Vor der Klimakonferenz: Arabische Emirate sollen Gefangene freilassen

Dubai
Terrorismusgesetze erlauben den Behörden in den Emiraten, Menschen unbegrenzt lange festzuhalten.(Quelle: Tim Reckmann – CC BY 2.0)

In einem offenen Brief haben 23 Menschenrechtsorganisationen die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) dazu aufgefordert, vor Beginn der Weltklimakonferenz im Dezember alle zu Unrecht Inhaftierten im Land freizulassen. Die Behörden würden Dutzende Menschen auch nach Verbüßung ihrer Haftstrafen weiterhin gefangenhalten. Darunter befänden sich auch 55 Dissidenten, Menschenrechtler und weitere Personen, die seit 2012 inhaftiert sind, nachdem sie Reformen gefordert hatten. Diese seien in vielen Fällen verhaftet und verurteilt worden, weil sie ihr Recht auf freie Meinungsäußerung oder andere Menschenrechte ausgeübt hatten, heißt es in dem Schreiben vom Dienstag.

Zu den Unterzeichnern zählen unter anderem die Organisationen Access Now, Amnesty International und Human Rights Watch. Die Organisationen fordern zudem, das Bespitzeln von Regierungskritikern mithilfe von Überwachungstechnik zu beenden, repressive Gesetze abzuschaffen und das Recht auf friedliche Versammlungsfreiheit zu achten.

Zudem müssten Wanderarbeiter das Recht auf die Gründung von Gewerkschaften erhalten. Sie litten im Zusammenhang mit dem missbräuchlichen Kafala-System im Land unter Menschenrechtsverstößen.

Unendlich lange Haft

Die Menschenrechtsorganisation erklärten, derzeit würden mindestens 58 Häftlinge über ihre verhängten Gefängnisstrafen hinaus festgehalten. Human Rights Watch zufolge sind die Haftstrafen von 51 der Gefangenen im März ausgelaufen, andere hätten bereits im Juli 2019 freikommen sollen.

Die Behörden des Landes würden sich bei ihrem Vorgehen auf Artikel 40 eines Bundesgesetzes von 2014 berufen. Es erlaube, Personen auf unbestimmte Zeit festzuhalten, wenn sie des Terrorismus beschuldigt werden. Allerdings sei der Terrorismus-Begriff darin “vage und weit gefasst”, kritisiert Access Now. Die Inhaftierungen seien willkürlich.

Die Organisationen fordern, Artikel 40 zu überarbeiten und die Möglichkeit zu streichen, Personen auf unbestimmte Zeit festzuhalten.

Der UAE94-Fall

Die Organisationen fordern die Freilassung von insgesamt 60 Personen. Der Großteil von ihnen gehöre zu einer als “UAE94” bekannten Gruppe von Regierungskritikern, die 2012 im Zusammenhang mit einer Petition verhaftet wurden, in der sie zu demokratischen Reformen wie Wahlen für den Nationalrat aufgerufen hatten. In einem als unfair kritisierten Massenprozess wegen angeblicher Verschwörung zum Sturz der Regierung der VAE wurden 69 der Festgenommenen im Jahr 2013 zu Haftstrafen von 7 bis 15 Jahren verurteilt.

Unter ihnen waren Journalisten, Regierungsbeamte, Richter, Rechtsanwälte, Lehrer und Studenten. Den Menschenrechtsorganisationen zufolge wies der damalige Prozess gravierende Mängel auf: Rechtsbeistände seien nicht gestellt worden oder hätten ihre Klienten im Stich gelassen. Einige Angeklagte hätten ein Jahr lang keinen Kontakt zur Außenwelt gehabt. Dies stelle einen Verstoß gegen die UN-Mindestgrundsätze für die Behandlung von Gefangenen dar. Mehrere Inhaftierte berichteten zudem von Folter, um Geständnisse zu erzwingen.

Auch die Vereinten Nationen hatten im Juni 2021 die Freilassung der inhaftierten Regierungskritiker gefordert. “Ihre Strafen waren übermäßig hart und ihre Inhaftierungen wurden […] als willkürlich eingestuft”, hatte UN-Sonderberichterstatterin Mary Lawlor damals erklärt. “Sie hätten gar nicht erst inhaftiert werden dürfen für die legitime Ausübung der Freiheiten, auf die alle Menschen Anspruch haben.”

HRW zufolge hatte der Fall UAE94 “abschreckende Wirkung auf die Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit” in den VAE.

Internationaler Druck nötig

Menschenrechtsorganisationen wie das Emirates Detainees Advocacy Center (EDAC) befürchten, dass die Gefangenen nicht ohne internationalen Druck freigelassen würden. Hamad al-Shamsi, Geschäftsführer des Emirates Detainees Advocacy Center (EDAC), sagte Anfang Juni: “Wir glauben, dass die VAE bereit sind, sie bis zu ihrem Tod im Gefängnis zu halten.” Es gebe keinen Zwang oder Druck. “Die Gemeinschaft innerhalb der VAE ist sehr schwach”, so al-Shamsi weiter.

Allerdings setzen die Organisationen Hoffnung in die kommende Klimakonferenz, die die VAE im November ausrichten werden. Sie könnte al-Shamsi zufolge eine Gelegenheit sein, den nötigen Druck auszuüben. Die Unterzeichner appellieren daher auch an die internationale Gemeinschaft, insbesondere an Regierungen, “dringend die sofortige und bedingungslose Freilassung der in diesem Appell aufgeführten Gefangenen zu fordern und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen und sich für ein Ende der schweren Menschenrechtsverletzungen in den VAE einzusetzen.” Explizit angesprochen werden die USA, das Vereinigte Königreich, Kanada und die EU-Mitgliedsstaaten sowie die Vereinten Nationen.

Vom 30. November bis 12. Dezember 2023 wird Dubai die UN-Weltklimakonferenz COP28 ausrichten. Nach Einschätzung von Amnesty International ist es in den VAE angesichts bestehender Gesetze zur Meinungsfreiheit nicht möglich, ehrgeizige Ziele im Kampf gegen den Klimawandel umzusetzen. (hcz)