USA: Bürgerrechtler kritisieren Überwachungsmaßnahmen an Schulen

Kamera vor einer Rutsche
Laut ACLU arbeiten Anbieter von Überwachungstechnik für Schulen teils mit fragwürdigen Marketingmethoden. (Quelle: IMAGO / Panthermedia)

Schulen in den USA setzen zunehmend Überwachungstechnik ein. Ein aktueller Bericht der Bürgerrechtsorganisation American Civil Liberties Union (ACLU) kommt jedoch zu dem Schluss, dass die Technik nicht zu mehr Sicherheit führt. Stattdessen könne sie Schülerinnen und Schülern sogar schaden.

Laut dem Bericht “Digitale Dystopie” nutzen Schulen in den USA bereits die unterschiedlichsten Überwachungsmethoden. Darunter sind beispielsweise klassische Überwachungskameras, deren Bilder entweder aufgezeichnet oder auch live angesehen werden. In einigen Fällen hätten Polizeibehörden direkten Zugriff auf diese Kameras.

Gesichtserkennung und Schusswaffenerkennung

Teils werden die Kameras laut ACLU mit weiteren Techniken wie Gesichtserkennung kombiniert. Die Organisation warnt, damit könnten die Bewegungen und Interaktionen von Schülern und Schulangestellten überwacht werden. Es gebe aber auch Systeme, die auf den Bildern von Überwachungskameras Waffen erkennen können sollen.

Die ACLU berichtet, einige Schulen würden auch die Social-Media-Konten von Schülerinnen und Schülern überwachen, beispielsweise mit der Software DigitalStakeout. Nutzen die Betroffenen zuvor festgelegte Begriffe, würde die Schule informiert. Und auch, was Schülerinnen und Schüler über von der Schule zur Verfügung gestellte E-Mail-Accounts schreiben, werde mancherorts überwacht. Im Jahr 2021 hätten Schulen und Colleges in den USA etwa 3,1 Milliarden US-Dollar für solche Produkte ausgeben.

Die ACLU kritisiert in ihrem Bericht, die Anbieter der speziell auf Schulen zugeschnittenen Überwachungstechniken würden vollmundige Versprechungen machen – die sich in der Regel nicht belegen ließen. So behaupte der Anbieter Bark, seine Software zur Überwachung von Online-Aktivitäten habe geholfen, 16 Schießereien an Schulen zu verhindern. Es gebe aber keine öffentlich zugänglichen Daten, die diese Behauptung untermauern würden. Ohnehin handle es sich um eine zweifelhafte Methode zu behaupten, ohne eine bestimmte Maßnahme wäre eine Handlung eingetreten. Das gelte auch für Selbsttötungen – der Kommunikationsüberwachungs-Anbieter Gaggle behauptet beispielsweise, er habe die Leben von 1562 Schülerinnen und Schülern gerettet. Auch dies ließe sich unmöglich überprüfen, heißt es im Bericht.

“Schlechte Bilanz”

Aus Sicht der ACLU sprechen die Fakten sogar gegen die Überwachungstechniken. Denn acht der zehn tödlichsten Amokläufe an US-Schulen in den vergangenen zwei Jahrzehnten hätten sich an Einrichtungen mit Videoüberwachung ereignet. Die Autorinnen und Autoren des Berichts konstatieren: “Das ist eine ziemlich schlechte Bilanz für ein Produkt, das als Schutzmaßnahme für Schüler vermarktet wird.”

Auch bei der Überwachung sozialer Netzwerke gebe es keine Beweise für die Wirksamkeit im Bezug auf das Finden von Hinweisen auf Gewalttaten. Eine Untersuchung von vereitelten Schießereien des US-amerikanischen Secret Service habe etwa gezeigt, dass soziale Netzwerke bei der Aufdeckung von nur 16 Prozent der untersuchten Fälle eine Rolle gespielt hätten. Und auch in diesen Fällen seien die Pläne im Vorfeld aufgrund einer Reihe von Faktoren bekannt geworden.

Die ACLU wirft den Anbietern von Überwachungstechnik aber nicht nur vor, mit nicht überprüfbaren Behauptungen in Bezug auf die Wirksamkeit ihrer Produkte zu werben. Vielmehr würden die Firmen bei ihrem Marketing selbst auf Narrative setzen, die Angst auslösen sollen. Der Grund dafür sei einfach: Je größer das Sicherheitsrisiko an Schulen wahrgenommen werde, desto größer werde die Nachfrage nach ihren Produkten.

Schüler fühlen sich ständig beobachtet

Der Bericht widmet sich darüber hinaus den Auswirkungen der Überwachungsmaßnahmen auf Schülerinnen und Schüler – also diejenigen, die eigentlich geschützt werden sollen. Dabei stellen die Autorinnen und Autoren fest, die Technik bedrohe das Recht auf Privatsphäre. Außerdem würden sichtbare Überwachungsmaßnahmen die Schüler verängstigen, weil sie ständig an potenzielle Gefahren erinnert werden.

In einer vom Marktforschungsinstitut YouGov im Auftrag der ACLU durchgeführten Umfrage unter US-amerikanischen Schülerinnen und Schülern zwischen 14 und 18 Jahren gaben gut 30 Prozent an, die Technologie gebe ihnen das Gefühl, ständig beobachtet zu werden. 21 Prozent der Befragten äußerten zudem die Befürchtung, mit der Technik könnten Schülerinnen identifiziert werden, die sich beispielsweise über einen Schwangerschaftsabbruch informieren.

Die Technik kann laut Bericht außerdem dazu beitragen, dass Schülerinnen und Schüler Erwachsenen weniger vertrauen – und beispielsweise darauf achten, was sie in Gegenwart von Lehrkräften sagen. Das könne sogar dazu führen, dass sie aus Angst vor Überwachung nicht um Hilfe bitten, beispielsweise wenn sie Zuhause Probleme haben.

Als besonders gefährdet sehen die Bürgerrechtler Schülerinnen und Schüler aus marginalisierten Gruppen an. So könne rassistische Diskriminierung durch die Überwachung verstärkt werden. Als weiteres Beispiel werden im Bericht Kinder und Jugendliche ohne gültige Papiere genannt. Im schlimmsten Fall könnte die ständige Überwachung für sie in einer Abschiebung aus den USA resultieren.

Für den Bericht haben die Bürgerrechtler empirische Studien und Medienberichte ausgewertet. Auch das Werbematerial der Überwachungsfirmen wurde untersucht.

Die ACLU fordert nun, vor der Anschaffung von Überwachungstechnik müssten Schulen prüfen, ob diese tatsächlich helfen kann – und welche Risiken ihr Einsatz birgt. Die Organisation mahnt, Entscheidungen sollten nicht auf Basis von Angst getroffen werden und Behauptungen der Anbieter sollten überprüft werden. (js)