Umweltschützer fordern Reform der Dienstwagenbesteuerung

Dienstwagen
Idee der Grünen: Würde das Dienstwagenprivileg wegfallen, könnte der Staat aus den steuerlichen Mehreinnahmen einen Nachfolger des 9-Euro-Tickets finanzieren. (Quelle: IMAGO / Pius Koller)

Umweltorganisationen haben sich für eine grundlegende Reform der Dienstwagenbesteuerung ausgesprochen. Allein die Steuererleichterungen für besonders umweltschädliche Dienstwagen mit einem Ausstoß von mehr als 180 Gramm CO2 pro Kilometer kosteten den Staat 1,6 Milliarden Euro jährlich, ergab eine neue Analyse von Transport & Environment (T&E) Deutschland.

Jeder zehnte neue Verbrenner-Dienstwagen sei ein emissionsintensiver Luxuswagen, so der Verband. Die Bundesregierung solle die Privilegien für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren bei der Dienstwagenbesteuerung unverzüglich beenden.

Der Dienstwagenmarkt biete das größte Potenzial zur Elektrifizierung, hinke bisher aber deutlich hinterher, so der Direktor von T&E Deutschland, Stef Cornelis. “Das liegt daran, dass die Dienstwagenbesteuerung keine Lenkungswirkung entfaltet und nicht die notwendigen Anreize für den Umstieg auf Elektro bietet. Eine Steuerreform und der Abbau der Steueranreize für Verbrenner würde ein Signal an Unternehmen und Automobilhersteller senden, schneller Richtung E-Mobilität umzuschalten.”

Der Abbau des Dienstwagenprivilegs für Verbrenner und Plug-in-Hybride würde die Emissionen im Verkehr senken und der Bundesregierung gleichzeitig Mehreinnahmen bringen. Dadurch ließe sich ein 365-Euro-Ticket finanzieren und damit auch eine sozialverträgliche Mobilitätswende, wurde argumentiert.

“Dienstwagenprivileg aus der Zeit gefallen”

In der Bundesregierung gibt es derzeit Streit über die Besteuerung von Dienstwagen. Zum einen geht es bei dem Thema um Steuervorteile, die Unternehmen erhalten, wenn sie einen Dienstwagen für ihre Angestellten kaufen. Zum anderen wird über das sogenannte Dienstwagenprivileg gestritten, das Angestellten einen geldwerten Vorteil durch die private Nutzung eines Dienstwagens verschafft.

Die Grünen wollen Änderungen, auch um ein zusätzliches Entlastungspaket angesichts hoher Energiepreise zu finanzieren. Finanzminister Christian Lindner (FDP) lehnt den Vorschlag bislang ab, die pauschale Versteuerung von Dienstwagen zu beschneiden.

Die Fraktionsspitze der Grünen hatte nach Absage des Finanzministers am Dienstag einen Kompromiss vorgeschlagen: Die Pauschalbesteuerung, das sogenannte Dienstwagenprivileg, solle zwar nicht gestrichen, aber stärker an den CO2-Ausstoß des Fahrzeugs gekoppelt werden. Damit könnten Anreize zum Klimaschutz und Energiesparen gesetzt werden, hieß es aus der Partei. “Je umweltfreundlicher ein Dienstwagen ist, desto besser wirkt sich das für Unternehmen und Mitarbeitende aus”, erklärte Fraktionschefin Katharina Dröge gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Das Bundesfinanzministerium wies auch diesen Vorschlag am Dienstag zurück: Bei der Pauschalbesteuerung werde die Klimawirkung bereits berücksichtigt, denn Hybrid- und Elektroautos würden gefördert, hieß es aus dem Ministerium.

Der Verband der Automobilindustrie (VDA) lehnt eine Reform der Besteuerung ebenfalls ab. VDA-Präsidentin Hildegard Müller sagte am Dienstag: “Dienstwagen sind ein ganz wichtiger Treiber, um moderne, sichere und saubere Autos auf den Straßen zu haben. Weil es für Unternehmen und Mitarbeiter attraktiv ist, regelmäßig neue Fahrzeuge zu bestellen, gehen diese wenige Jahre später als Gebrauchtwagen in den Markt.”

Führende Politiker der Grünen hatten in einem Konzeptpapier zwei Tickets als Nachfolger für das 9-Euro-Ticket vorgeschlagen: ein Regionalticket für 29 Euro und ein bundesweit gültiges Ticket für 49 Euro im Monat. Beide sollen weiterhin nur für den Nah- und Regionalverkehr gelten. Zur Finanzierung wollen die Grünen das Dienstwagenprivileg beschneiden, mit dem Unternehmen Kosten für Firmenwagen steuerlich absetzen können.

