US-Senator kritisiert Massenüberwachung von Verbindungsdaten
Der demokratische US-Senator Ron Wyden hat das Justizministerium aufgefordert, Dokumente zu einem wenig bekannten Überwachungsprogramm offenzulegen. “Hemisphere” ermögliche es US-Strafverfolgungsbehörden, Billionen von Telefonverbindungsdaten zu durchsuchen – häufig ohne richterliche Anordnung.
Wie Wyden in der vergangenen Woche mitteilte, sind die entsprechenden Dokumente als “Law Enforcement Sensitive” eingestuft, was eine Veröffentlichung verhindern solle. In einem Brief an US-Justizminister Merrick Garland habe er gefordert, diese Einschränkung aufzuheben.
Wyden erklärte, er habe ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Programms. Die Unterlagen des Justizministeriums enthielten zudem “beunruhigende Informationen”, die viele Bürger und Kongressmitglieder “zu Recht empören” würden.
Beteiligung von AT&T
Hintergrund ist das sogenannte Projekt “Hemisphere”. Wyden schreibt in seinem Brief, das “Office of National Drug Control Policy” des Weißen Hauses bezahle den Telekommunikationsanbieter AT&T, damit Strafverfolgungsbehörden “Billionen inländischer Telefondaten” durchsuchen können.
Wie das US-Magazin Wired berichtet, geht es dabei um Verbindungsdaten: Die Behörden können also abfragen, wer wann mit wem telefoniert hat. Solche Abfragen könnten auch zu Personen durchgeführt werden, die nicht eines Verbrechens verdächtigt sind. Betroffen seien potenziell alle Telefonate, die über die Infrastruktur von AT&T laufen.
Unter Berufung auf interne Polizeidokumente schreibt Wired, obwohl “Hemisphere” eigentlich der Bekämpfung von Drogenhandel dienen soll, würden Strafverfolgungsbehörden auch in Fällen darauf zurückgreifen, die nichts mit Drogen zu tun haben.
So habe beispielsweise ein Beamter des Oakland Police Department versucht, die Telefonnummer eines Verdächtigen herauszufinden, indem er die Verbindungsdaten von dessen Freunden anfragte. Ob die Polizei diese auch erhalten habe, gehe aus den Unterlagen jedoch nicht hervor, so Wired. Unklar ist dem Bericht zufolge auch, wie weit in die Vergangenheit die Daten zurückreichen.
Aus den Dokumenten gehe auch hervor, dass Beamte der US-Einwanderungsbehörde, der Nationalgarde sowie zahlreicher kleinerer Behörden an Schulungen zur Abfrage von Verbindungsdaten teilgenommen haben.
Erstmals hatte die New York Times im Jahr 2013 über “Hemisphere” berichtet. Wyden schreibt zudem, das Justizministerium habe die Existenz des Überwachungsprogramms bereits vor einem Bundesgericht bestätigt.
Finanzierung aus Bundesmitteln
Laut Wired wird das Programm inzwischen als “Data Analytical Services” bezeichnet. Die Finanzierung durch das Weiße Haus sei unter Barack Obama zunächst eingestellt worden, nachdem die New York Times darüber berichtet hatte. Inzwischen fließe jedoch wieder Geld.
Das Weiße Haus wollte sich bisher gegenüber Wired nicht zu dazu äußern und auch eine AT&T-Sprecherin lehnte einen Kommentar ab.
Dem Wired-Bericht zufolge steht “Hemisphere” nicht unter der Aufsicht des US-Kongresses. Wyden kritisiert in seinem Brief, obwohl es aus Bundesmitteln bezahlt werde, würden die Gelder durch eine undurchsichtige Finanzierungsstruktur an AT&T weitergeleitet, weshalb beispielsweise keine Datenschutzfolgeabschätzung erstellt werden musste. Eine solche wäre verpflichtend gewesen, wenn eine Bundesbehörde den Telekommunikationsanbieter direkt bezahlen würde.
Anfang November hatte Wyden gemeinsam mit anderen Abgeordneten einen Entwurf für ein Gesetz zum Schutz der Privatsphäre vorgelegt. Wie Wired schreibt, wäre das Überwachungsprogramm bei einer Verabschiedung “in seiner derzeitigen Form ausdrücklich illegal”. Denn vorgesehen ist unter anderem, dass Strafverfolger nur mit richterlichem Beschluss auf Telefondaten zugreifen dürfen. (js)