Weltweit knapp 200 Umweltschützer im vergangenen Jahr getötet
Weltweit wurden im vergangenen Jahr mindestens 196 Umweltschützerinnen und -schützer getötet. Die gefährlichste Region für die Aktivisten war erneut Lateinamerika. Das geht aus dem am Dienstag veröffentlichten Jahresbericht der Menschenrechtsorganisation Global Witness hervor. Die tatsächliche Zahl könnte demnach sogar noch höher liegen.
Laura Furones von Global Witness sagte: “Während sich die Klimakrise beschleunigt, werden diejenigen, die ihre Stimme erheben, um unseren Planeten mutig zu verteidigen, mit Gewalt, Einschüchterung und Mord konfrontiert. Unsere Daten zeigen, dass die Zahl der Morde nach wie vor alarmierend hoch ist, eine Situation, die einfach inakzeptabel ist.”
Kolumbien ist laut der NGO mit 79 Morden das Land mit den meisten getöteten Aktivistinnen und Aktivisten. Es ist die höchste Zahl getöteter Umweltschützer, die sie je in einem Land dokumentiert hat. Bereitsim Jahr 2022 gab es 60 Morde an Umweltschützern. Nach Einschätzung von Global Witness sind Gruppen der organisierten Kriminalität für rund die Hälfte aller Morde an Aktivisten in Kolumbien verantwortlich.
Im vergangenen Jahr hatte die NGO noch Hoffnung auf Besserung geäußert, weil Kolumbiens Präsident Gustavo Petro einen besseren Schutz von Menschenrechts- und Umweltaktivisten versprochen hatte. Bisher habe dies aber noch nicht zu einem Rückgang der Übergriffe geführt – vielmehr scheine die Gewalt sogar zuzunehmen.
Lateinamerika ist gefährlichste Region
Insgesamt ist Lateinamerika mit 166 Morden laut Bericht die gefährlichste Region für Umweltschützer. In Brasilien wurden im vergangenen Jahr 25 Aktivisten getötet – in Mexiko und Honduras jeweils 18.
Auch in Nicaragua wurden zehn Aktivisten ermordet. Die Todesopfer gehörten dort ausschließlich indigenen Völkern an die sich gegen die Abholzung des Regenwalds einsetzen. Im Norden des Landes befindet sich der zweitgrößte Regenwald der westlichen Hemisphäre. Die nicaraguanische Regierung unternimmt laut Global Witness nichts gegen die Zerstörung des Waldes und “erleichtert” diese sogar teilweise.
In Asien hat die NGO insgesamt 25 Morde dokumentiert – 17 auf den Philippinen. Bereits in den vergangenen Jahren hatte es dort die meisten Fälle in der Region gegeben.
Auf dem afrikanischen Kontinent wurden zwei Umweltschützer in der Demokratischen Republik Kongo getötet. Jeweils einen Mord an Aktivisten gab es in Ruanda und Ghana.
Die NGO geht davon aus, dass die tatsächlichen Fallzahlen höher liegen, weil es schwierig sei, auf dem Kontinent an gesicherte Informationen zu gelangen.
Einsatz gegen Bergbauprojekte
Es sei zudem schwierig, einen direkten Zusammenhang zwischen der Ermordung von Umweltaktivisten und bestimmten wirtschaftlichen Interessen zu beweisen. In den Fällen, in denen ein Zusammenhang hergestellt werden konnte, hätten sich 25 der getöteten Umweltschützer gegen Bergbauprojekte eingesetzt. Auch Aktivisten, die sich gegen Fischerei, Forst- und Landwirtschaft, Straßenbau und Wasserkraftwerke engagiert hatten, wurden getötet.
Bei Attacken gegen Aktivisten auf den Philippinen wurden beispielsweise sieben Aktivisten verschleppt. Auch in Mexiko gab es zwei Fälle.
Andere Umweltschützer würden kriminalisiert oder Opfer von Verleumdungskampagnen, um sie zum Schweigen zu bringen.
In dem Bericht wird außerdem kritisiert, dass in Europa, Großbritannien und den USA ebenfalls härter gegen Aktivisten vorgegangen werde und beispielsweise “harte Strafen” gegen an Klimaprotesten Beteiligte verhängt werden. In den USA hat die Polizei in Atlanta zudem eine Person erschossen, die gegen die Zerstörung eines Waldes demonstriert hatte.
Mehr als 2000 Morde seit 2012
Die Organisation Global Witness veröffentlicht den jährlichen Bericht zu Morden an Umweltschützerinnen und Umweltschützern bereits seit 2012. Im Zeitraum bis Ende 2023 hat die Organisation demnach insgesamt 2106 Morde weltweit dokumentiert, die meisten in Kolumbien (461). In Brasilien wurden in dem Zeitraum 401 Aktivisten getötet, auf den Philippinen 298 und in Mexiko 203.
Global Witness fordert einen besseren Schutz von Umweltaktivisten. Laura Furones erklärte: “Die Regierungen dürfen nicht untätig bleiben. Sie müssen entschiedene Maßnahmen ergreifen, um Aktivisten zu schützen und die Ursachen der Gewalt gegen sie zu bekämpfen. Die Aktivisten sind unverzichtbar, wenn es darum geht, Schäden zu verhindern und zu beheben, die durch klimaschädliche Industrien verursacht werden.”
Regierungen müssten Angriffe und Repressionen systematisch dokumentieren. Denn nach Ansicht der NGO würden solche Daten helfen, bestehende Gesetze und Schutzmechanismen zu verbessern. Den Opfern müsse Zugang zur Justiz verschafft werden. Auch an Unternehmen appelliert die Organisation, Menschenrechtsverletzungen entlang ihrer Lieferketten aufzudecken, zu dokumentieren und zu verhindern. (dpa / js)