Zollbeamter gab gesperrte Journalisten-Adresse an Neonazi weiter

Zoll-Emblem auf Hemd (Symbolbild)
Wenn sich durch eine Melderegisterauskunft eine Gefährdung für die Betroffenen ergibt, können sie eine Auskunftssperre beantragen. (Quelle: Zoll)

Ein Zollbeamter aus Franken hat die gesperrte Adresse eines Journalisten an einen Neonazi weitergegeben, wie der Bayerische Rundfunk berichtet. Der Beamte wurde deswegen zwar zu einer Geldstrafe verurteilt – ist aber weiter im Dienst.

Laut den Recherchen des Bayerischen Rundfunks (BR) ist der freie Journalist Timo Büchner von der Datenweitergabe betroffen. Büchner berichtet unter anderem für das Nachrichtenportal Zeit Online über Rechtsextremismus. Zudem ist er für die Amadeu Antonio Stiftung tätig, die sich gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus einsetzt. Aufgrund des Themenfelds seiner Arbeit hat Büchner seine private Adresse für Melderegisterauskünfte sperren lassen – die Behörden dürfen sie also nicht an Dritte weitergeben.

Wie der BR berichtet, war es im Januar 2021 nach der Veröffentlichung eines Berichts von Büchner zur rechtsextremen Szene im Nordosten Baden-Württembergs zu Hausdurchsuchungen bei Neonazis gekommen. Auf einem dabei beschlagnahmten Mobiltelefon entdeckte die Polizei auch eine Chatgruppe gewaltbereiter Fußballfans. Auch der Zollbeamte war in dieser Gruppe aktiv.

Dieser soll in der Gruppe bereits Ende 2020 erklärt haben, er könne in Behördensystemen Adressen abfragen – dazu brauche er nur Vor- und Nachnamen. Nach den Untersuchungen habe einer der Rechtsextremen den Zöllner in einer privaten Nachricht gefragt, ob er die Adresse des Journalisten aus dem Behördensystem abrufen kann. Laut dem BR-Bericht hatte der Zollbeamte daraufhin die aktuelle Adresse und das Geburtsdatum des Journalisten herausgesucht und weitergegeben.

Der Zollbeamte soll darüber hinaus auch die private Anschrift eines Mannes abgefragt haben, der einer gegnerischen Fangruppierung angehört.

Weiterhin im Dienst

In Akten der ermittelnden Kriminalpolizei, die der BR einsehen konnte, heißt es, dem Zollbeamten dürfte die “Gewaltbereitschaft” des Neonazis bekannt gewesen sein – und dieser wiederum habe gewusst, dass der Zöllner auf “entsprechende Auskunftssyssteme” zugreifen kann. Nachdem die Polizei den Chatverlauf zwischen dem Zollbeamten und dem Rechtsextremen gefunden hatte, leitete sie ein Ermittlungsverfahren gegen den Beamten ein. Auch seine Wohnung und seine Dienststelle im Landkreis Kitzingen, die zum Hauptzollamt Schweinfurt gehört, wurden durchsucht.

Mitte Juni hätte es eigentlich zu einem öffentlichen Prozess gegen den Zollbeamten kommen sollen – weil dieser aber einen Strafbefehl akzeptierte, wurde dieser abgesagt. Der Beamte wurde “wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses in zwei tatmehrheitlichen Fällen” rechtskräftig zu 90 Tagessätzen verurteilt. Einer Vorstrafe sei er damit aber entgangen und laut Bericht ist der Beamte auch weiterhin im Dienst.

Konsequenzen gefordert

Der betroffene Journalist Timo Büchner nannte den gesamten Vorfall gegenüber dem BR ein “einschneidendes Erlebnis”. In Bezug auf die Verurteilung sprach er von einem handfesten “Justizskandal” und erklärte: “Wenn ein Zollbeamter zum Handlanger eines militanten Neonazis wird, sind deutliche Konsequenzen gefordert.” Diese seien aber ausgeblieben.

Dennis Amour, Geschäftsführer des Bayerischen Journalistenverbands (BJV), erklärte gegenüber dem BR, wenn Zollbeamte ihre Privilegien nutzten, um “illegal Journalisten-Daten an Neonazis weiterzugeben”, zerstörten sie damit das Vertrauen in den Staat. “So jemand sollte nicht mehr in einer Position arbeiten dürfen, die Zugriff auf Meldedaten erlaubt. Es muss allen Beamten klar sein, dass in einem solchen Fall ernsthafte Konsequenzen drohen.” Amour mahnte: “Gewaltbereite Rechtsextreme bedrohen regelmäßig Journalisten, die über deren Szene recherchieren.”

Auch die Organisation Reporter ohne Grenzen (RSF) teilte mit, es gebe gute Gründe, warum kritische Reporterinnen und Reporter ihre Adresse sperren lassen – das zeige nicht zuletzt eine steigende Zahl von physischen Angriffen auf Medienschaffende. Den Vorfall in Bayern bezeichnet RSF als “Skandal”. Die Bedrohungslage von Medienschaffenden, die zum Rechtsextremismus recherchieren, sei ohnehin hoch – zugleich schütze das Grundgesetz die Pressefreiheit in besonderem Maße. “Im vorliegenden Fall hat ein Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden dieses zentrale Grundrecht eklatant verletzt”, kritisiert RSF.

Der Zoll erklärte gegenüber dem BR, wenn schutzwürdige Daten aus internen Systemen abgerufen würden, seien Beamte dazu verpflichtet, “regelmäßig Grund und/oder Zweck der Abfrage zu dokumentieren”. Diese Angaben würden auch durch den zuständigen Datenschutzbeauftragten geprüft. Warum die unrechtmäßigen Abfragen in Bayern durch die Kontrollmechanismen nicht aufgefallen sind, erklärte die Behörde nicht: Das Hauptzollamt Schweinfurt wollte sich gegenüber dem BR nicht zum konkreten Fall äußern.

Dennis Amour vom BJV fordert weitere Sicherheitsmechanismen: “So könnte es zum Beispiel ein Vier-Augen-Prinzip oder eine Autorisierung durch Vorgesetzte bei der Abfrage der Adressdaten von besonders gefährdeten Personen geben.”

Kein Einzelfall

In Deutschland besteht Meldepflicht, sodass die Meldebehörden im Regelfall die Adressen aller Bürgerinnen und Bürger kennen. Über eine sogenannte einfache Melderegisterauskunft lässt sich Auskunft über die Anschrift anderer Menschen beantragen. Laut Bundesmeldegesetz kann aber eine Auskunftssperre beantragt werden, wenn sich durch eine Melderegisterauskunft eine “Gefahr für Leben, Gesundheit, persönliche Freiheit oder ähnliche schutzwürdige Interessen” ergibt.

Eine solche Sperre verhindert aber keine Datenabfragen durch Sicherheitsbehörden. Dabei ist der nun bekannt gewordene Vorfall aus Bayern kein Einzelfall – wiederholt sind Fälle bekannt geworden, bei denen Beamte illegal Daten aus internen Systemen abgefragt haben. Auch in den aktuellen Tätigkeitsberichten mehrerer Landesdatenschutzbehörden sind die rechtswidrigen Datenzugriffe weiterhin Thema, wie das Nachrichtenportal netzpolitik.org im Juni berichtet hatte. In Sachsen, Berlin, Baden-Württemberg, Hessen und Hamburg hatten demnach Polizeibeamte ihre Zugangsrechte für privat motivierte Datenabrufe missbraucht. Auch die Weitergabe von Daten an Rechtsextreme ist wiederholt bekannt geworden. (js)