Verwaltungsgericht erklärt Fluggastdatensammlung für rechtswidrig

Fluggäste
Neben Namen und Reisedaten erfährt das BKA auch, mit wem Passagiere fliegen. (Quelle: IMAGO / Norbert Neetz)

Die Daten von Fluggästen in der EU dürfen nicht anlasslos verarbeitet und gespeichert werden. Das hat das Verwaltungsgericht Wiesbaden Anfang Dezember in zwei Verfahren zum Fluggastdatengesetz (FlugDaG) entschieden. Die Urteile wurden vor den Feiertagen veröffentlicht.

Zu den Fluggastdaten gehören unter anderem Name, Adresse, Buchungsdaten, Sitzplatz und weitere Informationen über Flugpassagiere. Die Kläger waren jeweils auf innereuropäischen Routen oder auf Strecken zwischen Drittstaaten und der EU geflogen. Das BKA hatte bei den Reisen ihre Daten ausgewertet und mit Fahndungsdatenbanken abgeglichen, ohne dass Verdachtsmomente bestanden.

Das Gericht kam zu dem Schluss, es fehle bei den innereuropäischen Flügen an einer “grundrechtskonformen Rechtsgrundlage des BKA”. Für den Eingriff in die Privatsphäre hätte es Hinweise auf terroristische Bedrohungen geben müssen – die das BKA in den verhandelten Fällen nicht nachweisen konnte. 

Auch für die Passagierüberwachung bei Flügen in oder aus der EU sah das Gericht keine Rechtsgrundlage. Die Bekämpfung gewöhnlicher Kriminalität rechtfertige es nicht, die Daten sämtlicher Flugpassagiere ohne konkreten Anhaltspunkt mit Fahndungsdatenbanken abzugleichen. Die EU-Mitgliedsstaaten haben laut Gericht die Aufgabe, die schweren Straftaten zu benennen, die die Datensammlung rechtfertigen. Dem FlugDaG fehle aber ein solcher Straftatenkatalog.

Geklagt hatten Emilio De Capitani, ein ehemaliger Beamter des EU-Parlaments und der Generalsekretär der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), Malte Spitz. Die GFF hatte die Klagen unterstützt. Spitz zeigte sich zufrieden mit dem Urteil: “Vor über drei Jahren habe ich geklagt – und der lange Atem hat sich gelohnt! So, wie das Bundeskriminalamt massenhaft und anlasslos Fluggastdaten verarbeitet, geht es nicht.”

Bei Flügen in oder aus der EU werden rund 20 verschiedene personenbezogene Daten von jedem Passagier erfasst: Unter anderem Name, Adresse, Telefonnummer, Flugdaten, Zahlungsinformationen und Begleitpersonen.

Deutsche Umsetzung von EU-Recht

Der Bundestag hatte das Fluggastdatengesetz im Jahr 2017 verabschiedet, um die europäische Richtlinie zur Fluggastdatenspeicherung in nationales Recht umzusetzen. 
Nach der Richtlinie müssen die Fluggesellschaften bei Flügen in die EU oder aus der EU personenbezogene Daten – sogenannte Passenger Name Records (PNR) – aller Passagiere an die zuständigen Behörden zu übermitteln. Darüber hinaus haben die Mitgliedstaaten die Möglichkeit, sind aber nicht verpflichtet, PNR-Daten für ausgewählte Flüge innerhalb der EU zu erfassen.

In Deutschland landen die Daten auf diesem Weg beim Bundeskriminalamt und werden dort zentral gespeichert. Zugriff darauf können auch weitere Behörden anfordern.

Im Jahr 2020 hatte das BKA rund 105 Millionen Passagierdatensätze verarbeitet. 0,02 Prozent der Datensätze hatten der Behörde zufolge zu Treffern in der Fahndungsdatenbank geführt. In den Jahren 2018 und 2019 hatten sich allerdings fast alle vermeintlichen Treffer im Nachhinein als Irrtümer herausgestellt

Vorabentscheid vorm EuGH

Bijan Moini, Leitender Jurist bei der GFF sagte nach der aktuellen Urteilsverkündung: “Das sind zwei wichtige Urteile, die ganz konkret umsetzen, was der Europäische Gerichtshof im Juni an Einschränkungen für die Fluggastdatenverarbeitung vorgegeben hat: Es geht immer noch zu viel, aber eben nicht alles.”

Der Europäische Gerichtshof hatte im Juni 2022 entschieden, dass Fluggastdaten innerhalb der EU nur verarbeitet werden dürfen, wenn es Anhaltspunkte für terroristische Bedrohungen auf bestimmten Flugrouten gibt. Und auch in diesen Fällen müsse sich die Verarbeitung der Daten auf das für die Bekämpfung von Terrorismus absolut Notwendige beschränken.

Auch entschied der EuGH, dass erhobene Daten nach spätestens sechs Monaten gelöscht werden müssen, wenn es bei Betroffenen keine Hinweise auf Terrorismus oder schwere Kriminalität gibt.

Geklagt hatte damals die belgische Menschenrechtsorganisation Ligue des droits humains (Liga für Menschenrechte). Vor dem Verwaltungsgericht bezogen sich die Kläger nun auf diesen Fall und die Entscheidung des EuGH.

Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts kann das BKA innerhalb eines Monats beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof Berufung eingelegen. (hcz)