Vietnam: Internetkonzerne müssen Nutzerdaten im Land speichern
Per Dekret hat die vietnamesische Regierung angeordnet, dass IT-Konzerne künftig die Daten von vietnamesischen Nutzerinnen und Nutzer auf Servern im Land speichern müssen. Zudem sollen die Firmen Vertretungen in dem Land eröffnen.
Die neuen Regeln treten am 1. Oktober in Kraft und wurden am Mittwoch bekanntgegeben, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters. Sie gelten für Social-Media-Netzwerke wie Facebook, Internetfirmen wie Google und Telekommunikationsanbieter.
Ein von Reuters zitierter Absatz aus dem Dekret verdeutlicht, wie umfangreich die Informationssammlung ausfallen soll: “Daten aller Internetnutzer, die von Finanzunterlagen und biometrischen Daten bis hin zu Informationen über die ethnische Zugehörigkeit und politische Ansichten der Menschen reichen, oder alle Daten, die von Benutzern beim Surfen im Internet erstellt werden, müssen im Inland gespeichert werden.”
2 Jahre Speicherfrist
Vietnamesische Behörden erhalten das Recht, die teils hochsensiblen Daten zu Ermittlungszwecken abzurufen. Zudem können sie die Firmen anweisen, bestimmte Inhalte zu löschen, wenn diese gegen die staatlichen Richtlinien verstoßen.
Die ausländischen Unternehmen haben 12 Monate Zeit, um lokale Datenspeicher und Repräsentanzen einzurichten, nachdem sie entsprechende Anweisungen des Ministers für öffentliche Sicherheit erhalten haben. Die Daten müssen mindestens 24 Monate lang lokal gespeichert bleiben.
Ende 2020 hatte Facebook bereits auf den Druck der vietnamesischen Behörden reagiert und Social-Media-Beiträge mit Links zu deutschen Medien blockiert. Der Konzern begründete den Schritt damals mit “lokalen rechtlichen Beschränkungen”. Einer der betroffenen Beiträge enthielt einen Link auf einen Artikel der taz über angebliche Verstrickungen eines Verwandten des vietnamesischen Innenministers in Drogenschmuggel. Zuvor hatten staatliche Provider in Vietnam den Datenverkehr zu Facebook wochenlang so weit gedrosselt, dass die Plattform kaum noch zu benutzen war.
Google und der Facebook-Mutterkonzern Meta waren gegenüber Reuters zu keiner spontanen Stellungnahme zu der aktuellen Anordnung bereit.
Zensur durch die Kommunistischen Partei
Vietnam ist seit 1975 fest in den Händen der Kommunistischen Partei (KPV). Das Einparteiensystem erlaubt keine organisierte Opposition und keine anderen Parteien. Die Judikative gilt nicht als unabhängig.
Reporter ohne Grenzen (RSF) listet Vietnam in der Rangliste der Pressefreiheit auf Platz 174 von 180. “Der Einparteienstaat zielt darauf ab, alles zu kontrollieren”, berichtet die Organisation. Um die Parteilinie online zu verteidigen und widersprüchliche Meinungen zu bekämpfen, habe die Armee eine 10.000 Soldaten starke Einheit namens Force 47 gegründet.
Bloggerinnen und Blogger seien häufig die einzige Quelle für unabhängig recherchierte Informationen, da sich viele Medien in Vietnam an die Zensurvorschriften der Regierung hielten. Zwar sei die Pressefreiheit in der vietnamesischen Verfassung festgeschrieben, “aber der politische Apparat verfügt über ein maßgeschneidertes gesetzgeberisches Arsenal, das es ihm erlaubt, jeden Nachrichten- und Informationsanbieter einzusperren, der sich als störend erweist”, erklärt RSF.
Vietnam gehöre zu den Staaten, in denen weltweit die meisten Medienschaffenden aufgrund ihrer Arbeit im Gefängnis sitzen. (hcz)