Urteil: HelloFresh darf sich nicht mehr "klimaneutral" nennen
Die Berliner Firma HelloFresh darf sich nicht länger als “erstes globales klimaneutrales Kochbox-Unternehmen” bezeichnen. Das hat das Landgericht Berlin in der vergangenen Woche entschieden. Geklagt hatte die Deutsche Umwelthilfe (DUH), die das Urteil als “Sieg für den Verbraucherschutz” bezeichnet.
In seinem Urteil hat das Gericht HelloFresh zudem die Behauptung untersagt, das Unternehmen kompensiere seine direkten Emissionen zu 100 Prozent. Es handle sich dabei um irreführende Werbung. Bei Zuwiderhandlung muss der Lebensmittel-Lieferdienst ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 250.000 Euro zahlen.
Das Gericht erklärte, “Durchschnittsverbraucher” würden den Begriff “klimaneutral” im Sinne einer ausgleichenden Bilanz der CO2-Emissionen verstehen. Dabei sei ihnen bekannt, dass die Neutralität sowohl durch Vermeidung als auch durch Kompensation erreicht werden kann – letzteres berge aber in hohem Maße “Greenwashing-Potenzial”. Verbraucher würden erwarten, dass von Unternehmen vorgestellte Klimaschutzprojekte auch tatsächlich einen positiven Effekt auf die Klimabilanz haben.
Zertifikatekauf reicht nicht aus
HelloFresh hatte als Kompensationsmaßnahme Zertifikate eines kenianischen Waldprojektes gekauft. Die DUH hatte kritisiert, den Berechnungen des US-amerikanischen Projektbetreibers lägen zweifelhafte Annahmen zu angeblich vermiedenen Emissionen zugrunde.
Im Urteil heißt es nun, im Grundsatz dürfte unumstritten sein, dass Waldschutz ein wichtiges Mittel für den Klimaschutz ist. Der Erwerb von Zertifikaten reiche aber nicht aus, um ein Produkt oder Unternehmen als klimaneutral zu bewerben. Die Richter konstatierten: “Der Claim der vollständigen Klimaneutralität geht nämlich über das hinaus, was mittels CO2-Zertifikaten aus Waldschutz kurzfristig erreichbar ist.”
Das beklagte Unternehmen hatte argumentiert, es müsse sich beim Erwerb von Zertifikaten darauf verlassen können, dass diese den versprochenen Erfolg auch erzielen. Die Richter erklärten hingegen, vor der Schaltung der Werbung hätte sich das Unternehmen vergewissern müssen, ob die Behauptung der Klimaneutralität gerechtfertigt ist. Die DUH wertet dies als “richtungsweisende Klarstellung”.
Gericht sieht Aufklärungspflichten
Außerdem hätten die den Verbrauchern zur Verfügung gestellten Informationen nicht ausgereicht, um diesen “im Hinblick auf die behauptete Klimaneutralität eine ausreichende Entscheidungsgrundlage zur Verfügung zu stellen”.
Grundsätzlich sind umweltbezogene Werbeaussagen nach Ansicht des Gerichts zwar zulässig. Sie unterliegen aber strengen Anforderungen und weitgehenden Aufklärungspflichten. HelloFresh habe die Behauptung, das erste globale klimaneutrale Kochbox-Unternehmen zu sein, selbst mit dem Zusatz eingeschränkt, dies beziehe sich nur auf die “direkten” CO2-Emissionen. Hier hätte es nach Ansicht des Gerichts einer “unmittelbaren Aufklärung des Verbrauchers bedurft”.
Agnes Sauter, Leiterin ökologische Marktüberwachung bei der DUH, erklärte: “Das Landgericht Berlin hat mit seiner richtungsweisenden Entscheidung klargestellt, dass Verbraucherinnen und Verbraucher umfassend und transparent über die Hintergründe angeblicher ‘Klimaneutralität’ informiert werden müssen. HelloFresh hat seinen Kundinnen und Kunden suggeriert, dass sie bei der Nutzung des Essenlieferdienstes ‘etwas Gutes für die Umwelt tun’. Ob die behauptete Klimaneutralität aber durch ausreichende Kompensationsmaßnahmen erreicht wird, wurde nicht deutlich.”
HelloFresh kommentierte das Urteil gegenüber der Fachpublikation W&V: “Wir respektieren das Urteil des Landgerichts Berlin und werden nach Auswertung der schriftlichen Begründung des Gerichts über das weitere Vorgehen in dieser Sache entscheiden. Unabhängig von diesem Prozess haben wir uns schon vor einiger Zeit dazu entschieden, die von der DUH beanstandeten Claims und weitere Claims mit Klimabezug aus Marketinggründen zukünftig nicht weiter zu verwenden.”
DUH kritisiert Greenwashing
DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch sagte: “Auch der Fall HelloFresh hat einmal mehr gezeigt: Hinter den Klimaneutralitätsversprechen stecken selten ausreichende Bemühungen, den eigenen Treibhausgasausstoß zu reduzieren.”
Die Organisation kritisiert Werbung mit CO2-Neutralität als sogenanntes Greenwashing. Juristisch ist die DUH bereits gegen mehrere Unternehmen vorgegangen, darunter der Fußballverein 1. FC Köln, der Konsumgüterkonzern Beiersdorf und die Drogeriemarktkette dm.
Beiersdorf hatte im Mai eine Unterlassungserklärung unterzeichnet und sich verpflichtet, Kundinnen und Kunden mehr Informationen zu seinen verwendeten CO2-Kompensationsprojekten zur Verfügung zu stellen.
Das Landgericht Karlsruhe hatte im Sommer außerdem der Drogeriekette dm untersagt, eigene Produkte mit den Begriffen “klimaneutral” und “umweltneutral” zu bewerben. Auch das Landgericht Karlsruhe hatte festgestellt: “Der Claim der Klimaneutralität des Produkts geht nämlich prinzipiell über das hinaus, was mittels CO2-Zertifikaten aus Waldschutz erreichbar ist.”
Das Ausgleichen von Emissionen mit Zertifikaten war zuletzt zunehmend in die Kritik geraten: Medien hatten Anfang des Jahres aufgedeckt, dass viele privat gehandelte CO2-Zertifikate nahezu wirkungslos sind.
Werbebegriffe wie “umweltfreundlich” oder “klimaneutral” sind inzwischen auch auf EU-Ebene ein Thema: Solch vage Produktangaben sollen in der EU künftig verboten werden, wenn es dafür keinen Nachweis gibt. Künftig sollen nur solche Nachhaltigkeitssiegel zulässig sein, die auf anerkannten Systemen basieren oder von Behörden festgelegt wurden. (js)