Deutschland steigert CO2-Ausstoß
Deutschlands Ausstoß an klimaschädlichen Treibhausgasen ist nach vorläufigen Zahlen im vergangenen Jahr um 4,5 Prozent gestiegen. Damit wurde das eigentlich schon für 2020 gesetzte Ziel von 40 Prozent weniger Treibhausgas-Ausstoß im Vergleich zu 1990 auch ein Jahr danach noch verfehlt. Die Emissionen sanken im langfristigen Vergleich lediglich um 38,7 Prozent. Dies geht aus Daten des Umweltbundesamtes sowie des Wirtschafts- und Klimaministeriums hervor.
Bundesumweltminister Robert Habeck (Grüne) hatte das Verpassen des Ziels bereits Anfang des Jahres angekündigt. Die Zahlen sind noch vorläufig. Endgültige Werte wird es erst Anfang 2023 geben.
Insgesamt stieß Deutschland im vergangenen Jahr 33 Millionen Tonnen mehr klimaschädliche Gase aus als im Jahr zuvor. “Die Reduzierung der Treibhausgasemissionen von 2020 ist fast zur Hälfte schon wieder verloren”, beklagte Bundesamtschef Dirk Messner. “Unsere Zahlen zeigen deutlich, dass die Ziele der Bundesregierung schnellstens angegangen werden müssen.” Ein Teil der niedrigeren Emissionen 2020 war nach früheren Angaben des Bundesamts der Corona-Pandemie zuzuschreiben, durch sinkende Mobilität und Produktionsrückgänge.
Weg des Scheiterns
Ziel ist eigentlich, Deutschland bis 2045 klimaneutral zu machen – bis dann sollen alle Treibhausgase vermieden oder wieder gebunden werden. Das Zwischenziel für 2030 sieht Einsparungen von 65 Prozent gegenüber 1990 vor. Dazu müssten die Emissionen jedes Jahr um 6 Prozent sinken, sagte Messner. “Seit 2010 waren es im Schnitt nicht einmal zwei Prozent.” Die 20er Jahre seien das entscheidende Jahrzehnt. “Wenn wir diese Dekade verpassen, können wir unsere Klimaziele national und global nicht mehr in den Griff bekommen.”
Die Regierungskoalition aus SPD, Grünen und FDP will den Ausbau erneuerbarer Energien aus Wind und Sonne deutlich vorantreiben – auch unter dem Eindruck der Krise im Verhältnis zum wichtigsten Gaslieferanten Russland. Dazu zählte Klima-Staatssekretär Patrick Graichen auch das geplante Klimaschutz-Sofortprogramm.
Sollte sich Deutschland von russischen Gaslieferungen lösen, würde sich dies kurzfristig negativ auf die Klimabilanz auswirken, weil – mangels klimafreundlicher Alternativen – stärker Kohle genutzt werden müsste. “Kommt es kurzfristig zu mehr Emissionen? Das ist zu erwarten, ja”, sagte Graichen mit Blick auf den Strommarkt.
“Die Kohle erlebt ein globales Comeback, weil der Gaspreis schneller steigt als der Kohlepreis, und das nicht erst seit dem Ukraine-Krieg”, kommentierte Ottmar Edenhofer, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK). “Nie waren die Erneuerbaren Energien weltweit so billig – und nie waren die weltweiten Emissionen so hoch wie 2021.” Gegen den Trend helfe nur ein ein steigender CO2-Preis, der die nötigen Investitionen in saubere Energien wie Erneuerbare und Wasserstoff schneller lohnend mache.
Problemfelder Energie, Verkehr und Gebäude
Insbesondere der Energiesektor verzeichnete laut Umweltbundesamt einen Anstieg an Emissionen von 27 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten – zur besseren Vergleichbarkeit werden andere Treibhausgase in CO2-Äquivalente umgerechnet; Maßstab ist ihr jeweiliger Beitrag zur Erderwärmung im Vergleich zu Kohlendioxid.
Das Plus im Energiesektor ist demnach auf eine gestiegene Stromnachfrage sowie eine geringere Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien zurückzuführen, unter anderem wegen wenig Wind und einer stärkeren Nutzung von Kohle.
Die Sektoren Verkehr und Gebäude liegen über den festgelegten Emissionsmengen. Der Gebäudebereich produzierte 2021 zwar knapp 4 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente beziehungsweise 3,3 Prozent weniger als im Vorjahr. Dennoch überschreitet er damit die erlaubte Jahresemissionsmenge gemäß Bundesklimaschutzgesetz, die bei 113 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten liegt. Die Emissionsreduzierung sei im Wesentlichen als Sondereffekt auf deutlich verringerte Heizölkäufe zurückzuführen.
Im Gebäudesektor bestehe der “größte Handlungsdruck”, sagte Graichen. Dort wurde das Ziel bereits zum zweiten Mal in Folge verfehlt. Messner forderte, Gebäude auf Wärmepumpen umzustellen. Zudem sollten keine Öl- und Gasheizungen mehr eingebaut werden. Auch beim Energiesparen sei Luft nach oben, insbesondere durch Sanierungen.
