Iran: Anhaltende strafrechtliche Verfolgung von Medienschaffenden
Journalistinnen und Journalisten werden im Iran auch unter dem neuen Präsidenten Massud Peseschkian strafrechtlich verfolgt. Die Organisation Reporter ohne Grenzen (RSF) kritisiert, der Präsident habe ihm unterstehende Behörden eigentlich anweisen wollen, Anzeigen gegen Medienschaffende zurückzuziehen.
Massud Peseschkian ist seit Ende Juli neuer Präsident des Irans. Wie RSF berichtet, hatte er im August angekündigt, Behörden per Dekret aufzufordern, ihre Anzeigen und Klagen gegen Journalistinnen und Journalisten fallen zu lassen. Der neue Präsident sei damit einer Initiative der Vereinigung iranischer Journalisten gefolgt. Der Verband hatte in einem Schreiben bemängelt, viele Journalisten seien mit Gerichtsverfahren gegen sie konfrontiert oder würden zu Geld- und Haftstrafen verurteilt.
RSF kritisiert nun, Medienschaffende im Iran würden aber unverändert von den Behörden verfolgt. Seit dem Amtsantritt von Peseschkian habe die NGO dokumentiert, wie sieben Journalistinnen und Journalisten mit juristischen Mitteln eingeschüchtert wurden.
Verurteilungen und Verhöre
RSF zufolge wurde der Journalist Omid Faraghat am 11. August von einem Gericht wegen angeblicher “Propaganda” zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt. Außerdem unterliegt er einem zweijährigen Publikationsverbot. Der Journalist war bereits Anfang März von den Behörden aufgrund seiner Arbeit verhaftet, zunächst aber gegen Kaution wieder freigelassen worden.
Ebenfalls Anfang August wurde die Journalistin Fatemeh Gholipour Ganjalou, die für die Nachrichtenseite Rokna arbeitet, von der iranischen Polizei verhört. Anlass soll ihre Berichterstattung über einen Angriff auf eine religiöse Prozession in Täbris im Norden des Iran gewesen sein. Laut RSF wurde die Journalistin auch mehrfach von der Staatsanwaltschaft vorgeladen. Ihr sei bei diesen Terminen erklärt worden, dass sie keine Fragen zu polizeilichen Maßnahmen im Zusammenhang mit Sicherheitsangelegenheiten stellen dürfe.
Zudem habe die medizinische Hochschule in Iranshahr im August eine Klage gegen die Journalisten Sheyda Hassan Zahi und Mohamad Yasin Jalal Zahi eingereicht, die beide für die Nachrichtenseite Mayarjal schreiben. Sie hatten über Probleme in der Dialyseabteilung des Universitätskrankenhauses berichtet. Nun beschuldigt die Institution sie, Falschinformationen verbreitet zu haben.
Bereits Anfang August, Stunden vor der Veröffentlichung von Peseschkians Dekret, habe ein Gericht in der Provinz Abadan außerdem drei freiberufliche Journalisten im Zusammenhang mit ihrer Berichterstattung über die landesweiten regimekritischen Proteste vor zwei Jahren vorgeladen. Derzeit befänden sie sich gegen Kaution auf freiem Fuß.
Jonathan Dagher von RSF konstatierte, Präsident Peseschkian habe eine Hoffnung geweckt – die aber nur kurzzeitig aufrechterhalten wurde. Er sagte: “Die Verfolgung von Journalisten im Iran – Verhaftungen, Verhöre, Verurteilungen und Einschüchterungen – geht unverändert weiter.”
Freilassung inhaftierter Journalisten gefordert
Die Organisation erklärte, nur drei iranische Ministerien hätten öffentlich bekannt gegeben, dem Präsidialdekret nachkommen zu wollen. Allerdings beschränke sich die Aufforderung des Präsidenten auch auf die ihm direkt unterstellten Regierungsbehörden. Dazu würden zwar mehrere Ministerien und auch der Oberste Nationale Sicherheitsrat zählen – die politische Macht im Iran liege letztlich aber in den Händen des “Obersten Führers” Ayatollah Ali Khamenei. Er kontrolliere unter anderem die Justiz und das Militär. Auch die Staatsanwaltschaft in Täbris, die Ganjalou vorgeladen hat, und das Gericht, das Faraghad verurteilt hat, fallen demnach in seine Zuständigkeit.
Dagher sagte: “Kurz vor dem zweiten Jahrestag der ‘Frau, Leben, Freiheit’-Proteste fordern wir die Freilassung aller 25 derzeit im Iran inhaftierten Journalisten – 16 von ihnen wurden seit den Protesten im Jahr 2022 inhaftiert – und ein Ende der juristischen Schikanen gegen Reporter.”
Im September 2022 waren als Reaktion auf den Tod der jungen Kurdin Mahsa Amini landesweit regimekritische Proteste ausgebrochen. Amini war von der sogenannten Sittenpolizei wegen eines angeblich falsch sitzenden Kopftuchs festgenommen worden. Wenige Tage später, am 16. September 2022, starb sie – mutmaßlich in Folge von Gewalt durch die Sittenwächter.
Zahlen von RSF zufolge wurden seitdem mehr als 100 Medienschaffende verhört oder verhaftet.
Auch die beiden Journalistinnen Nilufar Hamedi und Elahe Mohammadi wurden Ende 2023 zu langen Haftstrafen verurteilt. Die beiden Frauen waren im Jahr 2022 unter den ersten, die über den Tod Aminis berichtet hatten – und in diesem Zusammenhang angeklagt und verurteilt worden.
Anfang 2024 waren sie gegen Kaution freigelassen worden. Die iranische Justiz hatte jedoch ein neues Verfahren gegen die Journalistinnen eingeleitet.
Unterdrückte Medien
Auf der Rangliste der Pressefreiheit von RSF belegt der Iran Rang 176 von 180 Staaten. Seit der Islamischen Revolution im Jahr 1979 zähle das Land zu den repressivsten weltweit für Medienschaffende. Gerichte würde Journalisten in unfairen Verfahren zu langen Haftstrafen verurteilen.
Iranische Medien unterliegen einer systematischen Kontrolle. Auch das Internet wird im Iran umfassend überwacht und zensiert. Während der Proteste gegen das Regime kam es auch wiederholt zu Internetsperren. (js)