USA überwachen Einwanderer per App

Produktpräsentation zu SmartLink
Aktivisten fürchten, über die Smartphone-App gesammelte Daten könnten auch verkauft werden. (Screenshot: youtube.com)

Die US-Einwanderungsbehörde lässt Zehntausende Menschen mit einer Smartphone-App überwachen. Was mit den gesammelten Daten passiert, bleibt weitgehend unklar. Aktivisten fürchten, die Daten könnten für die Strafverfolgung genutzt werden. Und auch Kongressabgeordnete kritisieren das Überwachungsprogramm.

Wie der Guardian berichtet, stellt das “Intensive Supervision Appearance Program” in den USA eine “Alternative zur Inhaftierung” dar. Betroffen sind Asylsuchende oder Personen, die verhaftet wurden, weil sie illegal in die USA eingereist sind. Die Einwanderungsbehörde Immigration and Customs Enforcement (ICE) kann ihnen erlauben, zu Hause auf ihre Anhörung vor Gericht zu warten – sofern sie sich von der Behörde überwachen lassen. Zu diesem Zweck können Betroffene beispielsweise verpflichtet werden, eine Fußfessel zu tragen – oder eine App auf ihrem Smartphone zu installieren.

Nach Angaben der Zeitung werden so derzeit etwa 180.000 Einwanderer überwacht; mindestens 95.000 nutzen hierfür die App SmartLink. Der Nachrichtensender ABC News spricht sogar von mehr als 125.000 Menschen. Viele von ihnen seien an der Grenze zwischen Mexiko und den USA angehalten worden.

Sie müssen sich an Meldepflichten halten und beispielsweise wöchentlich ein Foto von sich einsenden. Dieses wird per Gesichtserkennung mit zuvor von ihnen angefertigten Bildern abgeglichen. Die Beamten sollen anhand der Standortdaten der Aufnahme feststellen, ob sich die Überwachten an Reisebeschränkungen halten.

Unternehmen verarbeitet Daten

SmartLink stammt von dem Unternehmen BI, das im Auftrag der Einwanderungsbehörde arbeitet. BI ist eine Tochterfirma der Geo Group – die wiederum private Gefängnisse für die US-Einwanderungsbehörde (ICE) betreibt. Der Guardian hat Interviews mit Betroffenen und ehemaligen Angestellten von BI geführt sowie öffentliche Dokumente über SmartLink ausgewertet. In dem Bericht heißt es, BI und ICE machten unterschiedliche Angaben dazu, wie oft die App den Standort der überwachten Personen übermittelt. Außerdem sammle die App weitere Daten über ihre Nutzerinnen und Nutzer.

Bereits Ende Februar hatten US-Abgeordnete die Datenschutzbestimmungen von SmartLink als zu weit gefasst kritisiert. Es bleibe unklar, welche Daten genau das Unternehmen sammelt und wofür es diese verwendet.

Nach Angaben der Einwanderungsbehörde ICE wird nur beim Tragen einer Fußfessel der Standort kontinuierlich überwacht. Bei App-Nutzern hingegen werde der Aufenthaltsort nicht “aktiv überwacht” – sondern nur während wöchentlicher Meldungen übermittelt.

Doch laut Guardian gibt es Hinweise, dass diese Angaben nicht korrekt sind. So weise die App darauf hin, dass die ständige Nutzung von GPS die Akkulaufzeit verkürzt. Außerdem sagten mehrere mit der App überwachte Personen, sie seien von BI angewiesen worden, ihr Telefon immer eingeschaltet zu lassen. Auch sollten sie ihr Telefon ständig mit sich führen. Außerdem wurden sie instruiert, die Ortungsdienste immer eingeschaltet zu lassen. Zur Begründung hieß es, so könne das Unternehmen ständig ihren Standort ermitteln.

ICE erklärte gegenüber dem Guardian nicht, warum die Betroffenen solche Anweisungen erhalten haben.

