Urteil: Facebook darf Seiten nicht ohne Begründung sperren

Filmszene
Im Detail konnte Facebook die Gründe für die knapp zweijährige Sperre des Filmvereins nicht benennen. Es könnte dieses Bild gewesen sein. (Quelle: Andres Cordoba/ Verleih: MFA+ FilmDistribution e.K.)

Die Filmwerkstatt Düsseldorf hat sich erfolgreich vor dem Landgericht Düsseldorf gegen die Sperrung ihrer Facebook-Seite gewehrt. Die Plattform hatte die Präsenz des gemeinnützigen Vereins ohne Angabe von Gründen und Möglichkeit zur Stellungnahme im Dezember 2021 gesperrt und erst im Juni 2023 – nach Einreichung einer Klage – wieder freigegeben. Das Gericht hat jetzt entschieden, dass der Facebook-Mutterkonzern Meta dabei rechtswidrig gehandelt hat. Er habe in dem Fall seine marktbeherrschende Stellung missbraucht und damit gegen das Kartellrecht verstoßen heißt es im Urteil.

Das Landgericht stellt in seinem Urteil klar: “Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs […] ist der Nutzer umgehend über eine beabsichtigte Sperrung seines Nutzerkontos zu informieren, ihm ist der Grund dafür mitzuteilen und ihm ist eine Möglichkeit zur Gegenäußerung einzuräumen, an die sich eine Neubescheidung anschließt.”

Fehleinschätzungen durch Algorithmen

Welche Inhalte zur Sperrung der Seite geführt haben, ist heute kaum noch nachvollziehbar. Den Betroffenen sei zu keinem Zeitpunkt ein Grund genannt worden oder die Möglichkeit zur Gegenäußerung gegeben worden. Selbst Meta kann nur Vermutungen anstellen und verweist laut Gerichtsdokumenten lediglich auf “einer Vielzahl von Verstößen gegen die vertraglichen Regelungen zur Nutzung”.

Ausschlaggebend könnte ein zu Werbezwecken gepostetes Bild des oscarnominierten Films “Der Schamane und die Schlange” gewesen sein – zu dessen Upload die Filmwerkstatt Düsseldorf urheberrechtlich autorisiert war. Es zeigt indigene Menschen im Lendenschurz. Facebooks Algorithmen hätten dieses Motiv vermutlich als Nacktdarstellung von Kindern bewertet und als Verstoß gedeutet. Zumindest sei in den Systemen noch ein entsprechender interner Vermerk vorhanden. Mehr Details seien nicht verfügbar, gab Meta vor Gericht an, da entsprechende Bemerkungen im System nach 90 Tagen gelöscht würden. Bei dem Verbot der Nacktdarstellung von Kindern handelt es sich um die Gemeinschaftsrichtlinien von Facebook.

Meta hatte dem Verein zur Sperrung lediglich mitgeteilt: “Dein Facebook-Konto wurde deaktiviert, weil dein Konto oder damit verbundene Aktivitäten gegen unsere Gemeinschaftsstandards verstoßen haben.” Zwar habe die Filmwerkstatt eine Überprüfung des Falls durch Facebook gefordert, die Anfrage verlief jedoch erfolglos – das soziale Netzwerk reagierte nicht. “Das ist eine fatale Einschränkung der Kunst-, Wissenschafts- und Meinungsfreiheit”, so die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), die die Filmwerkstatt Düsseldorf bei ihrer Klage unterstütze.

Die GFF wertet die Entscheidung des Gerichts in ihrer Stellungnahme vom Montag als “ein wichtiges Signal, dass Internet-Plattformen Grundrechte wie die Kunst- und Meinungsfreiheit wahren müssen”.

“Nutzer*innen sind einem fehlerhaften Prüfverfahren ausgeliefert, das die einzige Möglichkeit des Widerspruchs darstellt”, sagt Jan Wagner, Leiter der Filmwerkstatt Düsseldorf. Versage das von Facebook vorgegebene Onlineverfahren, gebe es keinerlei Möglichkeit mehr, mit dem Anbieter zu kommunizieren, um eine Klärung herbeizuführen.

Das Verfahren zeige exemplarisch, was im Kunstbereich oft passiere, so die GFF, und wogegen sich nur wenige tatsächlich wehren könnten. Inhalte würden automatisiert gesperrt, da die Algorithmen der Plattformen Bilder falsch einschätzen. Die Überprüfungsmechanismen seien ebenfalls unzuverlässig.

Kunstfreiheit gestört

Das Gericht berücksichtigt, dass die Nutzung von Facebook “eine hohe soziale Relevanz hat”. Die Filmwerkstatt kann sich demzufolge auf die Kunstfreiheit sowie das Willkürverbot berufen.

Es stellte ebenfalls fest, dass die Facebook-Seite der Filmwerkstatt Düsseldorf zur Bewerbung von Veranstaltungen
genutzt wird. Dem Kläger sei infolge der Sperrung ein Kommunikationskanal abgeschnitten worden.

Die GFF weist in einer weiteren Meldung darauf hin, dass “für Kunst im Allgemeinen insbesondere soziale Netzwerke eine unverzichtbare Plattform sind, um Aufmerksamkeit zu generieren und so eine Wirkung zu entfalten”. Über 4000 Menschen auf Facebook seien dem Hauptausspielkanal für die Werbung der Filmwerkstatt gefolgt.

Den Schaden, den der Verein durch die fehlende Präsenz in dem sozialen Netzwerk erlitten habe, sei schwierig zu beziffern. (hcz)