WWF: Tropenwälder werden massiv abgeholzt
Innerhalb von 13 Jahren wurden 43 Millionen Hektar tropischer Regenwald zerstört. Die Berechnung der Umweltschutzorganisation WWF basiert auf Satellitendaten von 24 besonders stark betroffenen Gebieten aus den Jahren 2004 bis 2017. Die meisten Zerstörungen verursachte die kommerzielle Landwirtschaft. Sie vernichtet Regenwald, um Platz für Weide- und Ackerflächen zu schaffen.
Waldbrände und 94 Prozent weniger Wildbestand
Neun der 24 beobachteten"Entwaldungshotspots" liegen in Südamerika: Besonders gelitten haben die Wälder im Amazonas in den Ländern Brasilien, Kolumbien, Peru, Bolivien, Venezuela und Guyana, teilte der WWF am Mittwoch mit. Dort wurden 18,3 Millionen Hektar Wald vernichtet. 5,8 Millionen Hektar verschwanden auf Borneo, also in Indonesien und Malaysia, 5,2 Millionen Hektar auf der Gran Chaco in Paraguay und Argentinien.
Laut der in dieser Woche veröffentlichten Studie “Deforestation Fronts” besteht ein weiteres Problem darin, dass 46 Prozent der bestehenden Wälder in den Hotspots “stark fragmentiert” sind – sie werden von Straßen oder Ackerflächen durchtrennt. Dadurch steige die Gefahr für Waldbrände und dort lebende Tiere würden vertrieben. Die Wildtierbestände in den beobachteten Gebieten seien bereits um 94 Prozent zurückgegangen.
Waldrodung fördert Pandemien
“Wenn wir die Klimakrise nicht noch weiter anheizen wollen, müssen wir die Wälder und die dort lebenden Arten schützen”, erklärte Susanne Winter, Programmleiterin Wald beim WWF, “Regenwälder speichern Kohlenstoff, sind ein wichtiger Lebensraum für Tier- und Pflanzenarten und sind ein Bollwerk gegen Pandemien. Wir müssen daher dringend die Entwaldung aufhalten, sonst stoppt das Leben, wie wir es kennen”.
Das Sterben des Waldes habe auch direkte Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit: Ausbrüche von Infektionskrankheiten und Waldrodungen könnten teils in einen direkten Zusammenhang gebracht werden. Winter sagte: “Ist die Erde krank, werden es auch die Menschen. Wir müssen die Regenwälder besser schützen, sonst ist COVID-19 nur ein Vorgeschmack auf künftige Krisen.”
Deutsche mitschuldig
Die Studie weist darauf hin, dass auch deutsche Unternehmen und Konsumentinnen und Konsumenten an der Zerstörung der Tropenwälder beteiligt sind: Rund ein Sechstel der in der EU gehandelten Lebensmittel trügen zur Entwaldung der Tropen bei. Besonders für den Anbau von Futtermittelsoja, Kakao und Rindfleisch werde Wald vernichtet. Laut einem EU-Bericht gehen 10 Prozent der weltweiten Waldzerstörung auf das Konto des europäischen Konsums.
Winter kommentierte: “Statt nur mit dem Finger auf Regierungen und Landwirte in Entwaldungshotspots zu zeigen, müssen wir uns ebenfalls an die eigene Nase fassen. Die globale Landwirtschaft, der größte Treiber der Entwaldung, produziert auch für den deutschen Markt. Mit einem Steak landet oftmals ein Stück Amazonas direkt auf unserem Teller. Denn selbst wenn die Rinder aus Deutschland kommen, werden sie meist mit importiertem Soja aus dem Amazonas gefüttert.”
Lieferkettengesetz nötig
Um das Waldsterben einzudämmen, fordert der WWF “verbindliche Sozial- und Umweltstandards bei internationalen Handelsbeziehungen” auf Bundes- und EU-Ebene. “Waren, für deren Produktion Natur zerstört oder Menschenrechte verletzt wurden, dürfen nicht im Supermarktregal landen”, so Winter.
Momentan wird in der EU über ein Gesetz für entwaldungsfreie Lieferketten beraten. Die EU-Kommission wird voraussichtlich im Mai einen Entwurf vorstellen. Bei einer Bürgerbefragung hatten 1,2 Millionen EU-Bürgerinnen und Bürger diese Forderung bestätigt.
Die Diskussion um ein deutsches Lieferkettengesetz hält indessen an. Eigentlich hatte sich die aktuelle Bundesregierung im Koalitionsvertrag dazu verpflichtet, unternehmerische Sorgfaltspflicht per Gesetz festzuschreiben. Doch Uneinigkeit zwischen dem beteiligten Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD), Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) blockieren ein Vorankommen. Außerdem stellen sich die Spitzenverbände der Wirtschaftsverbände quer, weil sie fürchten, dass deutsche Unternehmen durch das Gesetz einen Nachteil im internationalen Wettbewerb erfahren und es zu mehr Bürokratie kommt. Gleichzeitig befürworten einige namhafte große und mittlere deutsche Unternehmen ein Lieferkettengesetz, etwa die “Ruggie-Runde” bei der Hamburger Stiftung für Wirtschaftsethik, zu deren Organisatoren unter anderem Adidas, BMW und Nestlé Deutschland zählen. (hcz)