damals hatten Oppositionspolitiker gewarnt, die Regierung wolle mit den neuen Nummernschildern Aktivisten und Oppositionelle überwachen.
Auch an der Zusammenarbeit mit dem russischen Unternehmen gibt es laut HRW Kritik: So sei ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss Anfang 2023 zu dem Schluss gekommen, dass der Vertrag mit dem Überwachungsanbieter nicht ausreichend geprüft wurde.
Ein Mitglied des Untersuchungsausschusses erklärte gegenüber HRW, die Parlamentarier hätten aufgrund der “Sicherheitslage” auch nicht nach Russland reisen können, um dort mehr über das System zu erfahren. Die Regierung habe dem Ausschuss außerdem nicht erklärt, wie die gesammelten Daten geschützt werden sollen.
Im Oktober sei zwar eine zweite Untersuchung des Projektes angekündigt worden. Diese werde allerdings von einem geheim tagenden Ausschuss durchgeführt, dessen Bericht auch nicht veröffentlicht werde.
Überwachungstechnologie zur Verfolgung
HRW kritisiert, die ugandische Regierung habe Überwachungstechnologien bereits in der Vergangenheit verwendet, um Regierungskritiker zu verfolgen und zu verhaften. So habe die Polizei des Landes bestätigt, im Vorfeld der Wahlen im Jahr 2021 unter anderem Gesichtserkennung und Kennzeichenscanner eingesetzt zu haben, um Demonstrierende aufzuspüren. In dieser Zeit sollen Menschen willkürlich verhaftet worden sein, weil sie angeblich an Protesten teilgenommen hatten.
Der Organisation zufolge sammelt die Regierung außerdem bereits vielfältige Daten von Bürgerinnen und Bürgern. So müssten beispielsweise Fingerabdrücke abgegeben werden, um einen Personalausweis zu erhalten – und auch für die Registrierung von SIM-Karten sei dies nötig. Medienschaffende im Land hätten berichtet, diese “massenhafte Datenerfassung” habe unter Journalisten ein Klima der Angst geschaffen.
Künftig will die Regierung bei der Ausstellung von Personalausweisen auch DNA-Proben und Iris-Scans sammeln, so HRW.
“Das Ausmaß und die Geschwindigkeit, mit der die ugandische Regierung ihre Befugnisse zum Sammeln und Speichern von Informationen über ihre Bürger ausbaut, ist alarmierend”, kritisierte Nyeko. Die Regierung müsse Grundrechte stärken, anstatt sie einzuschränken. Dazu zähle es auch, Gesetze die das Recht auf Privatsphäre einschränken, mit internationalem Recht in Einklang zu bringen.
Kritik an dem neuen Verkehrsüberwachungssystem mit den elektronischen Nummernschildern gibt es lokalen Medienberichten zufolge aber auch aufgrund der Kosten, denn die neuen Nummernschilder müssen von den Fahrzeughaltern bezahlt werden. Fällig werden zwischen 50.000 und 714.300 ugandische Schilling (umgerechnet etwa zwischen 12 und 170 Euro) – abhängig davon, ob es sich um ein Motorrad oder Auto handelt und ob ein altes Kennzeichen ausgetauscht oder ein Fahrzeug neu zugelassen wird. Diese Kosten seien für viele Menschen jedoch zu hoch, kritisieren Oppositionspolitiker. (js)