US-Häftlinge sollen mit "smarten" Armbändern überwacht werden

Außenansicht des Fulton County Jail in Atlanta
Experten fordern klare Regeln für den Umgang mit den gesammelten Daten – damit sie nicht zweckentfremdet werden. (Quelle: IMAGO / ZUMA Wire)

In einem Gefängnis im US-Bundesstaat Georgia sollen Häftlinge künftig mithilfe von Armbändern engmaschig überwacht werden. Erste Tests sind laut dem zuständigen Sheriff’s Department bereits abgeschlossen und die Technik wird nun in der Haftanstalt installiert. Kritiker sehen die Privatsphäre der Gefangenen verletzt und fordern klare Regeln zum Umgang mit den gesammelten Daten.

Das US-Magazin Wired hatte am Sonntag von den Plänen des Sheriff’s Office von Fulton County berichtet. Fulton County liegt im US-Bundesstaat Georgia.

Dokumente, die Wired durch Informationsfreiheitsanfragen erhalten hat, zeigen, wie das von der US-Firma Talitrix entwickelte System funktioniert: Inhaftierte sollen künftig demnach ein Gerät am Handgelenk tragen, das an einen Fitnesstracker erinnert, allerdings kein Display besitzt. Zudem soll es einen Verriegelungsmechanismus geben, der von den Trägern nicht selbst geöffnet werden kann – wird das Armband anderweitig durchtrennt, soll innerhalb von 15 Sekunden das Gefängnispersonal informiert werden.

Konstante Standortverfolgung

Die speziell für den Einsatz in Gefängnissen entwickelten Geräte übertragen laut dem Bericht unter anderem die Herzfrequenz des Trägers über Radiofrequenzen an im Gefängnis eingebaute Sensoren – in den Zellen sollen diese nicht installiert werden. Auch der Standort der Insassen soll alle 30 Sekunden übertragen werden.

Das Aufsichtspersonal soll so beispielsweise feststellen können, wie lange die Häftlinge sich in bestimmten Bereichen wie etwa den Besuchsräumen aufhalten. Jarrett Gorlin vom Sheriff’s Office sagte gegenüber Wired, zukünftig könnten auch Aufseher alarmiert werden, wenn zwei Personen sich einander nähern, zwischen denen es zu Gewalttätigkeiten kommen könnte.

Wie aus den Dokumenten hervorgeht, können die Justizangestellten in der Talitrix-Software mit dem Namen “Inside the Walls” jederzeit sehen, wie viele Insassen sich in den einzelnen Gefängnisbereichen aufhalten. Personen werden dabei symbolisch dargestellt. Außerdem werden ihre Namen, Zellennummer und Details zur Herzfrequenz angezeigt.

Diese Information werde als Indikator für mögliche Gesundheitsprobleme oder Selbstmordversuche verwendet, erklärte Gorlin gegenüber Wired. Bei Auffälligkeiten werde das Personal informiert.

Es sei geplant, 750 Sensoren und 1000 Überwachungsgeräte anzuschaffen. Vorerst sollen etwa 450 inhaftierte Personen im “Fulton County Jail” in Atlanta die Geräte an ihren Handgelenken tragen müssen. Das Fulton County Sheriff’s Office betreibt insgesamt vier Haftanstalten. Wie Gorlin gegenüber Wired bestätigte, wurden die Armbänder bereits getestet und die Technologie soll in den Gefängnissen eingeführt werden – einen Zeitplan gebe es dafür aber noch nicht.

Kritik an zusätzlicher Überwachung

Laut dem Sheriff’s Office und Hersteller Talitrix soll durch das System die allgemeine Sicherheit in Gefängnissen erhöht werden. Die Technologie könne zudem in Haftanstalten mit Personalmangel helfen. Kritiker entgegnen, es werde nur mehr Überwachung eingeführt und die “tiefer liegenden Probleme des Strafrechtssystems” nicht angegangen.

Berichten zufolge ist das Gefängnis in Atlanta in einem schlechten Zustand: Insassen müssten teils auf dem Boden schlafen und Zellentüren hingen aus den Angeln.

James Kilgore von der NGO MediaJustice nannte den Einsatz der Technologie gegenüber Wired einen “erschreckenden Schritt”. Es würden biometrische Daten von Menschen gesammelt, obwohl die Daten nichts mit deren Inhaftierung zu tun hätten.

Angaben des Sheriff’s Office und Talitrix zufolge sollen die Gefängniswärter Standortdaten und biometrische Daten nur vor Ort ansehen können. Das System sei auch nicht mit anderen staatlichen oder privaten Systemen zum Zwecke der Datenübertragung verbunden.

Nicol Turner Lee, Direktorin des Center for Technology Innovation der US-Denkfabrik Brookings, kritisierte, mit dem System werde eine “zusätzliche Überwachungsebene” eingeführt. Sie mahnte, dies müsse mit einem “angemessenen Schutz der Privatsphäre” einhergehen – es müsse etwa geregelt sein, wie die gesammelten Informationen verwendet werden können. “Es ist sehr wichtig, dass Strafverfolgungsbehörden und Justizvollzugsanstalten den Schutz der gesammelten Daten sicherstellen, damit sie nicht zweckentfremdet werden”, erklärte sie gegenüber Wired.

Laut dem Bericht setzen US-Gefängnisse angesichts von Personalmangel zunehmend auf elektronische Überwachungssysteme. Turner Lee rechnet damit, dass der Einsatz noch zunimmt, denn die Technologie werde als schnelle Lösung angesehen. Es sei unwahrscheinlich, dass dabei Leitlinien zum Datenschutz eingeführt würden. Turner Lee kritisierte: “Wenn es um diejenigen geht, die vom Strafrechtssystem betroffen sind, und um diejenigen, die in Gefängnissen sitzen, wird implizit davon ausgegangen, dass ihre Rechte keine Rolle spielen.”

James Kilgore von MediaJustice erklärte, Technologie werde die Lebensqualität in Gefängnissen nicht verbessern – vielmehr müsse sich die Politik mit den Problemen des Justizsystems befassen.

Anne Kaun, Professorin für Medien- und Kommunikationswissenschaften an der Universität Södertörn in Schweden erklärte gegenüber Wired, Gefängnisse würden als Versuchsgelände für Überwachungstechnologien genutzt, bevor diese weiter verbreitet werden. In einer Studie über “smarte” Gefängnisse war sie im Jahr 2019 zu dem Schluss gekommen, Gefangene würden zu den am stärksten überwachten Bevölkerungsgruppen gehören, ohne widersprechen zu können. (js)