Urteil: Handyauswertung durch das BAMF war rechtswidrig
Die Auswertung des Handys einer Geflüchteten durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) war rechtswidrig. Das hat das Verwaltungsgericht Berlin entschieden, wie die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) am Mittwoch mitteilte. Die Betroffene hatte gemeinsam mit der Organisation im Mai 2020 gegen die umstrittene Praxis geklagt.
Das Verwaltungsgericht geht davon aus, dass das Auslesen von Datenträgern zum Zeitpunkt der Antragstellung im Asylverfahren rechtswidrig ist, weil es zur Feststellung der Identität und Herkunft nicht erforderlich sei. Das stelle nun die gesamte Praxis des BAMF in Frage, urteilt die GFF.
Willkürliche Prüfung ohne konkreten Verdacht
Seit 2017 darf das BAMF laut Gesetz Datenträger von Asylantragstellern auslesen, wenn diese sich bei der Behörde nicht mit einem Pass oder einem anderen Dokument ausweisen können. Das Gesetz verpflichtet Antragsteller, ihre Datenträger inklusive der Zugangsdaten an die Behörde auszuhändigen.
Laut GFF werden in der Praxis vor allem Daten von Smartphones untersucht. Das BAMF kann die Geräte ohne konkreten Verdacht prüfen. Üblicherweise macht es das zu Beginn eines Asylverfahrens und speichert die Daten auf Vorrat, ohne mildere Mittel zu prüfen. Dabei wertet es ein- und ausgehende Anrufe sowie SMS- und Messenger-Nachrichten nach Ländervorwahlen aus. Auch die in Nachrichten verwendete Sprache wird analysiert. Außerdem hat das BAMF Zugriff auf Kontakte, den Browserverlauf, Standortdaten aus Fotos sowie E-Mail-Adressen und Benutzernamen von Internetdiensten.
Bundesverwaltungsgericht könnte grundsätzlich entscheiden
Die GFF betrachtet die Datenauswertung als verfassungswidrig – sie verstoße gegen das Grundrecht auf Integrität und Vertraulichkeit informationstechnischer Systeme. Gemeinsam mit drei Geflüchteten hatte die GFF daher im vergangenen Jahr geklagt: In den Verfahren an den Verwaltungsgerichten Hannover und Stuttgart stehen die Entscheidungen noch aus. Zusätzlich hat die Organisation im Februar Beschwerde beim Bundesdatenschutzbeauftragten gegen die Handydatenauswertung eingereicht.
Entschieden hat das Gericht nur den Einzelfall, doch die GFF wertet das Urteil als “bedeutenden Erfolg für die Privatsphäre geflüchteter Menschen”. Lea Beckmann, Juristin und Verfahrenskoordinatorin der GFF, sagte: “Das Verwaltungsgericht bestätigt mit seiner Entscheidung, was wir seit Jahren sagen: Das BAMF verletzt mit seinen Handydatenauswertungen Grundrechte.”
Weil die Handyauswertung durch das BAMF die Grundrechte tausender Geflüchteter betreffe und grundsätzliche Bedeutung habe, hat das Berliner Verwaltungsgericht eine sogenannte Sprungrevision zugelassen. Sollte das Bundesamt nun in Revision gehen, würde der Fall daher direkt vor dem Bundesverwaltungsgericht verhandelt. Das höchste deutsche Verwaltungsgericht könnte dann über die grundsätzliche Rechtmäßigkeit der Handydatenauswertung entscheiden. Ein Sprecher des BAMF sagte der Berliner Morgenpost, man habe das Urteil zur Kenntnis genommen und warte nun die schriftliche Begründung ab, “um diese auswerten zu können”.
Unzuverlässiges Verfahren
Die GFF hatte im Dezember 2019 eine Studie zu der Praxis des BAMF veröffentlicht. Neben der verfassungsrechtlichen Kritik heißt es darin, das Verfahren sei teuer und unzuverlässig. Fehler bei der Auswertung bedeuteten aber eine Gefahr für Asylanträge.
Im Jahr 2019 hat das BAMF nach eigenen Angaben insgesamt 9528 Handys von Asylbewerbern ausgewertet. In 40 Prozent der Fälle hätten sich die Angaben der Geflüchteten dabei bestätigt, in 58 Prozent habe es keine verwertbaren Ergebnisse gegeben. (js)