Umweltschützer kritisieren grünes EU-Label für Schiffe und Flugzeuge
Mehrere Umweltschutzorganisationen haben der EU-Kommission vorgeworfen, ihrer Ansicht nach stark klimaschädliche Flugzeuge und Schiffe mit einem nachhaltigen Label auszuzeichnen – und einen Antrag auf interne Überprüfung bei der Kommission eingereicht. “Unter den neuen Kriterien werden zum Beispiel Flugzeugmodelle als nachhaltig eingestuft, die eigentlich einen hohen Treibstoffverbrauch haben sowie nicht effizient und damit klimaschädlich sind”, erklärte Florian Graber, Jurist der Initiative Climate Law. Die neuen Kriterien fundierten nicht auf wissenschaftlichen Belegen und gefährdeten die Klimaziele der EU.
Die EU-Kommission bestätigte den Eingang eines Antrags auf Überprüfung.
Der Vorwurf der Organisationen – unter anderem aus Belgien, Österreich und den Niederlanden – nimmt Bezug auf eine im November veröffentlichte Änderung der sogenannten Taxonomie-Verordnung. Hier hatte die Kommission die technischen Kriterien festgelegt, nach denen Aktivitäten von Luft- und Schifffahrtbetreibern mit einem grünen Investitionslabel ausgestattet werden können.
Was ist die EU-Taxonomie?
Die Taxonomie ist das Regelwerk der EU, das definiert, ob ein Unternehmen oder eine Wirtschaftstätigkeit als ökologisch nachhaltig einzustufen ist. Sie steckt für die meisten Branchen genaue Kriterien ab. Privaten Finanzinvestoren soll die Taxonomie als Orientierung dienen und Investitionen in grüne und nachhaltige Projekte fördern.
Die Taxonomie ist ein Klassifizierungssystem, das Unternehmen und Bürgern dabei helfen soll, klimafreundliche Projekte zu identifizieren und Geld dort zu investieren.
Die Initiatoren der Beschwerde befürchten, dass Gelder mithilfe der Taxonomie-Reform zweckentfremdet werden. “Das würde bedeuten, dass Geld, das eigentlich für die Bekämpfung der Klimakrise gedacht ist, letztendlich die Klimakatastrophe befeuert, da es die klimaschädliche Luftfahrt- und Schifffahrtsindustrie ermutigt, ihren nicht nachhaltigen Wachstumspfad fortzusetzen”, warnte Hiske Arts von der niederländischen NGO Fossielvrij.
Jahrzentelang Schäden
Nach Ansicht der Umweltschützer sind die Kriterien zu schwach und es seien etwa Flugzeugtypen zu Unrecht als nachhaltig eingestuft worden. Sie müssten nur schwach ausgestaltete Effizienzkriterien erfüllen oder geringe Anteile nichtfossilen Treibstoffs tanken. So würden aktuell alle von den Airlines Ryanair, easyJet and Wizz Air bestellten Flugzeuge den Kriterien entsprechen – sowie 90 Prozent der Bestellungen von Airbus.
Auch Kreuzfahrtschiffe, die mit flüssigem Erdgas betrieben werden, würden grün gelabelt – den Umweltschützern zufolge zu Unrecht. Denn bei der Verbrennung entstünde beispielsweise Methan, das rund 80-mal so klimaschädlich ist wie Kohlenstoffdioxid (CO2).
Die Folgen der weiteren Nutzung dieser Flugzeuge und Schiffe würden die EU-Klimaziele stark gefährden und deshalb gegen die Umweltziele der Taxonomie-Verordnung verstoßen.
Elias Van Marcke von Dryade sagte: “Es ist entscheidend zu bedenken, dass die Taxonomie-Kriterien mit dem 1,5-Grad-Celsius-Ziel des Pariser Klimaabkommens übereinstimmen müssen; eine rechtliche Verpflichtung, zu deren Einhaltung diese Kriterien nicht ausreichen.”
Die Organisationen warnen auch davor, dass die klimaschädlichen Flugzeug- und Schiffstypen – einmal in Dienst gestellt – noch Jahrzehnte lang weiter betrieben werden und sowohl Luft als auch Wasser verschmutzen. Sie hätten eine Lebensdauer von 20 bis 50 Jahren.
Nicht die erste Klage
Die Organisationen forderten die EU-Kommission nun auf, die Einstufung der Luft- und Schifffahrt als nachhaltige Investition noch einmal intern zu überprüfen. Diese habe nun 16 Wochen Zeit auf den Prüfungsantrag einzugehen. Folge die Kommission dem Einspruch nicht, sei eine Klage beim Europäischen Gerichtshof denkbar, sagte Graber.
Es wäre nicht die erste Klage gegen die Taxonomie-Regelungen der EU. Im April 2023 hatten bereits Umweltschutzorganisationen wie Greenepace, WWF und BUND gemeinsam gegen die Entscheidung der EU vor dem Europäischen Gerichtshof geklagt, Gas und Atomkraft unter bestimmten Umständen als klimafreundlich zu deklarieren.
Denn seit Januar 2023 können auch Investitionen in neue Gas- oder Atomkraftwerke als klimafreundlich eingestuft werden.
Das hatte für Diskussionen und Kritik gesorgt. Unter anderem, da beim Verbrennen von Gas klimaschädliches CO2 ausgestoßen wird und die Nutzung von Atomenergie mit zahlreichen Risiken einhergeht.
Österreich und Luxemburg hatten im Oktober 2023 eine Klage gegen die EU-Taxonomie vor dem Gericht der Europäischen Union eingereicht. Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) sagte damals, sie unterstütze grundsätzlich die sogenannte Taxonomie der Europäischen Union, mit der nachhaltige Energieformen klassifiziert werden. “Wogegen ich mich aber mit aller Kraft wehre, ist der Versuch, über eine Hintertüre […] Atomkraft und Gas grün zu waschen.” Die Ministerin hatte die EU-Pläne wiederholt als “Greenwashing” bezeichnet.
Entscheidungen in den Gerichtsverfahren werden nicht vor dem Jahr 2025 erwartet. (hcz)