Polen: Ausschuss soll Spähsoftware-Einsatz prüfen
Ein Untersuchungsausschuss in Polen soll prüfen, ob die im Herbst abgewählte PiS-Regierung politische Gegner mit der Spähsoftware Pegasus überwacht hat. Einen entsprechenden Beschluss verabschiedete das Parlament in Warschau am Mittwoch einstimmig – auch die Abgeordneten der PiS stimmten dafür.
Wie die Polnische Presseagentur berichtet, soll der im Unterhaus (Sejm) angesiedelte Ausschuss außerdem ermitteln, wer für den Kauf von Pegasus und ähnlichen Spionagewerkzeugen verantwortlich ist. Ob die mithilfe von Pegasus durchgeführten Überwachungsaktionen von Polizei und Geheimdiensten legal waren, soll ebenfalls Gegenstand der Untersuchung sein.
Dabei gehe es um den Zeitraum zwischen dem 16. November 2015 und dem 20. November 2023 – in diesen acht Jahren regierte die Partei “Recht und Gerechtigkeit” (PiS) in Polen. Bei der Parlamentswahl im Oktober 2023 hatte sie ihre Mehrheit verloren.
Der Abgeordnete Jacek Karnowski hatte die Einrichtung einer Untersuchungskommission bereits im Oktober angekündigt. Karnowski soll selbst mit Pegasus ausgespäht worden sein, als er noch Bürgermeister der Stadt Sopot war.
Wie polnische Medien berichten, steht die Besetzung des Untersuchungsausschusses jedoch noch nicht fest. Eigentlich hätten die Mitglieder des Ausschusses am Donnerstag benannt werden sollen. Die Abgeordneten der Regierungskoalition seien mit den von der PiS vorgeschlagenen Kandidaten jedoch nicht einverstanden gewesen.
Oppositionelle überwacht
Im Sommer 2021 hatten die Organisationen Forbidden Stories und Amnesty International sowie mehrere internationale Medien aufgedeckt, wie weltweit Medienschaffende, Menschenrechtler und Oppositionelle mit der Spionagesoftware Pegasus überwacht wurden. Auch Fälle in der EU wurden bekannt – unter anderem in Polen.
Sicherheitsforscher des Citizen Labs an der Universität Toronto konnten beispielsweise nachweisen, dass das Smartphone des damaligen Oppositionspolitikers Krzysztof Brejza im Wahljahr 2019 über 30-mal mit Pegasus infiltriert wurde. Er hatte die Kampagne der Oppositionsallianz geleitet.
Was ist Pegasus?
Pegasus ist eine Spionagesoftware der israelischen Firma NSO Group. Die Spähsoftware kann ein infiltriertes Gerät komplett übernehmen und beispielsweise die Kamera und das Mikrofon unbemerkt anschalten – oder sämtliche Daten kopieren. Auch Standortdaten lassen sich abrufen und Passwörter auslesen. Das Überwachungsprogramm steht seit Jahren im Zusammenhang mit Menschenrechtsverletzungen in der Kritik.
Die Sicherheitsforscher konnten außerdem nachweisen, dass der Rechtsanwalt Roman Giertych Ende 2019 mehrfach mit Pegasus ausgespäht wurde. Er hatte unter anderem Donald Tusk vertreten. Tusk ist seit Ende 2023 erneut Ministerpräsident Polens und war zuvor Vorsitzender des Oppositionsbündnisses Bürgerkoalition. Als die Fälle bekannt wurden, hatte er von der “größten Krise der Demokratie” seit dem Ende des Kommunismus gesprochen und eine parlamentarische Untersuchung gefordert.
Auch die Staatsanwältin Ewa Wrzosek wurde demnach überwacht. Sie ist Mitbegründerin einer unabhängigen Vereinigung von Staatsanwälten, die von der ehemaligen PiS-Regierung angetriebene Veränderungen in der polnischen Justiz kritisiert hatte.
Später wurde unter anderem auch bekannt, dass das Smartphone des ehemaligen Bürgermeisters Karnowski ausspioniert wurde.
Das Citizen Lab hatte nicht feststellen können, wer für die Angriffe verantwortlich war. Die Betroffenen hatten jedoch die damalige PiS-Regierung verdächtigt.
PiS hatte Pegasus-Kauf eingeräumt
Der Oberste Rechnungshof hatte Anfang 2022 erklärt, es gebe eine Rechnung über den Kauf von Pegasus durch polnische Behörden. Die PiS hatte den Kauf schließlich auch eingestanden – allerdings dementiert, mit der Spionagesoftware Oppositionelle überwacht zu haben.
Eine Untersuchungskommission des EU-Parlaments hatte im vergangenen Jahr bereits festgestellt, Pegasus sei in Polen Bestandteil “eines Systems zur Überwachung der Opposition und von Regierungskritikern”. Der Ausschuss hatte zudem bemängelt, dass die polnische Regierung nicht mit ihm zusammengearbeitet habe.
Auch der polnische Senat hatte sich bereits mit Pegasus beschäftigt und war im vergangenen Herbst zu dem Schluss gekommen, dass der Kauf der Überwachungssoftware illegal war.
In der EU waren außerdem auch Pegasus-Spionagefälle aus Ungarn bekannt geworden. Die dortige Datenschutzbehörde sah die Überwachung allerdings als rechtlich gedeckt an. (dpa / js)