Taliban nehmen erneut Journalisten fest
Seit der Machtübernahme der Taliban hat sich die Lage für Medienschaffende in Afghanistan weiter verschlechtert: Wie jetzt bekannt wurde, haben die Taliban in den vergangenen Tagen neun Journalisten verhaftet. Die Organisation Reporter ohne Grenzen (RSF) fordert ihre bedingungslose Freilassung.
Wie RSF am Mittwoch berichtete, wurden die betroffenen Journalisten bei Razzien in fünf afghanischen Provinzen verhaftet. Gründe dafür hätten die Taliban nicht angegeben. Mit einer Ausnahme befinden sich alle Festgenommenen weiterhin in Haft.
RSF-Geschäftsführer Christian Mihr kritisierte: “Unter den afghanischen Medienschaffenden herrschen Angst und Unsicherheit. Die Taliban haben einmal mehr bewiesen, dass ihre anfänglichen Versicherungen, sie würden die Pressefreiheit respektieren, nichts als Lügen waren.”
Die aktuelle Welle der Razzien gegen lokale Medien hat laut RSF bereits am 31. Juli begonnen, als die Radio- und Fernsehsender Hamisha Bahar, Nen und Jawanan in der östlichen Provinz Nangarhar geschlossen wurden. Wenige Tage später sei dann der für die Nachrichtenagentur Bakhtar arbeitende Journalist Sayed Wahdatullah Abdali verhaftet worden. Am 9. August wurde außerdem ein Mitarbeiter des privaten Fernsehsenders Ariana News TV Network von Taliban-Geheimdienstmitarbeitern in der Provinz Pakita abgeführt.
Bereits am folgenden Tag nahmen die Taliban außerdem Haseeb Hassas vom landesweit sendenden Radio Salam Watandar fest. Nach Angaben von RSF kam es noch am selben Tag zu erneuten Durchsuchungen der Redaktionsräume von Radio Kilid – einem der populärsten Radiosender Afghanistans mit Kultur-, Bildungs- und Gesellschaftsprogrammen. Die Sicherheitskräfte nahmen bei der Durchsuchung auch den Geschäftsführer und einen Reporter des Radiosenders fest.
Wie RSF berichtet, wurden außerdem am 13. August vier weitere Medienschaffende verhaftet – darunter Ataullah Omar, der für den Nachrichtensender ToloNews berichtet.
Zwölf Medienschaffende inhaftiert
Nur einer der Festgenommenen sei wieder freigelassen worden – die acht anderen befinden sich weiterhin in Haft. Laut RSF sind damit derzeit insgesamt zwölf Medienschaffende in Afghanistan inhaftiert. Unter ihnen befindet sich auch Mortaza Behboudi, ein Journalist mit französischer und afghanischer Staatsbürgerschaft. Er wurde bereits Anfang Januar inhaftiert – 48 Stunden nachdem er in Kabul eingetroffen war.
RSF erklärte in Bezug auf die nun bekanntgewordenen Festnahmen, es sei zutiefst beunruhigend, dass in mindestens fünf Fällen der Geheimdienst GDI beteiligt war. Denn damit sei die “Kommission für Medienbeschwerden und Rechtsverletzungen” umgangen worden. Diese 2022 nach einjähriger Unterbrechung wieder eingerichtete Kommission soll eigentlich verhindern, dass sich andere Behörden in Medienangelegenheiten einmischen.
Die Organisation fordert die Freilassung aller in Afghanistan inhaftierten Medienschaffenden. Die Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UNAMA) appellierte an die Taliban, das Recht auf Meinungsfreiheit zu respektieren. Die Inhaftierten hätten das Recht, ihre Familien und Anwälte zu treffen und zu erfahren, was ihnen vorgeworfen wird.
Eingeschränkte Pressefreiheit
Seit die Radikalislamisten vor zwei Jahren wieder an die Macht gekommen sind, haben sie die Pressefreiheit im Land stark eingeschränkt: Auf der aktuellen Rangliste der Pressefreiheit von RSF belegt Afghanistan Rang 152 von 180 Staaten – vor der Taliban-Herrschaft hatte das Land noch auf Platz 122 gelegen.
Mehr als die Hälfte der 547 Medien, die 2021 im Land registriert waren, haben inzwischen den Betrieb eingestellt. Insgesamt sei die Medienlandschaft seit der Machtübernahme durch die Taliban im August 2021 deutlich geschrumpft. Von den rund 12.000 Medienschaffenden, die 2021 noch in Afghanistan gearbeitet hatten, arbeiten mehr als zwei Drittel laut RSF inzwischen nicht mehr in ihrem Beruf. Frauen fehlten in der Medienlandschaft weitgehend – mehr als 80 Prozent von ihnen haben ihre Arbeit aufgegeben. Journalistinnen würde etwa “unmoralisches Verhalten” vorgeworfen; im Fernsehen müssen Frauen ihr Gesicht bedecken.
Medienschaffende, die weiterhin in Afghanistan arbeiten wollen, müssen sich an die Vorschriften der Taliban halten. Darunter sind beispielsweise die “Elf Regeln für den Journalismus”, die bereits im September 2021 verkündet wurden. RSF hatte damals kritisiert, sie seien vage formuliert und könnten zur Verfolgung von Medienschaffenden genutzt werden. So wird etwa Berichterstattung verboten, die angeblich “gegen den Islam verstößt” oder “führende Persönlichkeiten des Landes beleidigt”.
Seit der Machtübernahme durch die Taliban hat sich nicht nur die Lage der Medien im Land verschlechtert – insbesondere die Rechte von Frauen und Mädchen wurden seitdem beschnitten. Human Rights Watch hatte erst kürzlich erklärt, die Menschen in Afghanistan erlebten einen “humanitären und menschenrechtlichen Albtraum”. (js)