USA: Insolventer Datenhändler will Standortdaten weiterverkaufen

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Senator Ron Wyden hatte die Behörde aufgefordert, den Schutz der Standortdaten sicherzustellen – und vor deren Missbrauch gewarnt. (Quelle: IMAGO / Pond5 Images)

Bei der Übernahme des Datenhändlers Near erworbene sensible Standortdaten dürfen nicht weiterverkauft werden. Das hat die US-Handelsaufsicht im Insolvenzverfahren des Unternehmens entschieden. Recherchen hatten ergeben, dass die Firma Daten über die Besuche von Hunderten Abtreibungskliniken in 48 US-Bundesstaaten verkauft hatte.

Wie das Online-Magazin The Markup in der vergangenen Woche berichtete, hatte Near einst behauptet, Daten von 1,6 Milliarden Menschen in 44 Ländern gesammelt zu haben. Im Dezember 2023 meldete das Unternehmen Insolvenz an – und sucht aktuell einen Käufer. Auch die von Near gesammelten Daten würden an diesen weitergegeben, erklärt das Unternehmen.

Dies hatte unter anderem den demokratischen Senator Ron Wyden aus Oregon alarmiert: Er hatte die US-Handelsbehörde FTC aufgefordert, sich in das Insolvenzverfahren einzuschalten und den Schutz von Standortdaten sicherzustellen. Wie The Markup nun berichtet, hat die Behörde inzwischen reagiert.

Daten dürfen bei Firmenübernahme nicht weiterverkauft werden

In einer Anordnung des Insolvenzgerichts aus der vergangenen Woche heißt es demnach, ein Käufer müsse “Verwendung, Verkauf, Lizenzierung, Weitergabe oder Offenlegung von sensiblen Standortdaten” verhindern. Weiterhin werden Schritte vorgegeben, die ein potenzieller Käufer im Umgang mit den Daten ergreifen muss. Dazu zählt auch, Standortdaten zu bestimmten Orten zu löschen – beispielsweise zu medizinischen oder religiösen Einrichtungen.

Innerhalb von 180 Tagen nach der Übernahme müsse außerdem sichergestellt werden, dass Betroffene in die Sammlung und Verwendung ihrer Standortdaten eingewilligt haben.

Senator Wyden sagte zu The Markup: “Ich begrüße es, dass die FTC auf meine Bitte hin eingeschritten ist, um sicherzustellen, dass die von dieser Firma gesammelten sensiblen Standortdaten von Amerikanern nicht erneut missbraucht werden.”

Wyden hatte die FTC Mitte Februar aufgefordert einzugreifen und dabei auf Recherchen seiner Mitarbeitenden zu Near verwiesen, die an einen früheren Bericht des Wall Street Journals anknüpften.

Abtreibungsgegner hatten Standortdaten gekauft

Die Zeitung hatte bereits im Mai 2023 aufgedeckt, dass Near Standortdaten zu Besuchen von Kliniken der Organisation Planned Parenthood im US-Bundesstaat Wisconsin an Abtreibungsgegner verkauft hatte. Diese hatten mithilfe einer Werbeagentur zwischen November 2019 und Sommer 2022 Werbung in sozialen Medien geschaltet, um Frauen direkt anzusprechen – Planned Parenthood hatte die Inhalte der Anzeigen als “Desinformation” bezeichnet.

Laut Wyden war das Ausmaß dieser Kampagne jedoch viel größer als bisher bekannt: Die Daten seien verwendet worden, um Personen Werbung anzuzeigen, die eine von 600 reproduktionsmedizinischen Kliniken in 48 US-Bundesstaaten besucht hatten. Alleine in Wisconsin sollen mehr als 14 Millionen Anzeigen ausgespielt worden sein.

Gefährliche Datensammlungen

Im Sommer 2022 hatte der Oberste Gerichtshof der USA das bisherige Abtreibungsrecht gekippt. Bürgerrechtler hatten daraufhin vermehrt gewarnt, Datensammlungen wie kommerziell erhältliche Standortdaten könnten von Strafverfolgern und Abtreibungsgegnern verwendet werden, um Frauen zu verfolgen.

Auch Wyden warnte: “Wenn ein Datenhändler amerikanische Mobiltelefone verfolgen kann um Extremisten dabei zu helfen, Menschen an Hunderten Planned-Parenthood-Standorten in den USA gezielt mit Falschinformationen anzusprechen, könnte ein rechtsgerichteter Staatsanwalt dieselben Informationen nutzen, um Frauen ins Gefängnis zu bringen.”

Der Politiker kritisiert das Unternehmen Near außerdem, weil es Standortdaten an eine Firma verkauft haben soll, über die sie an das Verteidigungsministerium sowie US-Geheimdienste gelangt sind. Dies habe ein Near-Angestellter bestätigt. Der Kauf solcher Daten durch US-Behörden wird immer wieder kritisiert, weil diese so an personenbezogene Informationen gelangen könnten, ohne dafür eine richterliche Genehmigung einzuholen.

Gegenüber The Markup forderte Wyden, sensible Standortdaten müssten besser vor Datenhändlern geschützt werden. Er sagte: “Die Bedrohung durch den Verkauf von Standortdaten ist eindeutig – insbesondere für Frauen, die eine reproduktive Behandlung suchen.”

FTC weist Datenhändler in die Schranken

Die FTC war zuletzt verstärkt gegen Datenhändler vorgegangen. So hatte die Behörde dem Datenhändler X-Mode im Januar untersagt, “sensible Standortdaten” weiterzugeben und zu verkaufen. Der Verkauf solcher Daten verletze die Privatsphäre von Verbraucherinnen und Verbrauchern. Betroffene könnten sogar Opfer von Diskriminierung oder körperlicher Gewalt werden.

Mithilfe dieser Daten habe sich nachvollziehen lassen, welche Orte Personen aufgesucht haben. Auch der Besuch besonders sensibler Orte habe verfolgt werden können. Dazu zählt die Behörde beispielsweise Krankenhäuser und Abtreibungskliniken, religiöse Stätten und Frauenhäuser.

Wenig später hatte die FTC ein ähnliches Verbot für den Datenhändler InMarket Media ausgesprochen.

Laut Wyden beschäftigt sich auch die US-Börsenaufsicht SEC mit dem Geschäft von Near. Dabei soll es um illegale Datentransfers aus der EU an US-Behörden gehen. (js)