USA: Katholische Priester in Dating-Apps aufgespürt
Konservative Katholiken aus dem US-Bundesstaat Colorado haben Nutzerdaten aus Dating-Apps gekauft, nach Aktivitäten von Geistlichen durchsucht und die Informationen anschließend landesweit mit Bischöfen geteilt. Das hat die Washington Post am Donnerstag berichtet. Die Gruppe mit dem Namen “Catholic Laity and Clergy for Renewal” (Katholische Laien und Geistliche für Erneuerung) hat den Bericht inzwischen bestätigt. Mitglieder der Gruppe sollen auch am Outing des Generalsekretärs der US-Bischofskonferenz im Jahr 2021 beteiligt gewesen sein.
Die Washington Post beruft sich in ihrem Bericht auf zwei mit den Vorgängen vertraute Personen. Die Redakteure konnten außerdem verschiedene Dokumente einsehen, unter anderem auch Material, das Bischöfe erhalten hatten.
Demnach soll die Gruppe mindestens 4 Millionen US-Dollar ausgegeben haben, um unter anderem Standortdaten aus Dating-Apps zu kaufen. Die von Datenhändlern angebotenen Datensätze sollen den Zeitraum von 2018 bis 2021 umfassen und hauptsächlich aus der an homosexuelle Männer gerichteten App Grindr stammen. Auch Daten aus weiteren Dating-Apps wie Growlr und OkCupid wurden offenbar erworben. In den Apps werden unter anderem Apps Standortdaten erhoben, um andere Nutzer in der Nähe anzuzeigen und zur Kontaktaufnahme vorzuschlagen. Sie werden aber auch zu Werbezwecken gesammelt und teils verkauft.
Laut Washington Post ist der Fall ein Beispiel für eine “neue Überwachungsform, bei der Privatpersonen potenziell” den Aufenthaltsort und die Aktivitäten anderer Personen “mithilfe kommerziell verfügbarer Informationen verfolgen können”. In den USA gebe es kein Gesetz, das den Verkauf dieser Daten verbietet.
Identifizierung über Standortdaten
Die Datensätze enthalten zwar keine Namen der Nutzer. Doch die Gruppe konnte Standortdaten einsehen, und etwa mit Koordinaten von kirchlichen Wohnsitzen und Arbeitsplätzen abgleichen. So sei etwa besonders nach Profilen Ausschau gehalten worden, die regelmäßig in Pfarrhäusern oder anderen kirchlichen Gebäuden aktiv waren, um Priester zu identifizieren, die die Apps genutzt haben könnten. Dabei sollen vor allem homosexuelle Geistliche ins Visier genommen worden sein.
Die gesammelten Informationen hat die Gruppe dem Bericht zufolge an Bischöfe weitergegeben. Bei den Kirchenvertretern habe Uneinigkeit darüber bestanden, wie die Daten verwendet werden sollten: Einige hätten ein Outing der Betroffenen angestrebt. Andere hätten es bevorzugt, die Betroffenen zu beobachten und ihnen etwa Beförderungen zu verweigern.
Gruppe war an früherem Fall beteiligt
Laut dem Bericht waren Mitglieder der Gruppe auch am erzwungenen Outing des Generalsekretärs der US-Bischofskonferenz, Jeffrey Burrill, im Jahr 2021 beteiligt. Die rechtskatholische Newsletter-Plattform “The Pillar” hatte damals von den Aktivitäten des Geistlichen auf der Dating-Plattform Grindr berichtet. Demnach soll Burrill die App über lange Zeiträume genutzt und Bars für schwule Männer besucht haben. Nach der Veröffentlichung hatte der Geistliche seinen Rücktritt erklärt.
Benett Cyphers von der Bürgerrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation sagte der Washington Post, dies sei der erste ihm bekannte Fall gewesen, bei der Daten von einer Gruppe gekauft und gegen eine bestimmte Person verwendet wurden. “Es war der erste Nadel-im-Heuhaufen-Fall, bei dem jemand Millionen von Standorten in Apps durchforstet und nach einer Person sucht und dann versucht, diese Information zu nutzen, um sie anzugreifen”, so Cyphers.
Ob die Datenauswertungen von “Catholic Laity and Clergy for Renewal” auch in anderen Fällen Konsequenzen für Betroffene hatten, ist laut Washington Post nicht bekannt.
Die Veröffentlichung der Daten zu Burrill wurde damals innerkirchlich scharf kritisiert. Der US-amerikanische Jesuit James Martin hatte das Vorgehen als “Spionage unter dem Deckmantel einer journalistischen ‘Untersuchung’” verurteilt. Die Hexenjagd auf vulnerable Gruppen in der Kirche müsse ein Ende haben.
Der Vorsitzende der Gruppe, Jayd Henricks, hat nicht nicht auf Fragen der Washington Post geantwortet, veröffentlichte am Donnerstag aber eine Stellungnahme auf der Internetseite des religiösen Magazins “First Thing”. Hendricks bestätigt darin, die Daten gekauft, ausgewertet und an Bischöfe weitergegeben zu haben. Das Vorgehen begründete er damit, der Kirche behilflich sein zu wollen – es sei den Bischöfen überlassen gewesen, wie sie mit den Informationen umgingen. Bei den Nachforschungen sei es sowohl um hetero- als auch um homosexuelle Kirchenmänner gegangen, die Dating-Apps verwenden.
Die Dating-App Grindr stand in der Vergangenheit bereits mehrfach wegen der Weitergabe von Nutzerdaten in der Kritik: Im Dezember 2021 hat die norwegische Datenschutzbehörde eine Millionenstrafe gegen das Unternehmen verhängt, weil personenbezogene Nutzerdaten an hunderte Werbepartner weitergegeben worden seien. Dazu zählten nach Angaben der Behörde auch Standortdaten.
Ein Grindr-Sprecher erklärte gegenüber der Washington Post, seit 2020 teile das Unternehmen keine Standortdaten mehr mit Werbefirmen. (dpa / js)