USA: Polizeibehörden bauen Überwachung mithilfe privater Kameras aus
In den USA bauen Kommunen ihre Videoüberwachung aus: Mehr als 60 Städte und Landkreise in den USA setzen bereits Technik ein, die der Polizei den Zugriff auf private Überwachungskameras ermöglicht. Die Betreiber der Kameras können diese in das Polizeinetzwerk einbinden lassen. Das geht aus Dokumenten wie Verträgen und Ankündigungen hervor, die von der Bürgerrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation (EFF) und der Thomson Reuters Foundation ausgewertet wurden. Die EFF warnt, so würden die Überwachungsmöglichkeiten der Polizei ausgebaut – häufig fehlten dabei klare Regeln.
Wie die EFF berichtet, verkauft das US-Unternehmen Fusus eine Plattform an US-Strafverfolgungsbehörden, mit der diese verschiedene Überwachungstechnologien in Echtzeit nutzen können. Beamte haben etwa Zugriff auf Kennzeichenscanner und Schusserkennung oder können Kameraaufnahmen auswerten. Sogenanntes Predictive Policing könnten die Behörden ebenfalls nutzen – also automatisierte Falldatenauswertung, um die Wahrscheinlichkeit zukünftiger Straftaten vorherzusagen.
Auch private Überwachungskameras ließen sich in das System einbinden, beispielsweise von Firmen oder smarten Türklingeln in Privathaushalten. Laut EFF können die Kamerabesitzer ihre Geräte zum einen “registrieren”: Sie werden dann nur in eine Liste aufgenommen. Wenn es in der Umgebung zu einer Straftat gekommen ist, könne die Polizei die Besitzer um die Kameraaufnahmen bitten.
Echtzeitzugriff möglich
Möglich sei aber auch, Kameras zu “integrieren” – also direkt in die von der Polizei betriebene Plattform einzubinden. Dafür müssen die Kamerabetreiber zusätzliche Hardware von Fusus erwerben, die den Beamten den Zugriff auf ihre Kameraaufnahmen ermöglicht.
Die EFF kritisiert, durch die Fusus-Plattform würden die polizeilichen Möglichkeiten zur Überwachung noch erweitert – so könnten auch Unverdächtige beobachtet werden. Die Polizei habe somit die Möglichkeit, ohne richterlichen Beschluss auf Videoaufnahmen zuzugreifen. Im Falle der privaten Kameras müssten die Behörden auch keine Richtlinien zur Datenlöschung festlegen oder befolgen. In der Vergangenheit hätten Polizeibehörden diese Möglichkeiten bereits genutzt, um Demonstrationen zu überwachen.
Anfragen der EFF an verschiedene Städte hätten darüber hinaus gezeigt, dass es häufig keine klaren Leitlinien zum Zugriff auf die Videokameras gebe. Nur wenige Städte hätten Richtlinien für die “angemessene und spezifische Nutzung des Systems” durch die Polizei vorlegen können.
Wie die Thomson Reuters Foundation berichtet, setzen Behörden in mehr als 60 US-amerikanischen Städten das Fusus-System bereits ein – unter anderem die Polizei von Atlanta im US-Bundesstaat Georgia. Nach Angaben der Behörde sind in der Stadt über 15.000 Privatkameras in das Fusus-System integriert.
Seit Jahresbeginn hätten zudem mehr als ein Dutzend kleiner und mittelgroßer Städte die Plattform eingeführt, heißt es in dem Bericht. Nach Angaben des Fusus-Chefs habe sein Unternehmen das Ziel, Überwachungssysteme nach New Yorker Vorbild für kleine Polizeidienststellen in den USA zu liefern.
Dem Bericht zufolge wirbt die Polizei in einigen Städten sogar aktiv dafür, dass beispielsweise Ladenbesitzer ihre Überwachungskameras in das Polizeisystem integrieren.
Überwachung für Kleinstädte
Albert Fox Cahn von der Organisation Surveillance Technology Oversight Project kritisierte, Fusus helfe kleineren Gemeinden dabei, die Überwachungssysteme der Großstädte nachzuahmen. Das bringe unzählige Bedenken hinsichtlich Privatsphäre und Bürgerrechten mit sich.
Adam Schwartz von der EFF kommentierte: “Wenn man die Straße entlangläuft, das Haus verlässt, ins Kino oder zum Anwalt geht, überall gibt es heute Kameras.” Durch die Partnerschaft von Unternehmen und Polizei könnten Menschen beobachtet werden, während sie ihrem täglichen Leben nachgehen.
Laut dem Bericht der Thomson Reuters Foundation wurde die Fusus-Plattform in vielen Städten ohne öffentliche Debatte eingeführt.
Die EFF fordert, Gemeinden müssten den Einsatz dieser und ähnlicher Überwachungstechnologie prüfen, bevor sie sich für den Kauf entscheiden – auch die betroffen Bewohner müssten einbezogen werden. An einigen Orten der USA gebe es bereits Verordnungen, die den Bewohnern ermöglichen, die Anschaffung neuer polizeilicher Überwachungstechnologien abzulehnen.
Sollten sich Gemeinden jedoch dafür entscheiden, brauche es klare Regeln: Es müsse zumindest ein begründeter Verdacht für eine Straftat vorliegen, bevor Beamte auf private Kameras zugreifen dürften. Zudem müsse klar geregelt werden, wie lange die Polizei diese Aufnahmen speichern darf und der Zugriff müsse protokolliert werden.
An dem Zugriff durch die Polizei auf private Überwachungskameras gibt es bereits länger Kritik: So hatte Amnesty International Anfang 2022 berichtet, die Polizei von New York könne ebenfalls auf private Kameras zugreifen. Kameraaufnahmen würden dort teils mit Gesichtserkennungssoftware nach Personen durchsucht.
Das Technikmagazin Wired hatte bereits im Jahr 2020 berichtet, Polizeibehörden in mehreren US-Städten könnten zunehmend auch auf private Überwachungskameras zugreifen. Bürgerrechtler hatten damals ebenfalls gewarnt, die Polizei könne so Proteste und marginalisierte Gruppen überwachen. (js)