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) bezeichnete die Bestandssanierung als größte Herausforderung. “Wir brauchen deshalb eine Fördersystematik, die gezielt die Sanierung anreizt, ordnungsrechtliche Vorgaben, um die ineffizientesten Gebäude – angefangen bei öffentlichen Gebäuden – zuerst klimazielkompatibel zu sanieren sowie ein sofortiges Verbot des Einbaus von fossilen Heizungen im Neubau”, forderte Barbara Metz, Bundesgeschäftsführerin der DUH.
Der Vorsitzende der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU), Robert Feiger, bezeichnete dies auch als soziale Frage: “Geringverdienende leben besonders häufig in Häusern mit schlechter Energieeffizienz und müssen einen erheblichen Anteil ihres Einkommens fürs Heizen ausgeben.” Allerdings fehle es am Bau häufig an Fachwissen.
Verkehr: Fördermaßnahmen allein reichen nicht
Mit 148 Millionen Tonnen ausgestoßener CO2-Äquivalente liegt der Sektor Verkehr 1,2 Prozent über dem Wert von 2020 und rund 3 Millionen Tonnen über der im Bundesklimaschutzgesetz zulässigen Höchstmenge. Vor allem der Straßengüterverkehr schlägt zu Buche, der wieder leicht über dem Niveau vor Beginn der Corona-Pandemie liegt. Der Pkw-Verkehr liege hingegen weiterhin darunter. Es brauche mehr Elektrofahrzeuge, erklärte Graichen. Zudem müssten der öffentliche Nahverkehr sowie der Rad- und Fußverkehr gestärkt werden.
Im Verkehrssektor werde der Klimaschutz sträflich vernachlässigt, schrieb die DUH. Sie kritisiert: “Aus dem Verkehrsministerium gibt es statt wirksamer Maßnahmen lediglich Stille. Notwendige Maßnahmen sind die Rücknahme klimaschädlicher Subventionen in Personen- und Güterverkehr genauso wie der aktiv vorangetriebene Ausbau des Schienen- und öffentlichen Verkehrs sowie der Umbau der städtischen Mobilität.” Auf Autobahnen solle ein Tempolimit von 100 Kilometer pro Stunde gelten, in Städten Tempo 30. Dadurch könnten bis zu 9,2 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr eingespart werden.
Die Denkfabrik Agora Verkehrswende fordert nun von der Regierung ein Gesamtkonzept zum Erreichen der Klimaziele im Verkehr. Dies dürfe aber nicht nur auf Fördermaßnahmen setzen. “Es braucht auch mittelfristig wirksame Instrumente wie ambitionierte CO2-Flottengrenzwerte für Pkw auf EU-Ebene ab 2025 und eine umfassende und sozial ausgewogene Reform der Steuern, Abgaben und Subventionen – von Kfz-Steuer und Dieselprivileg bis Pendlerpauschale und Dienstwagenbesteuerung”, erklärte Wiebke Zimmer, stellvertretende Direktorin von Agora Verkehrswende.
Weniger CO2 durch weniger Tiere
Die Sektoren Landwirtschaft und Abfall blieben mit ihren Ausstößen im Rahmen der Klimaschutzziele. In der Landwirtschaft gingen die Treibhausgasemissionen um gut 1,2 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente beziehungsweise 2 Prozent auf 61 Millionen Tonnen CO2 zurück. Der Sektor hält somit die maximale Emissionsmenge von 68 Millionen Tonnen CO2 ein. Laut Umweltbundesamt ist die deutliche Unterschreitung “methodischen Verbesserungen in der Berechnung der Emissionen” zu verdanken. Ein weiterer Grund ist der Rückgang der Tierzahlen. So gab es 2,3 Prozent weniger Rinder, die Schweinezahlen reduzierten sich um 9,2 Prozent. Dadurch gab es weniger Gülle und gleichzeitig sanken die Emissionen aus der Tierhaltung um 4,0 Prozent gegenüber 2020.
Der Abfallsektor sparte 4,3 Prozent Treibhausgase gegenüber dem Vorjahr ein und generierte somit mehr als 8 Millionen Tonnen CO2. Die gesetzlich festgelegte maximale Jahresmenge lag bei 9 Millionen Tonnen. Der Trend erwachse im Wesentlichen aus dem Verbot der Deponierung organischer Abfälle.
Der sogenannte Klimarat muss nun bewerten, warum die Sektoren ihre Ziele gerissen haben. Die zuständigen Minister – Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) und Bauministerin Klara Geywitz (SPD) – müssen dann innerhalb von drei Monaten ein Sofortprogramm erarbeiten, das die Sektoren auf Kurs der angepeilten Emissionsverringerungen bringt. (dpa / hcz)