Staaten verhängen Internetsperren während Schulprüfungen

Schüler schreiben ihre Abschlussprüfungen in Damaskus im Mai 2022
Laut Access Now sind Internetsperren wirkungslos, um Schummeln zu verhindern – Prüfungsfragen würden dennoch durchsickern. (Quelle: IMAGO / Xinhua)

Mehrere Staaten im Nahen Osten und Nordafrika haben in diesem Sommer erneut das Internet gesperrt. Anlass waren Schulabschlussprüfungen. Die Organisation Access Now kritisiert, die Regierungen hätten frühere Versprechen gebrochen – und warnt, alle Menschen in den betroffenen Gebieten würden unter den Einschränkungen leiden.

Wie Access Now berichtet, wurde das mobile Internet im Sudan an elf aufeinanderfolgenden Tagen im Juni landesweit jeweils für mehrere Stunden blockiert. Bereits Anfang Juni hatte der Mobilfunkanbieter “Zain Sudan” seine Kundinnen und Kunden darüber informiert, dass der Internetzugang während der nationalen Schulprüfungen abgeschaltet werde. Auch weitere Anbieter hätten entsprechende Anweisungen umgesetzt.

Bereits in den beiden vergangenen Jahren hatte die Staatsanwaltschaft eine solche Sperren auf Ersuchen des Bildungsministeriums hin verhängen lassen.

Laut Access Now setzen die sudanesischen Behörden Internetsperren aber auch ein, um Proteste zu verhindern: So wurde das Internet mehrfach abgeschaltet, nachdem das Militär im vergangenen Oktober geputscht hatte. Und Ende Juni ordneten die Behörden während Demonstrationen erneut Blockaden an.

Siebtes Jahr in Folge mit Blockade

In Algerien wird das Internet schon seit 2016 während der jährlichen Abschlussprüfungen blockiert. Auch in diesem Jahr gab es erneut Einschränkungen: Während der Abiturprüfungen zwischen dem 12. und 16. Juni wurden etwa soziale Medien, Messenger-Dienste und das Übersetzungswerkzeug Google Translate blockiert. In den Jahren zuvor hatte Algerien vollständige Internetsperren verhängt.

Access Now kritisiert, der algerische Präsident Abdelmadjid Tebboune habe vor zwei Jahren betont, er werde “diese Praxis nicht länger tolerieren”. Auch Bildungsminister Abdelhakim Belabed habe noch Anfang Juni versichert, es würde auf andere Mittel zurückgegriffen, um Betrug während der Prüfungen zu verhindern. Die Regierung habe somit ihr Versprechen gebrochen.

Auch Jordanien hat im Juni und Juli während der Abschlussprüfungen zum wiederholten Mal soziale Medien gesperrt. Die Organisation kritisiert, diese Praxis sei illegal: Denn die jordanische Verfassung verbiete es, Kommunikationswege ohne richterlichen Beschluss zu blockieren. Die Regulierungsbehörde für Telekommunikation habe die Blockade direkt angeordnet – ohne richterliche Prüfung. Die Sperre sei zudem unverhältnismäßig und entspreche daher nicht den internationalen Menschenrechtsstandards.

Der syrische Bildungsminister Darem Tabbaa hatte im vergangenen Jahr ebenfalls in Aussicht gestellt, auf Internetsperren zu verzichten, wenn andere Bemühungen gegen Prüfungsbetrug Erfolg hätten. Doch während die Schülerinnen und Schüler im Mai, Juni und August ihre Tests schrieben, wurde das Internet in Syrien landesweit gesperrt. Und auch in der Autonomen Region Kurdistan im Irak wurde während der Abschlussprüfungen das Internet für mehrere Stunden blockiert.

“Kollateralschäden”

Access Now kritisiert, Internetsperren würden nicht helfen, um Betrug bei Prüfungen einzudämmen. Die negativen Folgen dieser Einschränkungen seien hingegen weitreichend: Die Menschenrechte aller Menschen in der jeweiligen Region würden verletzt – und auch die Wirtschaft leide unter den Auswirkungen. Die Organisation fordert die Staaten daher auf, während Schulprüfungen keine Internetsperren mehr zu verhängen.

Im vergangenen Jahr hat Access Now weltweit 182 Internetsperren in 34 Ländern dokumentiert. Regierungen ließen die Verbindungen dabei auch während Protesten, politischen Unruhen und Putschen kappen. Auch im Zusammenhang mit Wahlen kam es zu Blockaden.

Erst im Juni hatte das UN-Menschenrechtsbüro beklagt, Internetsperren hätten “dramatische Auswirkungen” auf das Leben und die Menschenrechte von Millionen Menschen. Solche Maßnahmen würden zu “enormen Kollateralschäden” führen. Laut den UN-Menschenrechtlern haben Internetsperren unmittelbare Auswirkungen auf das Recht auf Meinungsfreiheit und Zugang zu Informationen. Das Internet sei aber auch für die Wahrnehmung weiterer Menschenrechte bedeutend, wie etwa der Versammlungsfreiheit.

Die UN-Experten fordern daher, Staaten sollten grundsätzlich keine Internetsperren verhängen. Würden sie dennoch zu diesem Mittel greifen, so müsse die Maßnahme mit Gesetzen begründet werden. Auch müsse die Öffentlichkeit im Vorfeld informiert werden und es brauche die vorherige Genehmigung eines Gerichts oder einer anderen unabhängigen Stelle. (js)