Daten könnten weitergegeben werden

Laut den Guardian-Recherchen landen auch weitere Nutzerdaten bei BI: die zur wöchentlichen Meldung hochgeladenen Bilder samt Standort der Aufnahmen, außerdem sämtliche in die App eingetragenen Informationen – darunter personenbezogene Angaben. Auch Daten zur App-Nutzung und die Telefonnummer der Nutzerin oder des Nutzers würden gesammelt.

Wie lange die Firma diese Daten speichert, bleibe unklar. Ein ehemaliger BI-Angestellter habe dem Guardian erklärt, er hätte auf Bilder und Standortdaten zugreifen können, die Monate alt waren.

Offen bliebe auch die Frage, mit wem das Unternehmen und die Einwanderungsbehörde die Daten teilen. Julia Mao von der Einwanderungsrechte-Organisation Just Futures Law fürchtet, sie könnten an andere Behörden weitergegeben und beispielsweise zur Strafverfolgung verwendet werden. Auch bestehe die Gefahr, dass sensible biometrische Daten verkauft werden.

Der Guardian berichtet, BI ermutige Behörden dazu, Daten miteinander zu teilen. Das Unternehmen biete kommunalen Strafverfolgungsbehörden dazu eine App namens Total Access an, mit der sie auf Fallakten zugreifen können. Die Software werde im Rahmen von Bewährungsprogrammen verwendet. Die Behörden könnten auf einer Karte auch Personen sehen, die von anderen Stellen überwacht werden. Wenn sich eine überwachte Person beispielsweise in der Nähe eines Tatortes aufhält, könnte diese Information mit den zuständigen Behörden geteilt werden.

Organisationen wie Just Futures Law warnen, von Einwanderern gesammelte Daten könnten auch dann noch von den Behörden verwendet werden, wenn die Betroffenen bereits einen legalen Aufenthaltsstatus erhalten haben.

Abgeordnete kritisieren Überwachung

Die US-Regierung will das “Intensive Supervision Appearance Program” in den kommenden Jahren ausbauen und mehr Menschen überwachen. Bereits Ende Februar hatten mehrere Kongressabgeordnete das Department of Homeland Security aufgefordert, die Anzahl der überwachten Einwanderer zu reduzieren. Außerdem solle der Vertrag zwischen der US-Regierung und BI geprüft werden.

Die Abgeordneten argumentierten, das Programm sei eine Strafmaßnahme, da Betroffene teils jahrelang überwacht würden. Die Kongressabgeordnete Rashida Tlaib erklärte: “Die Menschen, die nach Amerika kommen, suchen einfach nur die Chance auf ein besseres Leben, so wie unzählige andere vor ihnen. Sie wollen nichts anderes, als einen sicheren Ort zum Leben und um Familien zu gründen.” Die USA müssten sich von einer Politik verabschieden, die Einwanderer massenhaft inhaftiere – eine Politik, an der sich Unternehmen der Gefängnis- und Überwachungsindustrie bereicherten.

Die Abgeordneten kritisieren, die Einwanderungsbehörde setze Überwachungsmaßnahmen übermäßig ein. Früher seien Fußfesseln eine Seltenheit gewesen, mittlerweile seien sie Standard. Auch Asylsuchende, Familien, schwangere oder stillende Frauen, die früher als geringeres Risiko gegolten hätten, würden nun intensiv überwacht. Und die Abgeordneten warnten: Das Überwachungsprogramm führe zu psychischen und physischen Schäden – und erschwere die Integration.

Bereits im Mai 2021 hatten Just Futures Law und die Organisation Mijente einen Bericht über das Programm veröffentlicht, sie bezeichnen die Maßnahmen als “digitale Gefängnisse”. Darin hatten sie auch bereits Bedenken gegenüber SmartLink geäußert. Durch solche Apps würden das Einwanderungssystem und der Strafvollzug miteinander verbunden – die Überwachung von Einwanderern solle beendet werden. (js)