Landgericht Karlsruhe: Verlinkung in Online-Artikel war nicht strafbar

Schild am Landgericht in Karlsruhe
Vor Gericht ist noch eine Beschwerde der Gesellschaft für Freiheitsrechte und von Radio Dreyeckland gegen die Durchsuchungen im Januar anhängig. (Quelle: IMAGO / Dirk Sattler)

Das Landgericht Karlsruhe hat die Anklage gegen einen Redakteur des Freiburger Radiosenders Radio Dreyeckland nicht zugelassen. Wegen eines Links im Rahmen der journalistischen Berichterstattung hatte die Staatsanwaltschaft ihm die strafbare Unterstützung einer verbotenen Vereinigung vorgeworfen.

Der Redakteur Fabian Kienert hatte über die Einstellung eines Ermittlungsverfahrens im Zusammenhang mit dem Verbot der Internetseite “linksunten.indymedia” berichtet – und dabei auch eine Archivseite der Plattform verlinkt. Die Staatsschutzabteilung der Staatsanwaltschaft sah in der Verlinkung eine strafbare Unterstützung einer verbotenen Vereinigung. Anfang Mai hatte sie deshalb Anklage gegen den Journalisten erhoben.

Wie die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) nun mitteilte, hat das Landgericht Karlsruhe am gestrigen Dienstag entschieden, die Anklage nicht zuzulassen. Laut der GFF, die den Journalisten in dem Strafverfahren unterstützt, entschied das Gericht, dass die Verlinkung Teil der journalistischen Aufgabe und daher keine strafbare Unterstützung einer verbotenen Vereinigung sei.

Eine Gerichtssprecherin bestätigte den Beschluss auf Anfrage von Posteo. Der Online-Artikel sei vom Gericht als “zulässige Presseberichterstattung” bewertet worden.

David Werdermann, Jurist und Verfahrenskoordinator bei der GFF sagte: “Die Entscheidung ist ein wichtiges Signal für freie und kritische Presseberichterstattung in ganz Deutschland. Das Gericht begründet ausführlich, dass vage Strafnormen mit Blick auf die Presse- und Rundfunkfreiheit einschränkend ausgelegt werden müssen.” Und weiter: “Der Beschluss ist wegweisend: Er stellt klar, dass Verlinkungen zum geschützten Bereich der freien Berichterstattung gehören und Medien für die verlinkten Inhalte nicht ohne Weiteres strafrechtlich belangt werden können.”

Plattform wurde 2017 verboten

Der frühere Bundesinnenminister Thomas de Maizière hatte die Internetplattform “linksunten.indymedia” im August 2017 auf Grundlage des Vereinsgesetzes verboten. Das Ministerium hatte damals erklärt, es handle sich um “die einflussreichste Internetplattform gewaltbereiter Linksextremisten in Deutschland”. Die GFF hält das Verbot hingegen für unverhältnismäßig. Zuletzt wurde eine Verfassungsbeschwerde gegen das Verbot im März 2023 vom Bundesverfassungsgericht aus formalen Gründen abgewiesen.

Das Landgericht zweifelte in seinem Beschluss auch an, ob der verbotene Verein “linksunten.indymedia” noch existiere – ein nicht mehr existenter Verein könne auch nicht unterstützt werden.

Wie die Gerichtssprecherin gegenüber Posteo erklärte, hat das Gericht außerdem geprüft, ob die Veröffentlichung des Artikels und insbesondere die Verlinkung auf die Archivseite gegen weitere Strafvorschriften verstoßen hat, etwa das Verbreiten von Propagandamitteln. Auch das habe die Kammer verneint.

Redaktionsräume durchsucht

Der Journalist Fabian Kienert sagte: “Ich bin sehr erleichtert, dass das Landgericht Karlsruhe die Pressefreiheit verteidigt hat. Der Schaden ist damit aber nicht aus der Welt: Die Hausdurchsuchung hat meine Privatsphäre verletzt.” Sicher seien auch Medienschaffende verunsichert worden, wie sie über verbotene Organisationen berichten dürfen. “Die Ermittlungen gegen Radio Dreyeckland hätten gar nicht erst eingeleitet werden dürfen. Das muss Konsequenzen haben”, so Kienert.

Im Januar hatte das Amtsgericht Karlsruhe wegen des Vorwurfs der strafbaren Unterstützung die Durchsuchung der Redaktionsräume des nicht kommerziellen Radiosenders sowie der Privatwohnungen zweier Redakteure angeordnet. Dabei wurden auch Computer, Mobiltelefone und Datenträger beschlagnahmt, auf denen nach Angaben des Senders “sensible, vom Redaktionsgeheimnis geschützte Daten” gespeichert waren. Die Geräte wurden zwar nach drei Tagen von der Polizei zurückgegeben, die Daten seien aber für weitere Auswertungen kopiert worden.

Das Landgericht habe nun angeordnet, dass diese Kopien gelöscht werden müssen, so die GFF. Grund dafür sei die hohe Bedeutung für das Redaktionsgeheimnis und den Informantenschutz.

Die Organisation erklärte, das Gericht habe mit seiner Entscheidung klargestellt, dass das Vorgehen einen rechtswidrigen Eingriff in die Presse- und Rundfunkfreiheit darstellt.

Die Staatsanwaltschaft kann gegen die Nichtzulassung der Anklage Beschwerde einlegen. Noch nicht entschieden hat das Gericht über die Beschwerden gegen die Dursuchungs- und Beschlagnahmebeschlüsse, die der Freiburger Radiosender im März gemeinsam mit der GFF vor dem Landgericht Karlsruhe eingelegt hat. Nach Einschätzung der GFF steht nun aber auch fest, dass die im Januar angeordneten Durchsuchungen rechtswidrig waren.

Kritik am Vorgehen der Justiz

Die Organisation Reporter ohne Grenzen (RSF) hatte die Durchsuchungen im Januar als “Angriff auf die Pressefreiheit” kritisiert. “Durchsuchungen von Redaktionsräumen gefährden immer auch den Quellenschutz”, so RSF. Dadurch könne davon abgeschreckt werden, sich mit vertraulichen Informationen an Journalisten zu wenden.

Auch der Deutsche Journalistenverband (DJV) hatte kritisiert, die Polizei habe “massiv gegen das Redaktionsgeheimnis” verstoßen. Es wirke wie ein “gezielter Einschüchterungsversuch gegen unliebsame Journalisten”. Die jetzt ergangene Entscheidung bezeichnete der Verband als “wichtiges und gutes Urteil für die Pressefreiheit”.

Radio Dreyeckland ist aus der Anti-Atomkraftbewegung entstanden. Die erste Sendung wurde, damals noch unter anderem Namen, Ende der 1970er Jahre ausgestrahlt. Seit 1988 hat der Sender eine offizielle Rundfunklizenz. (js)