Hintergrund: Wer seinen Firmenwagen auch privat nutzen kann, hat einen sogenannten geldwerten Vorteil, der versteuert werden muss. Wird kein Fahrtenbuch geführt, liegt die Besteuerung bei monatlich pauschal einem Prozent des Bruttolistenpreises des Fahrzeugs. Laut Umweltbundesamt liegt der tatsächliche geldwerte Vorteil für den Nutzer aber häufig deutlich höher. Die Behörde geht davon aus, dass der Staat mindestens 3,1 Milliarden Euro zusätzlich pro Jahr einnehmen könnte, wenn sich die Besteuerung am tatsächlichen ökonomischen Vorteil für den privaten Dienstwagennutzer orientieren würde.

DUH: Firmen kaufen klimaschädliche Autos

Anderen Fachleuten geht es bei der Diskussion auch um die generelle Möglichkeit für Unternehmen, den Kauf von Dienstwagen zu großen Teilen von der Steuer abzusetzen. Zu diesen Kritikern gehört etwa die Umweltschutzorganisation Deutsche Umwelthilfe (DUH). “Jedes Jahr erstattet der Staat Steuern in Milliardenhöhe für Dienstwagen, die zu einem ganz überwiegenden Teil besonders klimaschädlich sind”, kritisierte der DUH-Bundesvorsitzende Jürgen Resch Mitte August.

Um die Kritik zu untermauern, hatte der Verband vor kurzem mehr als ein Dutzend besonders teure und PS-starke Luxusfahrzeuge aus den Statistiken des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) herausgesucht. Dazu gehören etwa der Luxussportwagen Audi RS Q8 oder der Geländewagen AMG G 63 von Mercedes. Beide Fahrzeuge sind nicht nur mehrere hundert PS stark, sondern stoßen auch ein Vielfaches der von der EU gesetzten CO2-Grenzwerte von 95 Gramm pro Kilometer aus. Die deutliche Mehrheit dieser Fahrzeuge wird von Unternehmen und Freiberuflern gekauft – die einen großen Teil des Kaufpreises von der Steuer absetzen können.

In den Statistiken des KBA ist festzustellen: Je teurer ein Auto, desto höher ist der Anteil der sogenannten gewerblichen Neuzulassungen – also der Firmenwagen. Neu zugelassenen Oberklasse-Fahrzeugen wurden laut KBA im ersten Halbjahr dieses Jahres zu mehr als 85 Prozent an gewerbliche Käufer ausgeliefert. In der Kompaktklasse waren es hingegen lediglich 68 Prozent, bei Kleinwagen rund 51 Prozent.

Resch kommentierte: “Unsere Beispiele zeigen die fatale Dienstwagen-Förderung, die hochmotorisierte und klimaschädliche Fahrzeuge begünstigt und den Käufer nachgerade dazu verführt, angesichts der erzielbaren absolut höheren Fördersummen die Klimakiller-Variante zu wählen.” Es brauche ein Ende der “Gratismentalität bei Dienstwagen” und eine Obergrenze für die Absetzbarkeit bei einem Kaufpreis von 30.000 Euro – wie beispielsweise in Frankreich.

Auch forderte die DUH eine Begrenzung der Steuervorteile auf Fahrzeuge, die im realen Fahrbetrieb den EU-Flottengrenzwert einhalten. In anderen Ländern gelten solche Obergrenzen.

Erstattungen von 100.000 Euro pro Auto

Wenn ein Unternehmen einen Dienstwagen kauft, kann es laut Bundesfinanzministerium je nach Unternehmenssteuerbelastung zwischen 39 und 43 Prozent des Bruttolistenpreises vom Staat zurückbekommen. Erstattet wird sowohl die Vorsteuer als auch für fünf Jahre die Ertragssteuer in Folge der Abschreibung des Fahrzeugs. Doch da keine Obergrenze bei Dienstwagen gilt, beläuft sich bei einigen Fahrzeugen aus der DUH-Untersuchung die Erstattung auf deutlich mehr als 100.000 Euro für ein einzelnes Auto.

Nach einer aktuellen Kantar-Umfrage im Auftrag von Greenpeace wünschen sich 80 Prozent der Befragten eine dauerhafte Nachfolge des Ende August auslaufenden 9-Euro-Tickets, finanziert durch den Abbau von Subventionen wie dem Dienstwagenprivileg oder der Pendlerpauschale. “Sehr viele Menschen wollen ein bezahlbares und gut ausgebautes ÖPNV-Angebot und sie akzeptieren, dass zur Finanzierung Subventionen gestrichen werden”, so Greenpeace-Verkehrsexpertin Marissa Reiserer. (dpa / hcz)