Iranische Behörden wollen verschärft gegen Kopftuchverstöße vorgehen

Straßenszene in Teheran
Die Überwachung im öffentlichen Raum wurde in den vergangenen Monaten bereits ausgeweitet. (Quelle: IMAGO / ZUMA Wire)

Die Polizei im Iran will Verstöße gegen die dortigen Kleidungsregeln ab Samstag wieder strenger ahnden. Zum Ende des Fastenmonats Ramadan kündigte die Behörde am Mittwoch ein härteres Vorgehen bei landesweiten Kontrollen an, wie die iranische Nachrichtenagentur “Mehr” berichtete.

In welchem Umfang die Polizei im Iran nun kontrollieren will, war zunächst aber unklar. Die berüchtigten Sittenwächter hatten seit den von Frauen angeführten Massenprotesten im Herbst 2022 zeitweise weniger streng auf den Straßen kontrolliert – auch weil sie mehr Gegenwehr erlebten. Zuletzt hatten Menschenrechtler aber bereits berichtet, es komme wieder vermehrt zu Polizeikontrollen. Zudem hat das Regime die Überwachung des öffentlichen Raums verstärkt, wie Amnesty International im März berichtete.

Überwachungskameras

Mithilfe von Überwachungskameras würden etwa Frauen und Mädchen aufgespürt, die in Fahrzeugen ohne oder mit angeblich “unangemessenem” Kopftuch unterwegs waren. Die Betroffenen würden dann SMS-Nachrichten und Anrufe erhalten, in denen sie aufgefordert werden, ihre Fahrzeuge bei der sogenannten Sittenpolizei abzugeben. Die Autos von Zehntausenden Frauen seien inzwischen beschlagnahmt worden, weil diese sich den Kleidungsvorschriften widersetzt hatten. In anderen Fällen seien Frauen strafrechtlich verfolgt und beispielsweise zu Peitschenhieben oder Haftstrafen verurteilt worden.

Im Sommer 2023 hatte Amnesty International auch berichtet, mindestens in den Fußgängerzonen würden die iranischen Behörden Technik zur Gesichtserkennung einsetzen.

Studentinnen sollen wegen Tanzvideo verfolgt werden

Laut der Organisation verfolgen die Behörden Frauen auch, wenn diese beispielsweise Bilder von sich ohne Kopftuch im Internet veröffentlichen.

Erst am Mittwoch war bekannt geworden, dass einer Gruppe iranischer Studentinnen strafrechtliche Verfolgung wegen eines Tanzvideos droht. In dem Video sind mehrere Studentinnen der Al-Zahra-Universität in der Küstenstadt Buschehr zu sehen, die tanzen und mit einem Motorrad fahren.

Wie der Guardian berichtet, hat der Universitätspräsidentin gegenüber Medien erklärt, das Video sei ohne Genehmigung entstanden und stelle eine “illegale Aktivität” dar. Gegen die beteiligten Studentinnen würden rechtliche Schritte eingeleitet.

Sie sagte außerdem, man habe den Studenten identifiziert, der das Video produziert hat. Er müsse sich nun gemeinsam mit seinem Vater dafür verantworten.

Kritik von Menschenrechtlern

Menschenrechtsanwälte erklärten gegenüber dem Guardian, die Behörden hätten wahrscheinlich Druck auf die Universität ausgeübt. Hossein Raeesi, ein in Kanada ansässiger iranischer Menschenrechtsanwalt, sagte: “Es gibt kein spezielles Gesetz, das ihnen verbietet, zu tanzen oder Motorrad zu fahren. Dies ist ein Versuch, die starke Studentenbewegung im Iran zu brechen, die während der Proteste ‘Frau, Leben, Freiheit’ gezeigt hat, dass sie stärker denn je ist.”

Jasmin Ramsey, stellvertretende Direktorin des “Center of Human Rights in Iran”, sagte der Zeitung: “Die Drohung der Universitätsleitung, gegen diese mutigen jungen Frauen strafrechtlich vorzugehen, nur weil sie ihren Abschluss gefeiert haben, verdeutlicht die repressive Realität, mit der Frauen und Mädchen im gesamten Iran konfrontiert sind.” Mit ihrem öffentlichen Tanz hätten die Studentinnen das “repressive Diktat des Staates über das Verhalten von Frauen” infrage gestellt.

Bereits im März wurden Berichten zufolge zwei Frauen verhaftet, nachdem ein Tanzvideo in sozialen Medien aufgetaucht war. Darin war zu sehen, wie die Betroffenen in Teheran auf einem öffentlichen Platz getanzt und Kostüme von fiktiven iranischen Sagengestalten getragen hatten.

Im Herbst 2022 waren im Iran landesweite Proteste ausgebrochen, ausgelöst durch den Tod der jungen iranischen Kurdin Jina Mahsa Amini. Sie war von der Sittenpolizei wegen eines angeblich schlecht sitzenden Kopftuchs festgenommen worden. Eine Expertenkommission im Auftrag der UN kam zu dem Schluss, dass körperliche Gewalt nach der Festnahme zu ihrem Tod geführt hat.

Seit Herbst 2022 ignorieren immer mehr Iranerinnen die strengen Kleidungsvorschriften. Religiöse Hardliner versuchen dagegen anzukämpfen. Ein neues Gesetz sieht drakonische Strafen vor: In Extremfällen sogar bis zu 15 Jahre Haft und umgerechnet mehr als 5000 Euro Geldstrafe. Die Reform wurde bereits vom Parlament verabschiedet, ist aber weiterhin nicht in Kraft getreten. In den kommenden Wochen soll eine überarbeitete Version dem sogenannten Wächterrat, einem erzkonservativen Kontrollgremium, vorgelegt werden. (dpa / js)