US-Repräsentantenhaus stimmt für Verlängerung von Überwachungsgesetz
Das US-Repräsentantenhaus hat am Freitag für die Verlängerung der umstrittenen “Section 702” gestimmt. Die Regelung aus dem “Foreign Intelligence Surveillance Act” (FISA) erlaubt bestimmte Überwachungsmaßnahmen ohne richterliche Anordnung. Bürgerrechtler protestieren seit Jahren gegen die unter George W. Bush eingeführten Bestimmungen.
Nach monatelanger Debatte stimmten vergangene Woche 273 Abgeordnete für eine Verlängerung um weitere zwei Jahre. 147 Abgeordnete stimmten dagegen. Zunächst war eine Verlängerung um fünf Jahre geplant gewesen.
“Section 702” erlaubt US-Sicherheitsbehörden wie dem FBI und der NSA, die Kommunikation von Ausländern unter bestimmten Umständen zu überwachen, die sich außerhalb der USA aufhalten. Kritiker bemängeln, obwohl die Regelung der Terrorismusbekämpfung dienen solle, gehe sie über das hinaus, was für den Schutz der nationalen Sicherheit erforderlich sei. Gesammelte Daten würden über Jahre hinweg in Regierungsdatenbanken gespeichert. Eine richterliche Genehmigung wird dafür nicht benötigt.
Das Gesetz ermöglicht es den Behörden auch, US-amerikanische Anbieter anzuweisen, Daten von ausländischen Zielpersonen herauszugeben – darauf hatte auch der Europäische Gerichtshof im Jahr 2020 verwiesen, als er die Rechtsgrundlage für die Übermittlung personenbezogener Daten von EU-Bürgern in die USA für ungültig erklärt hatte.
Die Behörden können die gespeicherte Kommunikation zudem durchsuchen, wenn sie zwischen Personen im Ausland und US-Bürgern stattfindet. Bürgerrechtler kritisieren die Regelung deshalb seit langem als eine Art Hintertür, um in der Verfassung garantierte Rechte zu umgehen.
Keine zusätzliche Beschränkung
Am Freitag stand auch ein Änderungsantrag zur Abstimmung, wonach Behörden eine richterliche Genehmigung benötigt hätten, bevor sie unter Anwendung von “Section 702” Zugriff auf die Kommunikation von US-Bürgern erhalten hätten. Dieser wurde allerdings nicht angenommen: Es stimmten genauso viele Abgeordnete dafür wie dagegen – was nach den Regeln des Repräsentantenhauses das Scheitern eines Antrags zur Folge hat.
Elizabeth Goitein vom Brennan Center for Justice der New York University kommentierte gegenüber der New York Times: “Es ist schmerzhaft, so nah dran zu sein und letztlich doch ohne diesen grundlegenden Schutz für die Rechte von Amerikanern dazustehen.”
“Section 207” wurde nun so erweitert, dass die Überwachungsmaßnahmen künftig auch in Bezug auf ausländische Drogenhandelsorganisationen eingesetzt werden können.
Außerdem können nun weitere Unternehmen verpflichtet werden, mit den Behörden zusammenzuarbeiten. Senator Wyden aus Oregon kritisierte, wer Geräte installiere, warte oder repariere, “die Kommunikationen übertragen oder speichern”, könnte nun zur Zusammenarbeit mit der Regierung gezwungen werden. Er erklärte, betroffen sei “jeder, der Zugang zu einem Server, einem Kabel, einer Kabelbox, einem WLAN-Router oder einem Telefon hat. Das Ganze wäre geheim: Die Amerikaner, die die Anweisungen der Regierung erhalten, wären zum Schweigen verpflichtet, und es gäbe keine gerichtliche Kontrolle.”
Die Bürgerrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation (EFF) kommentierte die Entscheidung des Repräsentantenhaus: “Big Brother hat heute gewonnen.”
Die aktuelle Regelung läuft am 19. April aus. Bevor die nun im Repräsentantenhaus beschlossene Verlängerung in Kraft treten kann, müssen noch der Senat und US-Präsident Joe Biden zustimmen. Beobachter erwarten im Senat erneut eine Debatte. So kündigte beispielsweise Senator Wyden bereits seinen Widerstand an.
Selbst wenn der Senat der Verlängerung vor Freitag nicht zustimmt, kann das Gesetz aufgrund einer Entscheidung des sogenannten FISA-Gerichts noch ein weiteres Jahr lang in Kraft bleiben, berichtet die New York Times. Das Gericht ist für Überwachungen unter dem FISA-Gesetz im Inland zuständig.
Gültigkeit mehrfach verlängert
“Section 207” war im Jahr 2008 eingeführt worden, um nach den Anschlägen vom 11. September getätigte Überwachungsmaßnahmen nachträglich zu legalisieren. Seitdem wurde die Gültigkeit mehrfach verlängert: Auch bei der Abstimmung im Jahr 2018 war ein Änderungsantrag zum besseren Schutz von Daten von US-Bürgerinnen und -Bürgern abgelehnt worden.
Die Regelung steht auch deshalb in der Kritik, weil sie in der Vergangenheit bereits missbräuchlich verwendet wurde: So hatte das FBI beispielsweise im Jahr 2020 auf Basis von “Section 702” unter anderem Daten von Demonstrierenden und Verbrechensopfern durchsucht. Berichten zufolge hat die Behörde inzwischen interne Richtlinien eingeführt, um solchen Missbrauch einzudämmen. So müssen bestimmte Abfragen nun von höher gestellten Beamten genehmigt werden als zuvor. Diese internen Vorschriften sollen nun auch im Gesetz festgeschrieben werden.
Wie das US-Magazin Wired berichtet, wollten Mitglieder des Justizausschusses auch einen Änderungsantrag einbringen, um Behörden den Kauf von Standortdaten von US-Amerikanern zu verbieten – dieser stand letztlich aber nicht zur Abstimmung. (js)